Samstag, 4. Juli 2015

GFNY Mt. Ventoux



Erinnerungen verblassen, die schlechten meistens schneller als die guten, insbesondere beim Sport. Man schwitzt, man leidet, man schwört sich "Nie mehr" und will einfach nur noch dass es vorbei ist. Doch kaum im Ziel und wieder halbwegs bei Atem, fängt man schon wieder an Pläne zu schmieden, verblassen Schmerz und Anstrengung angesichts des Erreichten. Ob das nun ein Sieg über andere oder sich Selbst war spielt dabei keine Rolle.

Nur so kann ich mir erklären dass der Ventoux, der windige Berg der Provence, jedes Mal wenn ich ihn hochfahre steiler wird. Jedes Mal trifft mich die brutale Steigung nach der Kehre in St. Estève wie ein Hammer und jedes mal sind die Kilometersteine unendlich weit von einander entfernt. Irgendwie ging es das letzte Mal immer einfacher.

Vergangenen Sonntag bin ich die erste Ausgabe des Gran Fondo New York Mt. Ventoux gefahren. Was New York mit dem Mt. Ventoux zu tun hat? Gran Fondo New York, oder kurz GFNY, ist eine Eventagentur deren Ursprung in der Tat in der Ausrichtung des Gran Fondo New York liegt. Inzwischen gibt es Ausgaben rund um die Welt, neben NY auch in Italien, Mexiko, Puerto Rico, Spanien, Kolumbien und mit dem GFNY Mt. Ventoux auch in Frankreich.  Hier geht's zur Homepage von GFNY.

Der Startbogen war gar nicht so weit weg! 

Christian und ich, noch guter Dinge.

Das Starterfeld war etwas übersichtlicher als in den Vogesen, geschätzt nicht ganz 1000 Fahrer haben sich am frühen Sonntag Morgen in Vaison la Romaine versammelt um die kurze Strecke über 115 oder die lange Strecke über 135 km in Angriff zu nehmen. Der Start war neutralisiert und wurde erst ausserhalb des Ortes freigegeben. Die Neutralisation habe ich genutzt um möglichst viele Plätze gut zu machen und tatsächlich war ich nach wenigen Minuten ganz vorne. Das Temo war zunächst recht verhalten, aber schon am ersten Berg, dem Col de la Peyronière (640m, 5km, 311hm) zog das Tempo an und an der Bergwertung waren 26 Mann vorne. Der nächste Berg, der Col de Aires (646m, 3km, 176hm) splittete das Feld  in eine 14 Mann starke Spitze und eine 12 köpfige Verfolgergruppe. 

Das Motto von GFNY ist "Be a pro for one day". Und in der Tat, in der Spitze war das wie in einem echten Radrennen. Es gab ein Führungsfahrzeug, ein Auto mit dem Rennleiter, einen neutralen Materialwagen und ein Motorrad, das die Zeitabstände auf einer Tafel angezeigt hat. Fotografiert und gefilmt wurde natürlich auch. Wer nicht in der Spitzengruppe war hat davon aber nichts mehr mitbekommen. Kurz vor dem dritten Berg, dem Col de l'Homme Mort (1213m, 15km, 600hm) wurde die erste Verpflegung von der Spitzengruppe, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, ignoriert. Ich war der Einzige der anhielt. Die schon auf dem Rad aufgeschraubte Flasche war schnell gefüllt, zwei Riegel ins Trikot gesteckt und weiter ging es.



Nach etwa zwei Kilometern hatte ich die Spitzengruppe eingeholt und konnte den Col de l'Homme Mort tatsächlich mit den Besten in Angriff nehmen. Die Verfolger hatten zu diesem Zeitpunkt schon gut über eine Minute Rückstand. Not too bad. Ich hatte wirklich gehofft mit der Spitze über den langen, aber nicht besonders schweren Berg zu kommen und mich dann bis zum Ventoux im Windschatten schonen zu können, aber daraus sollte nichts werden. Das Tempo war einfach zu hoch. Um die Gruppe zu halten hätte ich mind. 350 Watt treten müssen. Das schaffe ich an einer kurzen Steigung, nicht aber über 15 Kilometer. Und es stand ja noch eine ganz andere Prüfung auf dem Programm. Lange Zeit war der Rückstand überschaubar und ich hatte die Hoffnung in der Abfahrt noch mal aufschliessen zu können, aber irgendwann waren sie weg, von den Verfolgern war auch nichts zu sehen und Ich war im Niemandsland. Vielleicht hätte ich besser gewartet. Andererseits ging es überwiegend runter, also bin ich in bester Zeitfahrmanier dem Ventoux entgegengeeilt.

Die Verpflegung in Sault ignorierte ich. Nach kurzer Bergauffahrt ging es durch die Gorges de la Nesque abwärts. Inzwischen waren die große und die kleine Strecke wieder zusammen. Die vielen Fahrer der 115 km Runde die ich überholen konnte waren zumindest eine psychologische Hilfe.

