Sonntag, 30. Oktober 2016

Wo ist Rudi?

Ich glaube ich bin einem furchtbaren Verbrechen auf die Spur gekommen. Jemand muss unseren Präsidenten entführt haben! "Unser" Präsident natürlich nur wenn ihr noch Mitglied im Bund Deutscher Radfahrer seit. Wie auch immer, Rudi ist weg! Ich verfolge ja recht regelmäßig die nationalen und Internationalen Radsport-Nachrichten. Rad-Bundesliga, Deutsche Meisterschaften, Weltmeisterschaften. Ich habe BRD-Online auf Facebook geliked, den RSS-Feed von Rad-Net abonniert und schaue regelmäßig auf der BDR Homepage nach den neusten Nachrichten. Aber nie sehe ich ein Foto mit Rudi. Nichts!

Hier ist Rudi auf der Jahreshauptversammlung des BDR 2009 zu sehen. 
Quelle: Wikipedia 

Dabei soll der Präsident doch den BDR nach aussen vertreten und repräsentieren. Also die Meistertrikots überreichen. Die deutsche Nationalmannschaft bei der WM unterstützen. Seine Kontakte in die Politik spielen lassen und die BDR-Mitglieder von der Radwege-Benutzungspflicht entbinden. Da müsste er doch mal auf Fotos auftauchen, oder?

Und in der aktuellen Causa Streng, da wird an den Generalsekretär Martin Wolf geschrieben, nicht aber an Rudi. Und warum meldet sich Rudi, ein aufrechter Sozialdemokrat, hier nicht energisch zu Wort? 

Und es ist ja nicht so, das Rudi die Öffentlichkeit scheuen würde. Früher ist Rudi immer mit dem Team Telekom Rad gefahren und hat bei der Tour de France im Begleitauto gesessen. Das waren noch Zeiten. Ulle in Gelb und Rudi im Mannschaftswagen. Da hat das auch funktioniert, mit dem Radsport hierzulande. Da ist Deutschland um den Tour Sieg gefahren. Aber seit dieser Brite das Ruder in der UCI übernommen hat, gewinnt Team Sky eine Tour nach der anderen und von Rudi ist nichts mehr zu sehen. Ob es da einen Zusammenhang gibt? 

Ein böser Verdacht: Rudi ist entführt worden oder einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Oder es ist einfach ein tragisches Unglück passiert. Vielleicht hat Rudi sich ja auch einfach nur auf einer Rad-Tour verfahren? Womöglich im Wald? Ein Plattfuß und kein Materialwagen weit und breit? Oder er wird bei der Deutschen Telekom im Keller gefangen gehalten? Vielleicht wollte er alte Doping Geschichten aufdecken? (Gut, dann könnte er auch in Freiburg im Keller sitzen.) 

Daher sind jetzt alle Radfahrer gefragt, jetzt kommt es drauf an, es geht um Leben und Tod: 

Wo ist Rudi? 

Haltet die Ohren und Augen auf! Hinweise gerne in den Kommentaren (geht auch anonym)!

Samstag, 29. Oktober 2016

SportMedica 2016

Am vergangenen Wochenende habe ich die Sportmedica 2016 in Luxembourg besucht. Die Veranstaltung ging über einen Tag. Es gab sechs sehr interessante Vorträge von hervorragenden Dozenten rund um das Thema Wettkampfmedizin. Das hört sich im ersten Moment sehr speziell und schwierig an, allerdings richtete sich die Tagung nicht (nur) an Sportmediziner sondern auch an Physiotherapeuten, Trainer, Athleten und die weitere, interessierte Öffentlichkeit.



Der erste Vortrag hatte das Thema "Ernährungsberatung bei gewichtslimitierenden Sportarten". Jun. Prof. Dr. Anja Carlson von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd hat einen Einblick in das mir bisher weitgehend unbekannte "Gewicht machen" gegeben. Bei manchen Sportarten spielt das Gewicht des Athleten keine Rolle, zum Beispiel beim Curling oder Schießen. Bei anderen Sportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen ist Gewicht zwar wichtig, definiert aber nicht die Wettkampfklasse. Bei den meisten Kampfsportarten, beim Rudern oder auch Gewichtheben bestimmt das Körpergewicht des Athleten dagegen in welcher Klasse angetreten wird. Etwa 25 bis 30% der olympischen Sportarten fallen in diese Kategorie. Ein fester Bestandteil dieser Sportarten ist der Glaube, dass man mit einem Körpergewicht über dem Kampfgewicht trainieren muss, als sozusagen "Train heavy - Fight light". Athleten die in einer bis 60 Kilo Klasse antreten, wiegen dann im Training schnell 66 bis 68 Kilo. Das soll mehr Kraft und einen Vorteil im Wettkampf bringen. Beim Wiegen müssen diese zusätzlichen Kilos natürlich wieder runter sein. Mit teilweise abenteuerlichen und lebensgefährlichen Methoden werden die überflüssigen Kilos dann in den letzten Tagen vor dem Wettkampf "abgekocht". Dauerläufe in Schwitzanzügen, Ergometer in der Sauna, Erbrechen, Fasten, Diätpillen. All das geht mit einer deutlichen Dehydration einher. Eine gesunde Gewichtsreduktion liegt bei etwa 1% pro Woche. Diese Athleten nehmen teilweise 10% in wenigen Tagen ab! Krass! Wissenschaftlich belegen lässt sich dieses "Train heavy- Fight light" übrigens nicht.

