Freitag, 8. September 2017

Gegen die Uhr und gegen den Berg

Die Radlerfreunde Homburg haben am ersten Samstag im September bereits zum vierten Mal die offene Landesverbandsmeisterschaft im Bergzeitfahren ausgerichtet. Starten durften Fahrer aus allen Verbänden, Meistertitel gab es aber nur für die Sportler aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Da war es mehr als passend, dass der Start auf saarländischer Seite in Homburg erfolgte und das Ziel in Käshofen in Rheinland-Pfalz war.



Die Strecke ist jetzt nicht unbedingt das, was man unter einem richtig schlimmen Berg erwartet, bevorzugt damit aber auch nicht die reinen Kletterer. Es wird nie richtig steil, die Steigung schwankt meist um fünf Prozent, zu Beginn sind es auch mal sieben Prozent, am Schluss etwas weniger.  Die Abfahrt unterteilt die Strecke in drei Sektionen: Start und 1. Steigung / Abfahrt / 2. Steigung und Finale. Die besten Fahrer brauchen zwischen 9:30 und 10:30. Zwei Drittel der 90 Fahrer der langen Strecke blieb unter 12 Minuten (U13 und jünger fuhr nur den ersten Anstieg). 


Zehn Minuten gegen die Zeit. Wie teilt man ein solch kurzes Rennen am besten ein? Soll man so schnell starten wie es geht und dann versuchen das Tempo zu halten? Oder beginnt man besser verhalten um sich zum Schluss noch steigern zu können? Und welchen Maßstab nimmt man? Die Zeit an bestimmten Punkten, die Geschwindigkeit, Puls, Belastungsempfinden RPE (also Gefühl) oder die Leistung? 
  • Zeitmarken an einem bestimmten Punkten der Strecke funktionieren am besten, wenn man die Strecke schon oft gefahren ist und damit genug Vergleichswerte hat. Zwischen den Punkten hat man dann aber nur eine ungefähre Ahnung ob man sich "auf Kurs" befindet und vor oder nach der avisierten Zeit liegt.
  • Eine kontinuierliche Information liefert die aktuelle Geschwindigkeit. Diese muss aber an die sich jeweils ändernde Steigung anpasst werden. In der 7% Passage etwas langsamer als in den 5% Passagen, am Schluss etwas schneller. Somit kann die Geschwindigkeit nur ein grober Anhaltspunkt sein.
  • Der Puls als einziger Richtwert verleitet leicht zu einem zu schnellen Start, da die Herzfrequenz auf Leistungsänderungen mit etwa 20 bis 30 Sekunden Verzögerung reagiert. Daneben hängt der Puls auch von der Tagesform ab. Aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen schlägt das Herz bei gleicher Belastung mal schneller oder langsamer. Versucht man nun unbedingt einen bestimmten Wert zu erreichen, kommt aber nicht heran, überzieht man. Treibt hingegen die Nervosität den Puls in die Höhe, wird man vielleicht zu langsam fahren und unter seinen Möglichkeiten bleiben.
  • Ein Pacing nur nach dem Belastungsempfinden, also ohne weitere Infos vom Radcomputer, erfordert viel Erfahrung, ist dann aber sehr flexibel was die äusseren Einflüsse und die Tagesform anbelangt. Allerdings muss man auch hier aufpassen am Anfang nicht zu überziehen. Das richtige Maß zwischen "angenehmem Tempo" und "ich kann nicht mehr" ist in den ersten Minuten schwer zu finden.
  • Der genauste Parameter ist ohne Frage die Leistung. Egal ob die Steigung variiert oder der Wind aus einer anderen Richtung kommt als im Training, egal ob die Nerven den Puls nach oben treiben oder die leichten Rennlaufräder etwas mehr Geschwindigkeit zulassen, die Wattzahl zeigt genau an was unser Körper gerade leistet. Allerdings unterliegt auch die Leistung der Tagesform und muss durch das Belastungsempfinden "kalibriert" werden.
Aber machen wir uns nichts vor, über Erfolg und Misserfolg entscheidet neben Talent, hartem Training und gutem Material in erster Linie die Fähigkeit sich zu quälen und das Letzte aus sich herausholen zu können. Egal wie man ein Zeitfahren angeht, irgendwann kommt der Punkt an dem jede Faser des Körpers nur noch darum winselt, dass es endlich vorbei ist. Die einzige Pacing-Strategie, die die Schmerzen wirkungsvoll verhindert, ist langsam zu fahren. Will man aber sein Bestes geben, steht schon am Start fest, dass es weh tun wird. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum nur Wenige Zeitfahren mögen.

Mein Anhaltspunkt sollte meine maximale 10 Minuten Leistung sein. Andere Informationen habe ich auf dem Garmin abgeklebt. Der Critical Power Chart in Golden Cheetah hat mir für die letzten 28 Tage einen Wert von rund 370 Watt angezeigt. Die Abfahrt sollte etwas "Erholung" zulassen, so dass die Leistung an den Anstiegen irgendwo zwischen diesen 370 und 400 Watt liegen sollte um ohne einzubrechen bis nach Käshofen zu kommen.


