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Donnerstag, 8. März 2018

Oh Shit!

Gerade macht Team Sky mal wieder kräftig Schlagzeilen: Chris Froome, der trotz seines bekannt gewordenen Adverse Analytical Findings bei Rennen startet und der Report der Untersuchungskommission des britischen Parlamentes, in dem Sky nicht gut weg kommt. Ich will das hier nicht im einzelnen diskutieren, man kann aber sicher sagen, dass was auch immer Team Sky gemacht hat, es war nicht zu vergleichen mit den organisierten Doping Programmen mancher Rennställe in den 90er und Nuller-Jahren. Was dem Team allerdings zum Verhängnis wird ist der eigene Anspruch weisser als weiß sein zu wollen und der Versuch, uns glauben zu machen, dass all die tollen Erfolge auf Matratzen,  Handdesinfektion vor dem Essen und all den anderen "marginal Gains" beruhen. Anspruch und Wirklichkeit scheinen da doch weit auseinander zu klaffen.

Dieses etwas ältere Video ist ein prima Analogie zu den aktuellen Ereignissen:
Wer sich auf glatten Grund begibt, rutscht schnell aus:

Sonntag, 28. Januar 2018

Strava Apps - Fürs Schummeln

Nach Strava Apps - Für Schön und Für Rückenwind heute eine fürs Schummeln. Velogram ist auf den ersten Blick erstmal eine App um alle möglichen Grafiken mit Statistiken der Strava Aktivitäten zu erzeugen. Die Konfigurationsmöglichkeiten sind begrenzt, die Beschreibung im App Store "Create brilliant infographics from your Strava data" halte ich für reichlich übertrieben, da habe ich schon besseres gesehen:


Die viel interessantere Funktion verbirgt sich aber hinter dem Menüpunkt "Choose Activity (inc. Clone & Boost)". Ein Wisch nach links auf der Liste der Aktivitäten bringt eine Rakete zum Vorschein. Dort lassen sich die Aktivitäten zwischen einem und zehn Prozent verbessern. Velogram kopiert die Aktivität, setzt die original Datei auf privat (=unsichtbar) und lädt die neue Datei hoch. Immerhin gibt es einen deutlichen Hinweis, dass es sich dabei um Betrug handelt und man es selbstredend nur mal zum testen machen sollte. Was man da testen will erschließt sich mir allerdings nicht so ganz.

Die Print Screens der verschiedenen Strava Aktivitäten sehen auf den ersten Blick ganz normal aus. Während ich für die 120 km tatsächlich 4:30 unterwegs war, waren es mit 1% Boost 4:22 und mit 10% Boost sogar unter vier Stunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit stieg von 26,8 über 27,2 auf 29,9 km/h. Und hey, den KOM am Oberleukener Küppchen habe ich um satte 7 Sekunden auf 1:03 verbessert!


Das Webinterface gibt einen genaueren Einblick in die Manipulation der Daten. Die folgen Bilder zeigen das Original, 1% und 10% Boost. Zoomt man in die Aktivität herein, fällt recht schnell auf, dass die Geschwindigkeitslinie nach der Manipulation regelmäßige Spitzen hat. Die  Geschwindigkeit wird nicht gleichmäßig angehoben, sondern nur alle paar Sekunden. Bei einem Boost um 1% gibt es etwa alle 100 Sekunden einen Zacken, bei einem 10% Boost alle 10 Sekunden. Im Durchschnitt steigt die Geschwindigkeit dann genau um den gewählten Prozentsatz an. Dieser Ansatz der "punktuellen Beschleunigung" war seinerzeit auch bei DigitalEpo zu beobachten (via ScarletFire).

Nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass die verbesserten Dateien keine Leistungswerte mehr enthalten. Im Original ist die Kurve violett, stammt also von einem Powermeter, in den Fakes ist diese schwarz, also von Strava geschätzt und sehr viel volatiler.

Original Aktivität

1% Verbesserung, Spikes in der Geschwindigkeit alle 100 Sekunden und geschätzte Power

10% Verbesserung, Spikes alle 10 Sekunden

Strava KOM's lassen sich so mit Velogram ganz einfach und auf Knopfdruck erringen. Genauso leicht lässt sich die Schummelei aber auch entdecken, was die Funktion für die, die es tatsächlich notwenig haben ihre Strava Fahrten zu dopen, wertlos macht. Wer seinen hart erkämpften KOM verliert, sollte durchaus mal einen genauen Blick in die Fahrt des "Gegners" werfen und diese bei Auffälligkeiten auch an Strava melden.