Danach hat Prof. Dr. Tim Meyer von der Universität des Saarlandes über "Regenerative Maßnahmen im Leistungssport - nur der Glaube hilft" gesprochen. Im Prinzip eine Zusammenfassung des Kongresses über Regenerationsmanagement eine Woche vorher in Saarbrücken. Benjamin von Wattsbehind hatte darüber berichtet. Die Schwierigkeit bei der sportwissenschaftlichen Betrachtung der Regeneration ist diese überhaupt erst zu messen. Es gibt zwar Surrogatparameter (zum Beispiel Blutwerte (objektiv) oder Muskelschwere (subjektiv)) die zu Rate gezogen werden und teilweise positive Ergebnisse liefern, wenn aber die sportliche Leistung gemessen werden soll, wird es schon schwieriger. Wie misst man die Leistung eines Fußballers? Denn darauf kommt es ja an, eine Regenerationsmaßnahme soll ja zu besserer Leistung führen. Darüber hinaus ist auch schwierig bis gar nicht zu bestimmen welcher Teil der Ermüdung sich langfristig aufgebaut hat und welcher Teil von dem gerade abgeschlossenen Training stammt. Und schließlich ist Ermüdung auch ein Ausdruck des Trainingsreizes. Wenn man den durch Regeneration vermindert, kann man zwar früher wieder trainieren, muss dann aber umso härter ran. Es kann also durchaus sein, dass es in bestimmten Situationen zielführender ist die Regenration eben nicht zu beschleunigen.

Herr Meyer hat zu verschiedenen populären Regenerationsmethoden die Studienlage und Erfolgsaussichten vorgestellt:
  • Ernährung - effektiv
  • Kaltwasserimmersion - effektiv, aber fragliche Effektstärke
  • Schlaf - Effekt nicht belegt, allerdings ist ein Defizit leistungsmindernd
  • Aktive Erholung / Stretching - kein wissenschaftlich messbarer Effekt
  • Kompressionskleidung - kein wissenschaftlich messbarer Effekt
  • Massage - kein wissenschaftlich messbarer Effekt
  • Elektromyostimulation - kein wissenschaftlich messbarer Effekt
Die empirischen Erfahrungen sprechen aber oft eine andere Sprache. Kein Rennradfahrer wird bei der Tour de France auf die Massage verzichten! Placebo-Effekte sind daher nicht zu unterschätzen und wenn es einem Sportler hilft sich besser zu fühlen, kann man mit den oben genannten Methoden eigentlich nichts falsch machen.

Dr. Kathrin Steffen vom Oslo Sports Trauma Research Center hat über "Injurie Surveillance during Sport Events" gesprochen. Dabei geht es um ein Projekt des IOC, bei dem seit den Olympischen Sommerspielen in Beijing die Verletzungen der Sportler im Training und Wettkampf und die Erkrankungen während der Spiele erfasst werden. Aus den gesammelten Daten können dann zahlreiche Trends gezogen und Aussagen getroffen werden:
  • So hat das Verletzungsrisiko seit Beijing stetig zugenommen, nicht viel, aber es gibt einen leicht positiven Trend. Das könnte daran liegen, das viele Sportarten immer schneller und technischer werden, wodurch natürlich auch das Verletzungsrisiko steigt. Wenn im MTB Rennen die Steine im Rock-Garden immer höher und die Abfahrten immer steiler werden und gleichzeitig immer bessere Räder höhere Geschwindigkeiten zulassen, steigt natürlich auch das Risiko für die Sportler.
  • Winterspiele sind gefährlicher als Sommerspiele. Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, auf Eis und Schnee ist es nun mal glatt.
  • Sehr auffallend ist das generell stark erhöhte Verletzungsrisiko für Sportler aus Afrika. Woran genau das liegt und wie man dem entgegenwirken kann ist etwas, was sich das IOC sehr genau anschauen muss. 
  • Darüber hinaus können die Daten z.B. dazu verwendet werden Regeländerungen in einzelnen Sportarten anzustoßen oder zu kontrollieren. 
  • Oder man kann Informationen darüber gewinnen, ob es Mängel an den Sportanlagen gab.
Eines der besten Mittel, nicht nur für Radsportler, um Verletzungsrisiken zu minimieren ist ein gutes Coretraining. Das Oslo Sports Trauma Research Center hat im Auftrag des IOC eine App entwickelt mit den wichtigsten Ausgleichsübungen für alle möglichen Sportarten. Die kostenlose App heißt Get Set und es gibt sowohl eine iOS als auch eine Android Version.

Der nächste Dozent war ebenfalls vom Oslo Sports Trauma Research Center. Dr. Håvard Moksnes hat über "Practical Aspects of Sports Physiotherapie in Competition" gesprochen. Der Vortrag war sicher ganz interessant. Da Herr Moksnes viel zu leise gesprochen und sich in den nicht vorhandenen Bart genuschelt hat, habe ich nicht alles verstanden. Es ging darum, wie Sportler nach Verletzungen am besten zurückkommen. Eine wichtige Aussage war, dass man nicht zu sehr auf die Wissenschaft vertrauen darf, da der Umgang mit Sportlern in erster Linie auf praktischen Erfahrungen beruht. Die Sportwissenschaft ist zwar eine wichtige, aber trotzdem nur eine Information unter vielen, die man berücksichtigen sollte. Individuen sind nun mal individuell und die in einer Studie als effizient bewertete Methode kann für den einzelnen Sportler unpassend sein. Oder auch umgekehrt. Wo wir wieder bei dem Placebo Effekt der oben aufgezählten Regenerationsmethoden sind.

