Sonntag, 17. Januar 2016

Leistungstests

Die Abschlussarbeit zur B-Trainer Prüfung habe ich über "Alternative, nicht laborbasierte Methoden Zur Bestimmung der Trainingsbereiche" geschrieben. Was lag da näher als im Anschluss einige dieser Test auszuprobieren und die Ergebnisse zu vergleichen.

Vorneweg muss man natürlich festhalten, dass ein solcher Selbstversuch nur eingeschränkte Aussagen über die Vergleichbarkeit der Tests zulässt. Es gab nur einen Probanden und zwischen den Tests lag einige Zeit, da ändert sich die Form und natürlich ist nicht jeder Tag wie der andere. Des Weiteren ermitteln die Tests zwar ähnliche Schwellenpunkte, die auch miteinander in Verbindung stehen, aber eben nicht die exakt gleichen. Der Einfachheit halber setze ich im folgenden trotzdem die individuelle Anaerobe Schwelle IAS, die funktional Threshold Power FTP und die Critical Power CR bzw die CR60 gleich.

1. Leistungsdiagnostik mit Laktat Entnahme auf dem Ergometer

Auf dem Cyclus Ergometer bin ich mit meinem eigenen Rad mit den Infocranks und dem BSX Insight gefahren. Ziel war hier zunächst die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Systemen zu vergleichen, auf der einen Seite Powermeter und BSX Insight auf der anderen Cyclus und Laktatmessung. Auf die Unterschiede zwischen dem Infocrank Powermeter und dem Cyclus bin ich hier bereits eingegangen.

Das Testprotokoll des BSX Insight entspricht genau dem Stufentest, den auch der BDR vorsieht, d.h. Start bei 100 Watt und alle drei Minuten eine Steigerung der Leistung um 20 Watt. Durch die recht lange Dauer ist die maximale Leistung zwar nicht sonderlich spektakulär, dafür ist die Auflösung in den Übergangsbereichen zwischen den einzelnen Energiesystemen höher.

Am Ende jeder Stufe wurde aus dem Ohrläppchen Blut abgenommen, der Pulswert und das Belastungsempfinden notiert. Die Daten wurden dann im Anschluss mit Ergonizer ausgewertet.

Die letzte Stufe (320 Watt) bin ich nicht ganz zu Ende gefahren und habe nach zwei Minuten abgebrochen, daher vermerkt das Protokoll dort 313 Watt.


Die Daten sind ein gutes Beispiel dafür, dass es natürlich einen Durchschnitt, ein statistisches Mittel gibt und man mit Faustformeln manchmal gar nicht so falsch liegt, im Zweifel aber auch ganz gehörig daneben liegen kann und daher immer den einzelnen Athleten betrachten muss. Auffällig war:
  • Meine Laktat Basislinie lag bedeutend über den üblichen 1 mmol/l
  • Mein Maximalpuls müsste in Anbetracht meines Alters bei 180, nicht aber bei 200 liegen
  • Meine Trittfrequenz betrug im Durchschnitt 112 RPM und wurde gegen Ende immer höher. Die letzten Stufen bin ich mit über 120 Umdrehungen gefahren. Das ist bedeutend mehr als das, was ich normalerweise auf der Straße fahre und auch bedeutend höher als die 100 bis 105 RPM die üblicherweise gefahren werden. 

Ergonizer hat aus den Daten eine individuelle Anaerobe Schwelle von 228 Watt bei einer Herzfrequenz von 172 Schlägen berechnet.

Laut Ergonizer wäre ich noch gute vier Stufen im Anearoben Bereich gefahren, was recht viel wäre und auf eine hohe  Anaerobe Kapazität schließen lassen würde. Allerdings, das werden wir später noch sehen, ist dieser Punkt bei weitem zu niedrig angesetzt.