Nun stellt sich die Frage, warum die Boost-Aktivitäten eine gezackte Geschwindigkeitskurve aufweisen und diese nicht einfach gleichmäßig angehoben wird. Dazu habe ich mir zunächst die Dateien angeschaut, die man von Strava zurückbekommt. Dabei besteht kein Unterschied, ob man diese über das Webinterface oder via API abfragt. In beiden Fällen handelt es sich um eine XML Datei mit der Endung gpx. Die Dateien lassen sich mit jedem Text Programm öffnen. Hier der Anfang der original Datei mit den ersten beiden Datenpunkten. Gespeichert wird die GPS Position (Längen und Breitengrad), die Höhe, die Zeit und einige Erweiterungen (Power, Temperatur, Puls, Trittfrequenz).

 <metadata>
  <time>2017-12-31T08:24:39Z</time>
 </metadata>
 <trk>
  <name>Festive 500 // 500 in - 0 to go</name>
  <trkseg>
   <trkpt lat="49.4549800" lon="6.6405450">
    <ele>188.8</ele>
    <time>2017-12-31T08:24:39Z</time>
    <extensions>
     <power>18</power>
     <gpxtpx:TrackPointExtension>
      <gpxtpx:atemp>14</gpxtpx:atemp>
      <gpxtpx:hr>118</gpxtpx:hr>
      <gpxtpx:cad>26</gpxtpx:cad>
     </gpxtpx:TrackPointExtension>
    </extensions>
   </trkpt>
   <trkpt lat="49.4549890" lon="6.6405750">
    <ele>189.4</ele>
    <time>2017-12-31T08:24:40Z</time>
    <extensions>
     <power>1</power>
     <gpxtpx:TrackPointExtension>
      <gpxtpx:atemp>14</gpxtpx:atemp>
      <gpxtpx:hr>119</gpxtpx:hr>
      <gpxtpx:cad>13</gpxtpx:cad>
     </gpxtpx:TrackPointExtension>
    </extensions>
   </trkpt>

Die Datei enthält also Paare aus Zeit und Position. Die Geschwindigkeit wird über die Positionsveränderung zwischen zwei Zeitpunkten berechnet. Die Zeitspanne zwischen zwei Datensätzen beträgt dabei eine Sekunde, da das Format offensichtlich keine Sekundenbruchteile vorsieht, ist dies die kleinste darstellbare Veränderung. Das stimmt mit der üblichen Datenaufzeichnungsrate von Radcomputern mit einem Wert pro Sekunde (1 hertz) überein.

Möchte man die Geschwindigkeit einer Fahrt erhöhen möchte, hat man grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
  •  Man verringert die Zeit zwischen zwei GPS Punkten, verteilt also alle Punkte auf weniger Zeit. Die Anzahl an Datenpaaren würde dann gleich bleiben. Bei einer Verbesserung um 10% würde der Abstand 0,9 statt 1 Sekunde betragen.
  • Oder man verringert die Zahl der Datenpaare. Weniger Datenpaare bedeutet weniger Sekunden, wenn der Abstand weiterhin immer eine Sekunde beträgt. Weniger Zeit für die gleiche Strecke ergibt eine höhere Geschwindigkeit.
Möglichkeit eins scheidet aus, da das Dateiformat keine Sekundenbruchteile zulässt. In Möglichkeit zwei müssen die GPS Positionen neu zugeordnet werden. Der Anfang und das Ende der Aktivität müssen in der manipulierten Datei dem Original entsprechen, ebenso soll die Strecke weitgehend gleich bleiben, ansonsten würde die Geschwindigkeit ja nicht steigen. (Tatsächlich fehlen den beiden manipulierten Fahrten aber jeweils fast zwei Kilometer.)

