Montag, 5. Januar 2015

Verve Infocrank Powermeter

Vor einiger Zeit habe ich hier über eine Promotionaktion von Verve Cycling geschrieben, bei der es die Infocrank im Gegenzug zur Beantwortung einiger Fragen günstiger gab. Nachdem ich einige Male zu lange gewartet hatte und wieder auf Anfang musste, habe ich schliesslich für 999 USD zugeschlagen. 840 Euro für einen echten Rechts / Links Powermeter mit Innenlager, Kettenblätter und Computer, da kann man nichts sagen. Das Set kostet normalerweise 1.950 USD. Das ist recht teuer, Verve Cycling proklamiert aber hinsichtlich der Genauigkeit und Verlässlichkeit einen der besten, wenn nicht den besten Powermeter zu produzieren.

Grundsätzlich kann man die Systeme danach unterteilen, wo die Kraft gemessen wird. Im Pedal (Garmin, Look), in der Hinterradnabe (Powertab), im Kurbelstern (SRM, Quark, Power2Max) oder im Kurbelarm (Stages, Rotor, Infocrank). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von "Exoten". Zwei sehr ausführliche Übersichten auf englisch gibt es bei DC Rainmaker und bei Alex Simmon. Etwas simpler bei Bike Radar.

Der Weg den Verve Cycling beschreitet unterscheidet sich insofern von den übrigen Herstellern, als dass man eine spezielle Kurbel produzieren lässt, in der die Elektronik eingebaut wird. Eine Infocrank ist also eine Infocrank und nicht in einer Shimano, Sram oder Campagnolo Version erhältlich. Darüber hinaus verwendet man auch nicht die üblichen Dehnmessstreifen sondern Wheatstonesche Messbrücken. Auf Roadcycling.de wird ganz gut erklärt wie das funktioniert und worin die Unterschiede bestehen. Später mehr zu der Kurbel.

Unboxing

Aber von vorne. Das Paket kam mit UPS aus Großbritannien und enthielt eine grosse Kiste mit den Kurbeln, dem Innenlager und einigen Kleinteilen (Batterien, ANT Dongle, Magnete zum Kleben und zum Aufstecken, Montagewerkzeug für das Innenlager). Eine weitere Kiste mit dem Radcomputer und die Kettenblätter. Alles sicher verpackt.


Montage, 1. Versuch

Sehr schön. Frohen Mutes bin ich im Keller verschwunden und habe die Kurbeln und das Innenlager an meinem Canyon Ultimate AL demontiert. Leider war es dass dann auch schon. Ich musste nämlich feststellen, dass ich mich im Labyrinth der Innenlager "Standards" verlaufen hatte. Für mich war es klar, dass ich ein PF30 Innenlager brauche (PF steht für PressFit, wird also nicht mit dem Rahmen verschraubt sondern nur gepresst). Mein bisheriges Innenlager wurde auch gepresst, kein Problem, oder? Wie ich dann aber lernen musste, hat der Canyon ein BB86 Innenlager. Ein PF30 wird in ein schmaleres Tretlagergehäuse verbaut und steht an der Seite etwa 5 mm über. Ein BB86 Tretlagergehäuse ist breiter und nimmt das Innenlager komplett auf, bündig sozusagen. Ich stand bestimmt 10 Minuten vor dem Schlammassel und habe dumm aus der Wäsche geschaut. Da kauft man einen tollen Powermeter und kann ihn nicht montieren.

Der nächste Schock kam dann als ich herausfand, dass es für die M30 Achse der Infocrank gar kein BB86 Innenlager gab. WTF!

Exkurs: Die Kurbel

Die Infocrank wird von Praxisworks hergestellt, einer amerikanischen Firma, die auch das Innenlager und die Kettenblätter beisteuert. Die zugrundeliegende Kurbel gibt es auch ohne Powermeter zu kaufen. Diese Turn Zayante M30 hat kürzlich in einem Test von Fairwheel Bikes den ersten Platz bei der Steifigkeit erreicht. Besser als Campagnolo, Shimano, SRAM und sogar THM und das für einen Bruchteil des Preises. Die Schattenseite ist, dass die Alukurbel auch eine der schwersten im Test war. Ich bin kein Ingenieur und kann die Testanordnung und Durchführung nicht beurteilen. Die Ergebnisse erscheinen mir aber zumindest schlüssig. 