2. Stufentest mit dem BSX Insight auf dem Cyclus Ergometer

Der parallel mitlaufende BSX kam im Zusammenspiel mit den Infocranks auf ganz andere Werte. Selbst wenn wir den Unterschied in der vorgegebenen (Cyclus) und gemessenen (Infocranks) Leistung von durchschnittlich 15 Watt einbeziehen, liegt die BSX Schwelle immer noch deutlich höher:


Ganze 36 Watt Differenz, nach Abzug der 15 Watt Abweichung bleiben immer noch 21 Watt Unterschied!


Man geht davon aus, dass zwischen der Topform und der Basislinie etwa 10% Unterschied bestehen. Mein bestes Ergebnis 2015 war eine Schwellenleistung von 313 Watt, 10% weniger sollten also etwa 280 Watt sein. 268 Watt ist daher immer noch vergleichsweise wenig. Ich wollte nicht so recht glauben, dass es um meine Form so schlecht bestellt ist.

3. Stufentest mit dem BSX Insight auf der Elite E-Motion

Daher bin ich einige Tage später einen weiteren Stufentest gefahren. Dieses mal Zuhause, mit BSX Insight und Powermeter auf der freien Elite E-Motion Rolle. Das Protokoll, das BSX vorgibt ist wie gesagt das gleiche das ich bei der Leistungsdiagnostik gefahren bin. Beginnend bei 100 Watt alle drei Minuten 20 Watt mehr bis zur Ausbelastung. Und siehe da, dieses Mal waren die Werte plausibel verglichen mit den Tests, die ich 2015 gefahren bin:



4. Drei Minuten Test

Nun setzt ein Stufentest ja schon einiges an Planung voraus. Man muss ausgeruht sein, die Tageszeit sollte immer gleich sein, nach einem Arbeitstag ist eher ungünstig und großartiges Training kann man für den Rest des Tages vergessen. Und das letzte Drittel ist immer ekelig und 'ne ziemliche Schinderei.

Geht das also nicht einfacher, kürzer? Der drei Minuten Test, den ich in der Abschlussarbeit beschrieben habe, schien eine Alternative zu sein.

Den Test bin ich auf der Straße gefahren, flach und geradeaus. Ich bin los gesprintet was das Zeug hielt und habe versucht, wie es das Test-Protokoll verlangt, die Leistung so lange es geht zu halten. Und ich kann euch sagen, dieser Test ist eine Sch.. Idee. Das waren unglaublich harte drei Minuten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in so kurzer Zeit so gelitten zu haben.


Auffällig ist, dass meine Leistung ab der 45. Sekunde bis zum Ende konstant bleibt und nicht wie in der Studie beschrieben bis zum Ende abfällt. Das spricht dafür, dass ich einfach nicht hart genug gefahren bin, sondern immer die Uhr im Blick hatte und versucht habe, meinen Einsatz so zu dosieren, dass ich auch bis zum Ende durchhalte. Von einem Pacing Gesichtspunkt war das sicherlich gut, für den Test aber schlecht. In den entscheidenden letzten 30 Sekunden hatte ich immer noch eine Durchschnittsleistung von 312 Watt. Dieser Wert sollte eigentlich mit meinem Critical Power Wert korrespondieren, liegt hier aber definitiv darüber.

Das Schwierige dieses Testes ist die psychologische Komponente, zu wissen, dass man jederzeit weit über der Leistung fahren muss, die man für die verbleibende Dauer des Testes erbringen kann.

5. 20 Minuten Test

Als nächstes stand ein Klassiker an, der 20 Minuten Test nach Allen / Coggan. Diesen Test bin ich wieder auf der Rolle gefahren und habe mich dabei von Swift führen lassen, die einen entsprechenden Workout in ihrer Bibliothek haben, der vorgibt, was zu tun ist. Nach dem Aufwärmen mit drei kurzen Belastungen folgen fünf Minuten all-out, eine Pause und dann der eigentliche Test: 20 Minuten all-out.