Nach der Mittagspause ging es weiter mit "Juristische Aspekte der Sportbetreuung". Prof. Dr. Dr. Heiko Striegel ist nicht nur Sportmediziner sondern auch Jurist und hat einen sehr interessanten Vortrag über die Fallstricke gehalten, die der tägliche Umgang mit Hochleistungssportlern bereithält. Hier allen Parteien, den Sportlern, Trainern, der Vereinsführung, Beratern, der Presse und den Fans gerecht zu werden und dabei die ärztliche Sorgfalts- und Schweigepflicht zu beachten ist eine echte Herausforderung. Eine wichtige Komponente dabei ist, dass Ärzte ihre Unabhängigkeit wahren und nicht als Angestellte von Sportvereinen arbeiten sollten. Als freiberufliche Dienstleister, die nur einen Teil ihres Einkommens aus der Tätigkeit in einem Sportverein beziehen, fällt es sehr viel leichter einem eventuellen Druck (Doping, Fit-Spritzen, Gefälligkeitsgutachten) standzuhalten. 

Der für mich interessanteste Teil kam ganz am Schluss. Der Performance Manager / Trainer / sportliche Leiter des Teams Lotto NL Jumbo, Dr. MSc Louis Delahaije sprach über "Le Tour, physiological and Logistik aspects of the race preparation". Im Prinzip habe ich wenig Neues gehört. Wer dem Radsport folgt, dem ist der Aufwand und die Leistung, die die Fahrer und Betreuer vor und während der Tour erbringen nicht unbekannt. Das alles aber aus erster Hand zu hören, gemischt mit der einen oder anderen Anekdote war super. Was ich mir notiert habe:
  • Die Tour ist ein Recovery-Game
  • Es braucht einen hohen Power Output für die Zeitfahren und die Berge
  • Rennentscheidend ist aber die kurzfristige Spitzenpower um die Attacken mitgehen zu können 
  • Lotto NL Jumbo arbeitet mit einem Downhill Coach, Oscar Saiz (YouTube Video mit Giant Shimano)
  • Ein Fehler in der Tour Vorbereitung vieler Fahrer ist laut Delahije ein zu großes Gewicht auf Intensität und zu wenig Umfang. Der Umfang ist wichtig um die Erholungsfähigkeit zu verbessern. Erfolgreiche Fahrer haben 34 bis 38 Tausend Jahreskilometer.
  • Höhentraining, und zwar das echte, LHTH
  • Die Fahrer sind in der Regel so effizient, das sie vergleichsweise wenig Kalorien zu sich nehmen müssen und ohne Probleme ihr Gewicht halten können
  • Lotto NL Jumbo hat keinen Küchen-LKW wie andere Teams sondern bekommt das Essen vorgefertigt aus Holland geliefert. Das muss dann nur noch aufgewärmt werden. Im Vorhinein kann dann genau geplant werden wann was gegessen wird.  Qualitäts- und Hygiene Probleme lassen sich so ausschließen oder zumindest auf ein Minimum reduzieren.
  • Neben den zwei Matratzen-Jungs (Marginal Gains) gibt es auch zwei Personen die die Zimmer der Fahrer reinigen. Bevor diese einziehen wohlgemerkt, um alle eventuellen Bakterien zu beseitigen. Nichts ist schlimmer während der Tour als eine Magendarm Grippe.
  • Zu Kraft Training: Es gibt Responder und Non-Respondier, muss man herausfinden.


Alles in allem ein kurzweiliger und sehr interessanter Tag. Die Organisation war, wie nicht anders erwartet in Luxembourg, ohne Fehl und Tadel. Die Location in der Coque war perfekt, das Catering in der Frühstücks- und Mittagspause sehr gut. In den Pausen gab es Gelegenheit zum Austausch mit dem ein oder anderen Bekannten oder auch mit den Ausstellern von Produkten aus dem Physio und Sportmedizinischen Bereich. Ich hatte ein ganz interessanten Gespräch über Elektronische Muskel Stimulation und den Unterschied zwischen den teuren Compex Geräten und den günstigen Amazon Dingern. Vielleicht ergibt sich daraus mehr über das ich dann hier berichten kann. 

Die Sportmedica findet alle drei Jahre statt, die nächste ist also 2019.

Links:
Sportmedica Homepage / Facebook

Freitag, 28. Oktober 2016

Top Fahrrad Blogs 2016

Seit heute ist die Kampagnen-Seite zur Wahl des Top Fahrrad Blogs 2016 freigeschaltet. Bis zum 2. Dezember kann abgestimmt werden, dieses Jahr in acht Kategorien:
  • MTB, Freeride, Downhill und Enduro
  • Rennrad, CycloCross und Fixie
  • E-Bikes & Pedelecs
  • Allrounder / Spezialthemen
  • Lasten- und Liegeräder
  • Fahrradpolitik
  • Stadtradradler / Regionale Radler
  • Radreisen
Unterlenker.com fällt ohne Frage in die zweite Kategorie "Rennrad, CycloCross und Fixie". Dieses Jahr geht es aber nicht nur um die Ehre, sondern es gibt auch was zu gewinnen, für die Blogs insgesamt 1.000,- Euro in Fahrrad.de Gutscheinen (300,- / 200,- / 100,- für die Gesamtwertung und 50,- für den Sieger jeder Kategorie) und für die Abstimmenden 3 x 100,- Euro, insgesamt deutlich mehr als der 100 Euro Einkaufsgutschein vor einem Jahr.