Eine Rolle bei der herausragenden Steifigkeit spielt sicherlich die M30 Achse der Kurbel. Dieses Maß wird meines Wissens nur von Praxisworks verwendet. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine über dimensionierte GXP Achse. GXP ist ein SRAM "Standard" mit der Besonderheit, dass der Durchmesser der Achse auf der Tretlagerseite mit 24 mm grösser ist als auf der linken Seite (22mm). Bei der M30 Achse sind es am Tretlager 30 mm und auf der gegenüber liegenden Seite 28 mm. Aus dem Grund ist mein Versuch ein Rotor Innenlager zu verwenden, das 30 mm auf beiden Seiten hat, auch schief gegangen.

Wie so oft gibt es zwei Seiten der Medaille. Einerseits sollte die Grundlage eines Powermeters so steif wie nur irgendwie möglich sein, besonders wenn man auf eine hohe Genauigkeit wert legt und die tatsächliche Kraft messen will. Wenn dazu neue Wege notwendig sind, dann ist das so. Man nennt das auch Fortschritt. Es wäre übrigens interessant, wie die Infocrank in dem oben erwähnten Test abschneiden würde, da diese ja noch Aussparungen zur Aufnahme der Elektronik enthält. Andererseits stellt sich die Frage, ob steif nicht einfach steif genug ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Dura-Ace oder Record Kurbel nicht steif genug sind jenseits theoretischer Unterschiede unter Laborbedingungen. Mit einer simplen 24 mm, Shimano kompatiblen Achse findet sich nämlich ein Innenlager für jeden Rahmen.

Den einzigen echten Nachteil den ich für mich sehe, ist dass die Kompatibilität zwischen meinen verschiedenen Rädern nun weiter eingeschränkt ist. Nun reicht es nämlich nicht, die Kurbeln z.B. zwischen Zeitfahrrad undStraßenrad einfach zu tauschen, ich müsste auch jedes mal das Innenlager wechseln. Was schon bedeutend mehr Aufwand ist und sich gerade bei Pressfit auch nicht empfiehlt. Die Alternative ist nur weitere Kurbeln mit M30 Achse zu kaufen, oder am besten noch mehr Infocranks! Na ja, oder auch nicht.

Fairerweise muss man aber sagen, dass sich die Problematik auch unabhängig von M30 Kurbeln immer dann ergibt, wenn Kurbeln mit unterschiedlichen Achs-Normen an den Rädern sind. Und von diesen "Standards" gibt es ja leider wirklich mehr als genug. Die Notwenigkeit zum Tauschen hängt  allerdings in erster Linie an dem Powermeter, ansonsten wird man das eher selten machen.

Montage 2. Versuch

Nachdem ich die Infocrank also nicht an mein Canyon montieren konnte, unternahm ich einen weiteren versuch mit dem Focus. Das Mares AX hat ein BSA Innenlager und auch von Praxisworks gibt es ein BSA Innenlager für M30 Achsen. Ich habe das Innenlager direkt bei dem Europa Importeur für Praxisworks suw-sportmarketing bestellt und einen Tag später war es schon da. (An der Stelle Dankeschön für die prompte Lieferung!)

Das hervorragend verarbeitete Innenlager war schnell montiert. Irritiert hat mich lediglich, dass sich die Kurbel nur ohne die dem Innenlager beiliegende Federscheibe montieren ließ. Oder habe ich was falsch gemacht? Die nächste Schwierigkeit war dann die Montage der Magnete. Da ich die Klebeversion schon am Canyon montiert hatte, war ich auf die Ringe angewiesen, die auf die Innenlager-Cups aufgesteckt und mit drei Madenschrauben fixiert werden. Auf der linken Seite war das kein Problem. Auf der rechten Seite ragt der Kurbelstern aber innen etwas über den Innenlager-Cup. Wenn der Ring mit dem Magnet jetzt aussen auf dem Cup sitzt und mit den Madenschrauben schön in den Nuten fixiert ist, kollidieren Ring und Tretlagerstern bei der Montage. Dummerweise erst wenn das Tretlager festgezogen wird. Der Ring war der Schlauere und hat nachgegeben (= gebrochen). Mist! Ich habe das dann erst mit Panzerband und später mit Zwei-Komponentenkleber geflickt. 