Dazu ein einfaches Beispiel: Ausgehend von einem fliegenden Start und einer originalen Geschwindigkeit von 8 m/s (28,8 km/h) legt ein Fahrer in 10 Sekunden 80 Meter zurück. Der Einfachheit halber sind die Wegpunkte durch die zurückgelegte Strecke auf einer Geraden beschrieben statt durch GPS Koordinaten im zweidimensionalen Raum. Erhöhen wir die Geschwindigkeit um 10% benötigt unser Fahrer nur noch 9 Sekunden. Der erste Wegpunkt (8 m) ist bereits nach 0.9 Sekunden erreicht, bei Sekunde 1 sind 8,89 Meter zurückgelegt (80 Meter / 9 Sekunden). 8,89 liegt zwischen dem originalen Wegpunkt 1 (8m) und dem originalen Wegpunkt 2 (16m).  Der Punkt, an dem sich der 10% schnellere Fahrer nach einer Sekunde befindet, muss also berechnet werden. Würden so alle Punkte korrekt interpoliert werden, würde die Geschwindigkeit gleichmäßig steigen und es wären keine Auffälligkeiten festzustellen. Nicht trivial, aber auch nicht unlösbar.

Stattdessen kann man aber eine Abkürzung nehmen (passend für eine App zum Schummeln) und einfach alle 100 Sekunden (bei Verbesserung um 1%) bzw. alle 10 Sekunden (10%) einen Wegpunkt auslassen. In dem Beispiel fehlt der ursprüngliche Punkt 7 (56m). Während die anderen Punkte davor gleich sind, folgt nun auf Punkt 6 (48m) sogleich der ursprüngliche Punkt 8 (64m) jetzt schon bei Sekunde 7. 


Legt man die originale und die manipulierte Strecke in Golden Cheetah übereinander und zoomt so weit hinein, dass die einzelnen Datenpunkte sichtbar werden, sieht man, dass nicht einfach nur ein Punkt herausgenommen wird, sondern auch die beiden davor und danach manipuliert sind. Die Geschwindigkeitskurve (mit der grünen Legende) zeigt immer vier Punkte mit erhöhter Geschwindigkeit, wobei die originale violette Kurve für die gleiche Strecke fünf Punkte (bzw. Sekunden) hat. Danach folgen fünf Punkte, bei denen die originale und manipulierte Kurve aufeinander liegen. Die Aktivität mit dem 10% Boost hat also 9 Punkte (Vier manipuliert, fünf normal), während die echte Datei für die gleiche Strecke 10 Punkte hat. Der Rhythmus variiert leicht, in diesem Ausschnitt sieht man auch 3 zu 4 + 6. Es kommen aber immer 10 originale auf 9 manipulierte Punkte.



Man sollte also annehmen, dass man etwa die Hälfte der GPS Punkte aus der manipulierten auch in der originalen Datei findet. Das ist aber nicht der Fall. Auffällig ist hingegen, das in der manipulierten Datei die GPS Positionen an Genauigkeit verlieren, statt <trkpt lat="49.4494120" lon="6.6368520"> heißt es dann <trkpt lat="49.4494100" lon="6.6368500">. Darüber hinaus weicht auch die Höhe geringfügig ab und die Zeit ist um einige Stunden verschoben. Welche dieser Veränderungen durch Velogram und welche durch den Strava Algorithmus nach dem Hochladen der manipulierten Datei durchgeführt wurden, lässt sich natürlich nicht sagen.


Erstaunlich ist, dass eine App zum offensichtlichen aufmotzen von Strava Aktivitäten auf der Strava Webseite gelistet wird, dass sich solche Dateien hochladen lassen und von Strava nicht entfernt werden. Obwohl die Identifizierung relativ einfach sein sollte, führt Strava in dieser Richtung keine Prüfungen durch. Am Anfang meiner Recherche habe ich den Strava Support angeschrieben:

"Hello Strava Support, I’m in the process of writing a blogpost on my blog http://unterlenker.com about digital epo kind cheating. Usually the speed line is after the “improving” bumpy, every few points have a massivly increased speed, others looks normal. Is there a technical reason that these services don’t increase ALL speed points by the same amount? Attached a comparison of a ride before and after improving (Print screen from Golden Cheetah). What do you think? Is there a behind the scenes check in Strava to check these anormalies? Thanks in advance for your help and best regards from Germany Boris"

Hier die Antwort:

Wer trotz der leichten Entdeckung und der damit (hoffentlich) verbundenen Ächtung durch seine realen und virtuellen Sportkameraden seine Aktivitäten einmal "testweise" boosten möchte, der findet auf der Velogram Homepage Links zum Google Play- und Apple App-Store. Der Spaß kostet 1,99 USD.