2015 kam der Unterlenker immerhin auf Platz 33. von fast 200 Blogs. Ich bin gespannt auf welchen Platz ihr mich dieses mal votet!

Letztes Jahr gab es ja etwas Aufregung als mit den "Top Fahrrad Blogs" auf einmal eine plebiszitäre Abstimmung aufgetaucht ist, wo es doch schon die hand-kuratierten "Original Top 50 German Bike Blogs" gab. Noch dazu lanciert von einem kapitalistischen Internet Händler. Aber irgendwie haben es die "Original Top 50 German Bike Blogs" nicht ins Ziel geschafft sondern sind unterwegs ausgestiegen oder auch einfach nur umgedreht und woanders hin gefahren, oder so (Turn Turn Turn). Schade eigentlich. Ich hätte mir beides gut nebeneinander vorstellen können.

fahrrad.de Top Fahrrad-Blogs-Wahl

Sonntag, 23. Oktober 2016

The Privilege of a Broken Heart

Die US-Amerikanerin Mara Abbott hat nach den olympischen Spielen in Brasilien ihre Radsport Kariere beendet. In Rio wurde sie in einem mehr als dramatischen Rennen vierte, abgefangen 300 Meter vor dem Ziel von van der Breggen, Johansson und Borghini. Was für ein Rennen! Mara hat vor einigen Wochen in Boulder im Rahmen einer TED Konferenz einen starken Vortrag gehalten, absolut sehenswert:


In diesem Zusammenhang komme ich nicht umhin, mal wieder festzustellen wie dramatisch unterbezahlt der Frauenradsport ist. Wie wenig der öffentlichen und auch der Radsport-internen Aufmerksamkeit auf die Frauen entfällt. In einem sehr guten Artikel aus dem Guardian von Helen Pidd sagt Abbott sinngemäß, gefragt wie unterschiedlich ihr Leben wäre als Mann mit den gleichen Palmarés: "Nun, ich müsste mir weniger Gedanken um die Rückzahlung meiner Grundschulden machen und hätte genug Geld um vielleicht einmal im Monat zum Abendessen auszugehen." Und dabei ist Abbott eine der Stars, eine der besten Klettererinnen und fährt mit Wiggle-High5 sicherlich in einem der besten Profi-Teams.

Links:
Wall Street Journal- Mara Abbott’s Beautiful Ride in Rio
The Guardian - Womens cycling still faces an uphill struggle
totalwomenscycling.com - 10 things to know about Mara Abbott
Mara Abbott's beeindruckende Palmarés auf Wikipedia

Donnerstag, 20. Oktober 2016

War ja alles nicht so gemeint!

Der Bund Deutscher Radfahrer muss sich derzeit mit einer unschönen Affäre um seinen Vizepräsidenten Peter Streng beschäftigen und bekleckert sich dabei nicht mit Ruhm.

Herr Streng hat über einen längeren Zeitraum auf seiner privaten Facebook Seite fremdenfeindliche und rechtspopulistische Meldungen unter anderem der rechtsextremen Internetseite "Denken macht frei" und des Kopp-Verlages geteilt. Inzwischen sind diese Posts zumindest auf seinem öffentlichen Profil nicht mehr sichtbar. Der BDR wurde seit längerem auf die gravierenden Verstöße seines Vizepräsidenten gegen die Satzung aufmerksam gemacht. In §6 heisst es: "Der BDR ist nach demokratischen Grundsätzen in freien Wahlen aufgebaut. Parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen sind ausgeschlossen."

Meinungsäußerungen wie die des Herrn Streng sind damit nicht in Einklang zu bringen. Eine Unterscheidung zwischen der Privatperson Streng und dem Vizepräsident Streng ist hier nicht zulässig. Persönliche Integrität ist die fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems mit dem eigenen Handeln (Wikipedia). Für einen Amtsträger des BDR bedeutet dies, sich jederzeit dem Wertesystem des BDR entsprechend zu verhalten. Dieses "amtliche" Wertesystem kann aber nicht beim Verlassen des Büros am Empfang gegen ein gegenläufiges, privates Wertesystem getauscht werden. Wenn man sich in das Amt eines stellvertretenden Präsidenten eines nationalen Sportverbandes wählen lässt, muss man bereit sein, sich jederzeit an dieses Wertesystem zu halten. Ist man dazu aus welchem Grund auch immer nicht bereit oder nicht in der Lage, verliert man nicht nur seine persönliche Integrität, sondern auch die Eignung zum Amt.

In dem vorliegenden Fall finden sich in den verschiedenen aktuellen Berichten nur noch wenige Screen-Shot Schnipsel der ehemals wohl umfangreichen Facebook Timeline des Herrn Streng. Das ganze Ausmaß lässt sich nur noch erahnen. Es war aber zumindest so groß, dass es Spiegel-Online eine Meldung wert war, woraufhin sich der BDR genötigt sah, den Fall zu kommentieren, sich von den Äußerungen zu distanzieren und von Herrn Streng eine Entschuldigung zu verlangen. Diese wurde unter anderem mit dem Verweis auf das umfangreiche soziale Engagement des Herrn Streng angenommen.