Die Gorges ist mit Sicherheit eine der reizvollsten und landschaftlich schönsten Straßen die man mit dem Rad fahren kann. Die Aussichten sind spektakulär. Um es zu genießen sollte man aber unbedingt Bergauf fahren. Die Strecke steigt zwischen Villes sur Auzon und dem Aussichtspunkt am Ende der Schlucht nur rund 400 Meter auf 18 km, das ergibt eine moderate Durchschnittssteigung von etwas über 2%. Bergab, so wie der Gran Fondo gefahren ist, ist man zu schnell um einen Blick auf die Landschaft zu werfen und zu langsam, um einfach rollen lassen zu können.

Etwa in der Hälfte der Gorges hatte ich Eduardo aus Chile eingeholt, der sich ebenfalls in er Spitzengruppe befunden hatte. Nur 12 Fahrer der großen Runde vor uns! Die Abwechslung in der Führung war mehr als willkommen. In Villes sur Auzon haben wir nochmal die Flaschen und Trikottaschen gefüllt und uns auf den Weg zum Ventoux gemacht. Nach gut 115 km ging es los. Alles bis dahin war nur die Ouvertüre vor dem Kampf mit dem kahlen Riesen. Eduardo musste ich schon vor St. Estève ziehen lassen und habe versucht in meinem eigenen Rhythmus weiter zu klettern. Das ging Anfangs noch ganz gut, aber bald war es nur noch ein mühsames Ächzen, Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung. Trotzdem konnte ich noch Fahrer der kleinen Runde überholen.



Bei der "Cinglé du Ventoux" Tour 2013 bin ich noch mit 39x53 und einem 28er Ritzel gefahren. Dieses Mal hatte ich immer hin ein 36er Kettenblatt zur Verfügung, aber auch das war noch zu groß. 2013 war die Bedoin Seite der erste Anstieg des Tages und ich habe 1 Stunde und 30 Minuten gebraucht. Dieses Mal war ich eine viertel Stunde langsamer. Mit 1:30 hätte ich den 14. Platz gehalten. Aber es ist eben ein großer Unterschied ob man einen solchen Berg ausgeruht oder nach 115 Kilometer Radrennen, davon 50 km als Solist, angeht. Was soll ich sagen, es war hart. Verdammt hart. Und heiss, weit über 30°. Wenigstens hat der Mistral nicht geblasen. Aber alles geht irgendwann vorbei. Es haben mich nicht ganz so viele Fahrer der großen Runde eingeholt wie ich unterwegs dachte, so dass es für den 25. Gesamtrang und den 5. Platz in meiner Altersklasse reichte. Was für ein Ritt. 130 km und 3.300 hm in 4:54, das ist ein Schnitt von 26,5.





Nach einer längeren Pause auf dem Gipfel habe ich mich die Abfahrt hinabgestürzt. Breite Straße, weite Kurven und 10% Gefälle sorgen für einen wahren Geschwindigkeitsrausch. Ich bin an Autos und anderen Radfahrern vorbei geschossen dass es nur so eine Freude war. Wäre das Ziel unten gewesen, hätte ich mit Sicherheit nochmal einige Plätze gut gemacht. Top Speed waren 93 km/h!

In Vaison la Romaine gab es dann eine dicke Medaille, was zu essen, eine (!) Dusche und eine ganze Reihe von Osteopathen / Physiotherapeuten, die die Fahrer wieder gerade gerückt haben. Später war dann die offizielle Zeremonie im antiken Amphitheater. Wie üblich eine endlose Veranstaltung mit Siegerehrungen für die besten Frauen und besten Männer auf der kleinen und der großen Strecke und für alle Altersklassen. Davor durften natürlich noch der Bürgermeister sprechen und der Veranstalter. Die Preise waren allerdings fett. Insgesamt wurden Sachpreise für 20.000 Euro ausgeschüttet. Die Sieger haben jetzt beste Laufräder von Mavic, Helme, Carbon-Lenker und was weiß ich noch.

Die Veranstaltung war professionell und ohne Fehl und Tadel organisiert. Für die 78 Euro Startgeld habe es einen realen Gegenwert. Was ist sonst noch zu erwähnen?
  • Bei GFNY Veranstaltungen müssen alle in dem offiziellen Trikot fahren, das im Startgeld inbegriffen ist.
  • Die Provence ist immer eine Reise Wert
  • Der Mt. Ventoux nicht ohne Grund "Hors Categorie"
  • Von den nicht ganz 1000 Startern kamen nur 650 ins Ziel, bzw. ins Ergebnis
  • Ich bin "ge-chickt" worden, Anna Kiesenhofer hat mich am Ventoux abgezogen.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen








3 Kommentare:

  1. Hi Boris! Sehr couragiertes Rennen - Respekt! - und viele wahre Worte zu Beginn! Hab mich grad gewundert, dass da Leute von "unterlenker.com" auf meine Website kommen, jetzt weiß ich warum ;) . Danke für die Erwähnung! ;)

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    1. PS: Krasse Übersetzung. Ich fahr ne Oma-Übersetzung von 34x32 (für eine 1:20er Zeit) :D .

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    2. Die Übersetzung hätte mir auch gut getan. Du bist da ganz schön an mir vorbei geflogen. Respekt. Für den Engadin nächstes WE schraube ich dann doch mal ein 34er drauf!

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