Über die 20 Minuten bin ich durchschnittlich 298 Watt gefahren, multipliziert mit 0.95 ergibt dies eine FTP Wert von 283 Watt, was ziemlich genau dem Wert des Testes mit dem BSX auf der Elite Rolle entspricht.

Allerdings kann man basierend auf den Werten dieses Testes die Schwelle auch nach der von Couzens definierten Methode berechnen. Dabei wird der Abfall der Leistung zwischen dem fünf Minuten und dem 20 Minuten Block mit einbezogen, Details hier. Wenn man das tut, kommt man auf eine etwas niedrigere Schwelle von 272 Watt.


Fazit

Vier verschiedene Test, sechs Auswertungen und sechs unterschiedliche Ergebnisse. Der erstaunlichste Ausreisser dabei ist die Laktat basierte Leistungsdiagnostik. Die Werte sind viel zu niedrig. Hier wäre es interessant, den Test nochmal zu wiederholen um Anhaltspunkte zu gewinnen, ob mein Test ein Ausrutscher war und irgendetwas schief gegangen ist oder ob ein fundamentales Problem besteht. Letzteres könnte durchaus sein. Es gibt grundlegende Kritik an Laktat basierter Leistungsdiagnostik. Danach basiert diese auf grundsätzlich falschen Annahmen und man hat über die Jahre lediglich gelernt die Ergebnisse so weit zu interpretieren und zu deuten, dass die Resultate sinnvoll erscheinen. Ausführlich kann man das hier nachlesen.

Die Ergebnisse die am plausibelsten sind und am besten mit den Daten übereinstimmen, die ich auf der Straße beobachten kann, sind die des BSX Stufentestes auf der Elite e-Motion Rolle und der 20' Test nach Allen / Coggan.


Welches Testprotokoll man am Ende auch wählt um seine Trainingsbereiche zu bestimmen, bei dem Protokoll soll man bleiben. Nur wenn ein Leistungstest jedesmal nach dem selben Protokoll und unter möglichst gleichen Vorraussetzungen durchgeführt wird,  ist ein Vergleich der Resultate über die Zeit möglich. Für ein Watt-gesteuertes Training ist es darüber hinaus wichtig, die Leistungsdiagnostik auf dem eigenen Rad mit dem Powermeter zu fahren, der auch später im Training und Rennen zum Einsatz kommt.

Und man sollte den gesunden Menschenverstand nutzen und Testergebnissen nicht blind vertrauen. Das gelingt natürlich umso besser, je mehr Erfahrung man hat und je länger man schon Rad fährt. Denn auch wenn es hier nicht zur Sprache kam ist das Belastungsempfinden RPE eine wichtige und nicht zu unterschätzende Kennziffer zur Trainingssteuerung.

Wie immer freue ich mich über Fragen, Anmerkungen und eure Erfahrungen in den Kommentaren.

4 Kommentare:

  1. BSX definiert seinen FTP Schätzer bei 4 mmol Laktat, d.h. die Beziehung SmO2 zu Laktattest wurde bei 4 mmol erstellt.

    Dein Laktatstufentest definiert die Schwelle irgenwo bei 3 mmol (oder wo auch immer). Wenn man an der Kurve zu 4 mmol geht, dann ist der Unterschied nicht mehr so groß und die Ergebnisse sind stimmiger.

    Ich kann nur von mir sagen, dass meine ganzen BSX Tests ziemlich genau mit meinen 20min all-out-effort mal 0.95 Werten übereinstimmen. Bin oft welche parallel gefahren.

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    1. Hast du eine Quelle dafür das BSX die Schwelle fix bei 4mmol verortet?

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  2. Das hat mir der BSX Support auf Anfrage so gesagt. Die Aussage auf ihrer Homepage ist sehr "Wischi-Waschi".

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  3. und schau mal hier bei dcrainmaker:

    http://www.dcrainmaker.com/2014/09/bloodless-lactate-threshold.html

    bei den Graphen wurde für FTP (bzw. das Laufäquivalent) der Werte genommen, der am nächsten bei 4 mmol liegt.

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