Das ist nicht genug! Die Entschuldigung des Herrn Streng, die Posts lediglich aus einer Emotion heraus und ohne weitergehende Recherche geteilt zu haben, ist lächerlich und hat den gleichen Gehalt wie die Ausflüchte manch eines überführten Dopingsünders. Sollte diese aber doch der Wahrheit entsprechen, müsste man Herrn Streng die intellektuelle Fähigkeit zur Führung des Amtes absprechen. Das Verhaltensmuster entspricht dem eines jeden Rechtspopulisten: Grenzüberschreitung und anschliessende Relativierung oder Korrektur. Aber gesagt ist gesagt. Die Relativierung kommt bei den eigentlichen Empfängern der Botschaft dann nicht mehr an. So schaukelt sich das, "was man ja wohl mal noch sagen darf" immer weiter hoch. Fakten spielen dabei keine Rolle. Die Lösung von Problemen übrigens auch nicht.

Gerade in einer Zeit, in der die rechtspopulistischen Hetzer der AFD und der Pegida immer lauter werden, erwarte ich vom Bund Deutscher Radfahrer sich solcher Gesinnung in den eigenen Reihen entschieden und kompromisslos entgegenzustellen. Aus diesem Grund habe ich die Online-Petition auf change.org unterzeichnet.


Darüber hinaus hatte ich einen kurzen Kontakt zu dem Thema mit dem Saarländischen Radfahrer Bund und erwarte, dass hier auch von den Landesverbänden noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Links:
Detailliertere Infos und Screen Shots finden sich auf:
Ruhrbarone
FC St. Pauli
Winkelsicht
Die BDR Stellungnahme auf Facebook

Dienstag, 18. Oktober 2016

Kickstarter Zielgerade für LVL

Vor einiger Zeit habe ich hier über Hydration geschrieben. Das LVL ("Level" gesprochen) Armband zur Bestimmung des Flüssigkeitsstatus von BSX kann noch eine Woche bei Kickstarter vorfinanziert werden. Für 129 USD, also rund 120 Euro (ohne Versand und Zoll) kann man sich das Armband sichern. Der spätere Verkaufspreis soll bei 199 USD liegen. Die Kampagne ist ein Riesen Erfolg, bisher sind eine Million (1.000.000,00 !) USD zusammengekommen und das ursprüngliche Funding-Ziel ist mit 2000% weit über erfüllt. Damit ist die Kampagne eine der erfolgreichsten Kickstarter Projekte für "Wearable Devices" aller Zeiten.

Das Armband soll Mitte 2017 verfügbar sein, das ist recht lange hin, aber nach den Verzögerungen mit dem ursprünglichen BSX-Insight ist zu hoffen, dass BSX mit der gesammelten Erfahrung das Ziel diesmal halten kann.

Links:
Ein detaillierter Artikel von Ray Maker aka DC Rainmaker.


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Hypoxie

Vielleicht zeigt euch Facebook auch seit einiger Zeit Werbung für den Altium-i10 an, ein Gerät mit dem man ein Höhentraining in Ruhe durchführen kann und das nach Aussage des Herstellers ganz beachtliche Leistungs-Verbesserung ermöglicht. Das hört sich doch super an, oder? Auf dem Sofa sitzen, Fernsehen schauen und dabei die FTP nach oben schieben. In den Videos wird erklärt wie es funktionieren soll:

 


Ich bin skeptisch, schließlich wissen wir alle dass "ohne Schweiß kein Preis" zu gewinnen ist. Ich habe mir daher die auf der Altium Homepage zitierte Studie mal etwas genauer angesehen und darüber hinaus das Interweb befragt und feststellen müssen, dass die Wirksamkeit des intermittierenden Höhentrainings in Ruhe nur sehr eingeschränkt belegt werden kann.

Aber zunächst ein paar Worte zum Höhentraining allgemein. 1968 fanden die Olympischen Sommerspiele in Mexiko auf einer Höhe von über 2200 m statt. Die Vorbereitung auf diese Wettkämpfe gaben den Anstoß zu einer ersten systematischen Entwicklung von Methoden des Höhenanpassungstrainings als Vorbereitung für Leistungen in mittlerer Höhe. (Wikipedia) Schnell wurde aber klar, dass ein solches Höhentraining auch nach der Rückkehr auf Meereshöhe Vorteile verspricht. Je höher man sich befindet, umso geringer ist der Sauerstoffanteil an der Atemluft. Um das Leistungsniveau zu halten, finden eine ganze Reihe von Anpassungsreaktionen im Körper statt. Der vielleicht bekannteste ist die vermehrte Ausschüttung von Erythropoetin (EPO) und als Folge der Anstieg der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff aus unseren Lungen in die Muskeln transportieren. Andere Effekte reichen bis hinunter auf molekukare Ebene mit einer effizienteren Produktion von ATP, dem Energieträger in unseren Zellen.

Die gängige Methode für Höhentraining bestand dabei lange aus "Live high train high" (LHTH). Diese Methode hat aber einige Nachteile, so ist zunächst eine Akklimatisationsphase einzuplanen, erst danach kann das eigentliche Training aufgenommen werden. Trotz Akklimatisation können ungewollte Effekte wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und verminderte Leistungsfähigkeit auftreten. Problematisch ist auch der Zeitpunkt der Rückkehr auf Meeresniveau, um in vollem Umfang von den Anpassungseffekten zu profitieren. Darüber hinaus sind, um optimalen Nutzen ziehen zu können, mehrere dieser zwei bis vierwöchigen Höhentrainingslager im Trainingsjahr unterzubringen. All diese Schwierigkeiten haben zur Entwicklung von alternativen Höhentrainingsprotokollen geführt.