Der Start erfordert natürlich erstmal eine ganze Menge Watt und es dauert etwas lange, bis ich im anvisierten Bereich knapp unter 400 Watt bin. Die Durchschnittsleistung beträgt 418 Watt, ohne die Startphase von 300 Meter sind es 388 Watt.



Die Abfahrt von Kilometer 1,5 bis 2,5 ist mit 255 Watt dann fast eine Spazierfahrt (56,8 km/h, 104 rpm). Der Beginn der zweiten Steigung treibt die Leistung nochmal kurz in die Höhe bevor ich wieder meinen Rhythmus finde. Die angepeilte Leistung kann ich aber nicht ganz halten und habe am Ende einen Durchschnitt von 360 Watt und bleibe mit 10:07 knapp über der angestrebten Zeit von 10 Minuten. Interessanterweise bin ich 2014 ebenfalls eine 10:07 und 2013 eine 10:08 gefahren. Es scheint also, dass ich diesen Berg einfach nicht schneller hochfahren kann.


Zusammenhängend sieht das dann so aus:


Wie bereits 2014 habe ich mir meinen Rückstand gegen die Besten einzig in der zweiten Steigung eingehandelt. Bei Kilometer drei lag ich sogar noch zwei bzw. drei Sekunden vor Frederik Dombrowski und David Büschler, den beiden Erstplatzierten in der Elite. David ist dabei in etwa gleich schnell wie ich gestartet und hat am Ende gegen den zu Beginn deutlich langsameren Dombrowski verloren.


Das zeigt, dass es auch oder gerade bei solch einem kurzen Zeitfahren sehr wichtig ist, die Kräfte richtig einzuteilen. Natürlich wäre ich auch mit einem langsameren Start und einem schnelleren Ende nicht besser als Dombrowski gewesen, das steht außer Frage, einige Sekunden weniger, vielleicht sogar eine 10:00 wären aber vielleicht möglich gewesen. 

Genauso kann man auch einen Blick nach hinten werfen. Wenn ich meine Zeit mit der von Fahrern nach mir vergleiche wird deutlich, dass ich den Großteil meines Vorsprunges an der ersten Steigung herausgefahren habe. Danach bleibt der Abstand etwa gleich. Insofern könnte man die Renneinteilung auch als erfolgreich betrachten, da ich gegenüber diesen Fahrern am Schluss nicht eingebrochen bin.


Aber hey, wie auch immer, ich bin Saarlandmeister der Senioren 2 geworden und habe damit alle drei Goldmedaillen gewonnen, die es dieses Jahr im Saarland auf der Straße zu gewinnen gab (Straße, Zeitfahren, Berg). Kurioser Weise hätte meine Zeit auch bei der Elite zum Saarlandmeister gereicht, nicht aber bei den Junioren! Daher Glückwunsch an Jan-Eric Rinke zum Saarlandmeister-Titel aller Klassen! Bravo! Ebenfalls ein dickes Bravo an Jochen Scheibler, der mit 54 'ne menge junger Kerle deklassiert hat. Hier die Liste aller Saarländer (ohne HobbyRennen) geordnet nach Zeit:


Keine Überraschung hingegen war die tadellose Organisation durch die Radlerfreunde Homburg. Ich hoffe, dass es 2018 eine weitere Edition gibt, dann werde ich versuchen wirklich langsam zu starten! Ebenfalls lobenswert war, dass die Kampfrichter die Räder vor dem Start gewogen und somit für einen regelkonformen Wettkampf gesorgt haben. Das dies tatsächlich nötig ist, hat ein erfolgreicher Einspruch 2016 gegen ein zu leichtes Rad gezeigt. 

Mit Harry und Uwe auf dem Podest!

Der Präsident des SRB, Jörg Aumann, hat das Rennen kommentiert.

Links:
Bergmeisterschaft 2014 auf Unterlenker.com
Homepage der Radlerfreunde Homburg, dort finden sich Bilder und die Ergebnisse

2 Kommentare:

  1. Bin da neulich mal hochgeradelt. Ich kannte die Strecke vorher noch nicht und war erstaunt, dass es doch eigentlich nur sehr moderat ansteigt. Als Bergfahrt würde ich den Kurs nicht unbedingt bezeichnen.

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    1. Ja, in der Tat gibt es im Saarland schwierige Anstiege, die einer Bergmeisterschaft würdiger wären. Aber es braucht halt auch einen Verein, der das Rennen genau dort ausrichtet und die Strecke muss genehmigt werden. ... Der Hochwald hat da so einiges im Angebot, wo auch die Besten 20 Minuten brauchen! Ramba Zamba! :-)

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