Alternativ sollte es auch reichen, wenn man einen Neodym Magnet mit Klebeband an der Kettenstrebe anbringt. Die Magnete sind notwendig, damit die Kurbel weiß, wann eine Umdrehung vorbei ist. Das geht zwar auch mit Beschleunigungssensoren, Stages z.B. verwendet soviel ich weiß keine Magnete, allerdings sind letztere nach Aussage von Verve Cycling zuverlässiger.

Montage Fazit

Abgesehen von dem Innenlager Kuddelmuddel und den Problemen mit dem Magnet, was ich beides selbst schuld war, ist die Montage genauso simpel wie bei jeder anderen Kurbel auch. Tretlager rein, rechte Kurbel durchstecken, linke auf die Achse stecken, festziehen, fertig. Der Powermeter benötigt keine Kalibrierung. Die Verbindung mit meiner Garmin 910xt hat direkt  hingehauen, ebenso wie mit dem beiliegenden Navi2Coach.

Navi2Coach + Trainingssoftware

Der dem Paket beiliegende Radcomputer ist ein Navi2Coach von O'Synce. DC Rainmaker hat einen ausführlichen Bericht darüber geschrieben. Der Computer ist dabei ziemlich gut weggekommen und ebenbürtig mit dem Garmin Edge 500. Die Bedienung ist recht simpel und die Anpassung an persönliche Vorlieben möglich (Anzahl der Screens, Anzahl der Felder auf den Screen's, angezeigte Information). 

Der Radcomputer lässt sich auch per Rechner einstellen, allerdings läuft die Software nur auf PC. Aber auch dazu hat DC Rainmaker einiges geschrieben.

Die Verve Cycling Edition des Navi2Coach hat allerdings ein anders Bajonett (rund, vier Zacken), das von dem üblichen O'Sync System (rechteckig) abweicht und auch nicht mit aktuellen Garmin Anschlüssen (rund, zwei Zacken) kompatibel ist. Mal sehen wo ich zusätzliche Halter dafür bekomme. Bei O'Sync liest scheinbar niemand die Emails, die bei der Info Adresse eingehen, zumindest warte ich schon seit drei Wochen auf eine Antwort.

Praxis

Die Infocrank liefert ohne Aussetzer oder seltsame Sprünge zuverlässig eine Wattzahl an den Navi2Coach. Mehr kann ich dazu bis jetzt nicht sagen, außer: Es funktioniert wie es soll. Denn zunächst ist es nur eine weiter Zahl die angezeigt wird. Was damit anzufangen ist und wie das Training damit verbessert werden kann, das hoffe ich im Laufe des Jahres zu lernen.

Was ich allerdings schon sagen kann ist, dass ich keinen Unterschied zwischen rechtem und linkem Bein habe. Der entsprechende Wert zeigt meistens 50 +- 1% an.

Die Praxisworks  Kettenblätter funktionieren übrigens hervorragend. Die montierte Shimano 10-fach Kette klettert mit Freuden und ohne jedweden Nachdruck auf das große Kettenblatt und auch genauso leicht wieder hinunter.

Über das Design der Kurbeln kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Mir gefällt der "Form folgt Funktion" Ansatz, die schwarze Beschichtung und die klassische Erscheinung mit den fünf sichtbaren Kettenblatt-Schrauben und dass die Kurbel auf den ersten Blick nicht als Leistungsmesser zu erkennen ist.

Die Kurbel gibt es nur in einer Compact Variante mit 50/34 oder 52/36 und Kurbellängen von 170, 172,5 und 175mm.

Service 

Wie oben geschrieben, hatte ich ja einige Probleme mit dem Innenlager und den Magneten. Verve Cycling hat dabei aussergewöhnlichen Service geboten und war sehr bemüht mir schnellstmöglich zu helfen. Ich habe inzwischen eines der ersten verfügbaren BB86 Innenlager bekommen und auch Ersatz für den gebrochenen Magnetring. Was den Service anbelangt kann ich Verve Cycling ohne Zögern die volle Punktzahl geben. Daumen hoch!

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