"Live high train low" (LHTL) versucht dabei die allgemeinen Vorteile des Höhenklimas mit dem Training unter uneingeschränktem Leistungsvermögen in tieferen Gebieten zu kombinieren. Nachteilig ist hier unter anderem das ständige Pendeln zwischen dem "Ruheort" in der Höhe und dem Trainingsort im Tiefland.

Ein vergleichsweise neuer Ansatz ist das intermittierende Höhentraining. Dabei wird der Athlet über eine relativ kurze Zeit einer künstlich simulierten Höhe ausgesetzt (Hypoxie). Man unterscheidet Höhensimulation während Ruhe ("Intermittent Hypoxic Exposure" / IHE) oder während des Trainings ("Intermittent Hypoxic Training" / IHT). Die Simulation erfolgt über eine Reduzierung des Sauerstoffgehaltes in der Atemluft und im besten Fall in einer Höhenkammer incl. der Anpassung des Luftruckes. Gebräuchlicher ist die Verwendung einer Atemmaske, die an einem Gerät zur Herstellung des entsprechenden Luftgemisches angeschlossen ist. In diesem Fall werden andere Höheneffekte wie der verminderte Luftdruck und die höhere UV-Strahlung nicht berücksichtigt. Die Geräte zur Reduzierung des Sauerstoffgehaltes schlagen dabei mit einigen tausend Euro zu Buche und können sowohl für IHE, IHT und eingeschränkt auch zu LHTL (Höhenzelt, Schlafen unter Hypoxie) eingesetzt werden. Der Altium i-10 ist mit 499 GBP vergleichsweise günstig, in der Anwendung aber auf IHE beschränkt.

Kommen wir also zur Frage der Fragen: Welche Effekte sind von IHE im allgemeinen und dem Altium im Besonderen zu erwarten? Auf der Altium Homepage ist zu lesen "Compared to an equivalent training session last year my cycling power is 20% up, +4% increase in VO2max, +11% increase in Lactate Threshold, +4% increase in Lactate Turnpoint, +6% increase in Maximum Power, +7.5% increase in mechanical Efficiency". Die Werte beruhen auf der durchschnittlichen Verbesserung von 13 Hobby-Triathleten und Radsportlern nach 28 Tagen "Training" mit dem Altium. Die Details zu der Studie sind sehr spärlich und auch auf Nachfrage habe ich keine weiteren Einzelheiten oder sogar einen wissenschaftlichen Bericht bekommen. Zu kritisieren ist hier zunächst der Zeitpunkt der Studie im Januar. Die übliche Periodisierung vorausgesetzt liegt die Trainingspause erst wenige Wochen zurück und das Leistungsniveau sollte sich noch auf vergleichsweise niedrigem Nivau befinden. Somit wird jedes Training, egal wie "schlecht", eine gewisse Verbesserung bringen. Normalerweise wird die Leistungssteigerung aufgrund des Trainings und aufgrund der zu testenden Anwendung über eine Vergleichsgruppe getrennt. Diese sollte das gleiche Training durchlaufen, nur ohne die zu testende Anwendung. Bei Medikamenten gibt man Placebos, hier wäre es denkbar gewesen mit einem "Fake-Device" zu arbeiten. Darüber hinaus ist die Gruppe mit dreizehn Sportlern relativ klein und wir wissen nicht, ob der reklamierte Durchschnitt durch Ausreißer nach oben beeinflusst wurde. Üblicherweise werden die besten und schlechtesten Resultate gestrichen, zumindest wenn diese Ausreißer darstellen. So wie diese Studie durchgeführt wurde, sind die Ergebnisse mit äußerster Vorsicht zu behandeln.

In den FAQs wird  eine Studie genannt, die die Wirksamkeit der Methode bzw. des Devices belegen soll. Tatsächlich geht es bei der Studie "Tissue Oxygenation and Mitrochondrial Respiration under different Modes of Intermittent Hypoxia" von Serebrovskaya, Nosar, Bratus, Gavenauskas und Monkovska (2013) nur darum, das beste unter fünf verschiedenen IHE Protokollen zu finden. Dazu wurde die Veränderung des Sauerstoffpartialdruckes in der Muskulatur (PmO2) und die Respiration der Mitochondrien in der Leber und des Herzmuskeln von Ratten untersucht. Das Protokoll, dass dem Altium Protokoll am ähnlichsten ist, zeigte dabei tatsächlich die besten Ergebnisse. Allerdings wird weder eine Aussage über die Vergleichbarkeit bzw. Effektivität der unterschiedlichen Hypoxie Methoden (LHTH, LHTL, IHT, IHE), noch über die Auswirkungen der IHE Protokolle auf die physische Leistungsfähigkeit getroffen.

Eine andere Studie die sich sehr ausführlich dem Thema Höhentraining widmet ist von Millet, Roels, Schmitt, Woorons und Richalet, "Combining Hypoxic Methods for Peak Performance" (2010). Diese Metastudie untersucht die Praxis-Relevanz der unterschiedlichen Hypoxie-Ansätze hinsichtlich der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Sportlern. Die Autoren geben einen hervorragenden Überblick über die Methoden, wie diese angewendet werden, was dabei zu beachten ist und welche Ergenisse aufgrund der Studienlage zu erwarten sind. Unter 3. Intermittent Hypoxic Exposure, 3.3 Performance heisst es im letzten Absatz: "Recently the inefficiency of IHE has been demonstrated again in a double-blind study: after 15 days of IHE (1h/day of 6 minutes of breathing10-11% O2 gas mixture alternated with 4 minutes of breathing room air), neither the aerobic performance (VO2max) nor the anaerobic variables (peak or mean power during a Wingate test) differed from those of the control group. Overall, in studies with control groups, IHE does not induce any substantial change in either haematological parameters or in endurance performance." Das genannte Protokoll entspricht ziemlich genau dem Altium Protokoll. In dem Fazit zu dem kompletten Paper heisst es unter anderem ".. IHE is inefficient for performance enhancement. .."

Zu einer etwas besseren, aber trotzdem verhaltenen Einschätzung kommt Prof. Dr. med Burtscher vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck in dem 2005 erschienenen Artikel "Intermittierende Hypoxie: Höhenvorbereitung, Training, Therapie". Unter 2. IH in Ruhe mit einer Zykluxdauer von 2-10 Minuten für 1-2 Stunden pro Tag über 2-4 Wochen heißt es u.a. "Wir konnten nach einer 3-wöchigen Anwendung dieses IH-Protokolls eine gesteigerte Belastungstoleranz am Fahrradergometer bei älteren, untrainierten Menschen ... beobachten". Und weiter: "Ob diese kurzzeitigen IH-Expositionen jedoch zur Leistungssteigerung bei Athleten führen können, ist noch relativ wenig untersucht und wird kontrovers diskutiert." Dann werden verschiedene Studien genannt, die sowohl positive Effekte wie auch keine Verbesserung feststellten. Das Fazit des Artikel lautet. " Zusammenfassend wird festgehalten, dass aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines IH-Trainings und individuell unterschiedlicher Reaktionen bei unterschiedlichem Trainingszustand und unterschiedlichen Begleitmassnahmen derzeit protokollabhängige IH-Effekte nur vermutet werden können. Allerdings scheinen sich für verschiedene IH-Protokolle bei verschiedenen Personengruppen zumindest Trends der Möglichkeit einer gezielten Leistungsbeeinflussung abzuzeichnen." 

Alle zitierten Studien wurden vor mehreren Jahren veröffentlicht. Es ist natürlich gut möglich, dass aktuellere Forschungsergebnisse zu einer anderen Einschätzung kommen. Auch eine größer angelegte Studie mit Kontrollgruppe mit dem Altium wäre interessant. Die Ergebnisse sollten in einem korrekten wissenschaftlichen Paper veröffentlicht werden.

Was bedeutet das nun für den Altium i-10? Nach der Lektüre der oben genannten Studien scheint mir der Nutzen fraglich und in keinster Weise in Relation zu der Investition von rund 500 GBP zu stehen. Würde ich ihn kaufen? Nein.

Wer sich für intermittierendes Höhentraining (IHT) interessiert, dem empfehle ich mal im Blog von Jürgen Pansy vorbeizuschauen, der dies im Selbstversuch angewendet hat und in einer vierteiligen Serie darüber schreibt. 

Zum Schluss noch ein Hinweis: Ich habe weder Sportwissenschaften noch Medizin studiert und nehme daher bestenfalls die Position eines interessierten Laien ein. Natürlich habe ich mir bei der Recherche zu diesem Post alle Mühe gegeben, sollten euch Ungenauigkeiten auffallen, andere, neuere Erkenntnisse zum intermittierenden Höhentraining vorliegen oder wenn ihr gar eigene Erfahrungen vorweisen könnt, freue ich mich über Hinweise in den Kommentaren oder via Email an Boris@unterlenker.com

Links:
Hypoxic Homepage , ein Anbieter von Höhentrainingszubehör (Höhenkammer, Zelte, Pumpen etc.)


Dienstag, 4. Oktober 2016

Jedermann und jeder Mann (Update)

Das Jedermann Rennen im Rahmen des deutschen Radklassikers "Eschborn-Frankfurt Rund um den Finanzplatz", die Skoda Velotour wird 2017 nicht mehr Teil des German-Cycling-Cups sein. Durch die zunehmende Professionalisierung des GCC passe dieser nicht mehr zu dem klassischen Jedermann Sport, wie der Veranstalter Ende September bekanntgegeben hat.

Mir ist der GCC ja schon seit Jahren suspekt. Diese Serie ist in meinen Augen das Sinnbild des Versagens des Bund Deutscher Radfahrer, wenn es darum geht, von der aktiven Begeisterung für den Radsport zu profitieren und diese in die Verbandsstrukturen einzubinden.

Zunächst stellt sich die Frage nach der Definition von Jedermann. Im sprichwörtlichen Sinn, "jeder Mann" oder auch "jede Frau" bedeutet es einfach nur Alle oder auch ausnahmslos. Man sollte also annehmen, das bei Jedermann-Rennen, und ein solches ist der GCC ja, auch tatsächlich Alle starten dürfen, vom Novizen bis zum Weltmeister. Eine offene Klasse, in der der Beste gewinnt. Weit gefehlt, wer auch Lizenz-Rennen fährt und in die B-Klasse aufsteigt oder sogar A-Fahrer ist, darf nicht starten. Fahrer aus Kontinental-Sportgruppen und darüber müssen auch draußen bleiben. Das Leistungsniveau der Spitze sollte also höchstens gleich auf mit der C-Klasse sein. Was ja ganz gut zu einer Hobby/Freizeitklasse passen würde.

Start 150 km Jedermann Rennen Rad am Ring 2016, Bild: Markus Stera

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Um ein GCC Rennen zu gewinnen bedarf es eher des Leistungsniveaus eines A-Fahrers.

Warum fahren die Spitzenleute des GCC dann aber GCC und nicht in der A-Klasse? Ganz einfach, es gibt keine Aufstiegsreglung und für viele Fahrer ist es einfach attraktiver bei GCC und "Jedermann"- Veranstaltungen zu starten. Denn, das kann man schon so sagen, die GCC Rennen machen Spaß. Grosse Runden, große Startfelder, professionelle Organisation, lange Distanzen. Wenn man Lizenz-Rennen fährt, ist es schon etwas besonderes mal ein Straßenrennen auf einer 10 Kilometer Runde zu fahren. Darüber hinaus tummeln sich in der GCC Szene inzwischen viele Mannschaften, die hinsichtlich Material und Unterstützung der Fahrer den etablierten Amateurmannschaften sicher nicht nachstehen oder sogar mehr bieten.

Die im GCC erbrachten Leistungen sind ohne Frage beachtlich und ich schmälere das auch in keiner Weise. Als problematisch sehe ich es aber an, dass hier eine Rennserie und Szene neben dem Lizenzsport entsteht, nicht darunter, der eine offene Konkurrenz zu den Verbandsstrukturen darstellt. Mir ist es ein Rätsel wie der BDR das sanktioniert, auf der anderen Seite aber Reuegelder wegen nichtiger Auslandstarts oder Teilnahme an Spassrennen verhängt. Bis 2015 wurde im Rahmen des GCC ja sogar ein Deutscher Jedermann-Meister ausgefahren. Mit Meister Trikot und allem Pipapo. Dazu musste man noch nicht mal Mitglied des Bundes Deutscher Radfahrer sein und sich damit auch in keiner Weise den Anti-Doping Regularien und der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Das ist ungefähr so, wie wenn die katholische Kirche einen Ungetauften zum Bischof ernennen würde.

Ob die Leistungen der Top 100 Fahrer des GCC mit dem klassischen Jedermann-Gedanken im Sinne von Freizeit und Hobby Sport in Einklang zu bringen sind, sei mal dahingestellt. Falls nicht ist es vielleicht trotzdem nicht weiter schlimm. Bei jedem Rad-Marathon in den Alpen stehen Profis und Hobbysportler gemeinsam am Start, kein Problem. Warum werden dann aber B-Fahrer aufwärts vom GCC ausgeschlossen? Wer soll denn hier geschützt werden? Die "Jedermänner"?

Für die Fahrer des GCC ist das vielleicht genauso unbefriedigend, sich entscheiden zu müssen und im Zweifelsfall auf der Zielgerade eines C-Klasse Rennens die Handbremse anzuziehen um bloß nicht zu gewinnen und in die B-Klasse aufzusteigen. Es gibt Fahrer, die seit Jahren auf vordere GCC Plätze abonniert sind, aber auch genauso lange knapp am Aufstieg vorbei schrammen, ein echter Jammer, so ein Pech. Was ist das für eine künstliche und beliebige Trennung? Auf der einen Seite macht die Serie auf großen Sport, mit Leadertrikot (in gelb!), Teams, Betreuern, tollen Siegerehrungen etc., dann aber die besten Rennfahrer aussen vor lassen. Heisst es nicht, Konkurrenz belebt das Geschäft? Aber dann wäre es ein "richtiges Radrennen" und keine Jedermann-Veranstaltung! Oder doch nicht? Ich bin verwirrt.
Update: Der vorhergehende Absatz enthielt den Namen eines GCC Fahrers, um die Problematik, auch gerade für die Top Fahrer, deutlich zu machen und zielte in keiner Weise darauf die sportliche Integrität dieses Fahrers in Frage zu stellen. Da meine Formulierung aber scheinbar als ehrverletzend empfunden wurde und mir umgehend rechtliche Schritte angedroht wurden, habe ich dieses Mal den Text geändert.

Zurück zum Bund Deutscher Radfahrer: Statt von der Begeisterung Radrennen fahren zu wollen, von den scheinbar ausreichend vorhandenen Sponsorengeldern und den tollen Rennen zu profitieren und dem darbenden Lizenz-Sport wieder Leben einzuhauchen lässt der BDR eine parallele Szene in direkter Konkurrenz zum "Kerngeschäft" entstehen. Finde ich sehr erstaunlich. Vielleicht gibt es auch ein Strategie dahinter, die ich nicht verstehe.

Es wird auf jeden Fall spannend sein wie es in den nächsten Jahren weiter geht, ob andere Veranstalter nachziehen und vom GCC zurücktreten, ob der BDR bessere Regelungen im Umgang mit dem Jedermann Sport findet und insbesondere ob das kürzliche Urteil der EU-Kommision zum Monopol der Sportverbände Auswirkungen hat.

Cycling Claude schreibt zu diesem Thema aus Sicht der "echten" Jedermänner hier und hier und vertritt dabei eine sehr explizite Meinung.

Weitere Links:
Veloton ohne GCC
Reglement GCC