Zum Schluss vielen Dank an meinen Freund Uwe von SRM und Mister VeloViewer Ben Lowe für den hilfreichen Einblick und die gute Tips.

Sonntag, 5. November 2017

Startverbote für Ex-Doper

Die übliche Durchsage am Start eines Lizenzrennens geht in etwa so: "Achtung Fahrer, Euer Rennen geht über 10 Runden oder 60 Kilometer. Gefahren wird nach der Sportordnung des Bundes Deutscher Radfahrer. Die Straßenverkehrsordnung ist einzuhalten. Überrundete oder aussichtslos im Rennen liegende Fahrer können aus dem Rennen genommen werden. Es wird auf eigene Rechnung und Gefahr gefahren. ... Der Start erfolgt in fünf ....".

Am 1. Mai zum Start des Seniorenrennens in Offenbach an der Queich dauerte die Durchsage etwas länger. Der Sprecher wies darauf hin, das der ausrichtende Verein RV Vorwärts 1904 Offenbach seit vielen Jahren eine strikte Anti-Doping Haltung verfolgt und überführte Dopingsünder nicht am Start seines Rennens sehen möchte. Weiter hieß es, dass man aus diesem Grund mehreren Fahrer mit abgelaufenen Sperren den Start verweigert hat. Einer der Fahrer hätte aber rechtliche Schritte eingelegt und da man sich als kleiner Verein dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht aussetzen kann, würde der betreffende Fahrer daher am Start stehen. Ob es unter diesen Voraussetzungen 2018 ein weiteres Seniorenrennen geben wird, sei fraglich, auch weil ansonsten das Engagement des Hauptsponsors zur Disposition stehen würde.

Was macht man in solch einem Moment als Fahrer? Morgens um kurz nach acht und nach 150 km Anfahrt, einen kurzen Moment vor dem Start. Das Rennen gar nicht erst beginnen? Laut protestieren? Den betreffenden aber unbekannten Fahrer ausbuhen? Tatsächlich hat wohl ein einzelner Fahrer seine Nummer zurückgegeben, die anderen 80 sind gestartet.

Senioren Rennen, nicht in Offenbach
Seit diesem Tag denke ich darüber nach, ob der Ausschluss eines Fahrers ein richtiger und wichtiger Schritt im Kampf gegen Doping im Sport ist oder ob es sich um Selbstjustiz handelt. Denn sportrechtlich gilt ein Fahrer nach einer abgelaufenen Dopingsperre natürlich als rehabilitiert. Jemand wird positiv getestet, bekommt eine Strafe nach deren Ablauf er wieder am normalen Sportbetrieb teilnehmen kann. Das ist nicht anders als im "normalen" Strafsystem, dass ja auch nicht auf maximale Vergeltung abzielt, sondern darauf, Straftäter zu läutern und wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

Wenn Vereine und Veranstalter Sportler mit abgelaufenen Dopingsperren pauschal von ihren Veranstaltungen ausschliessen, ist das unter mehreren Gesichtspunkten problematisch:
  • Zunächst ist da die gar nicht so geringe Möglichkeit von fälschlicherweise positiven Tests. Sich gegen ein solches Testergebnis zur Wehr zu setzen ist teuer, die Öffnung der B-Probe kostet genauso Geld wie Anwälte oder, als letzte Möglichkeit, ein Prozess vor dem CAS. Diese Mittel wird ein Amateursportler wahrscheinlich eher selten aufbringen wollen oder können. Die Möglichkeit, dass ein Fahrer unschuldig verurteilt wurde, muss zumindest in Betracht gezogen werden. (etwa Interview Perikles Simon auf Medscape oder ntv)
  • Weiterhin gibt es solche und solche Dopingvergehen. Ein positiver Test auf EPO oder Wachstumshormone hat eine andere Qualität als ein positiver Test durch möglicherweise verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel.
  • Von Berufssportlern kann man sicherlich erwarten, dass diese jedes scheinbar noch so belanglose Medikament auf verbotene Substanzen überprüfen. Bei Freizeitsportlern kann man durchaus Verständnis haben, wenn doch mal ein ephedrinhaltiges Erkältungsmittel eingenommen wird. (Spiegel Online)
  • Natürlich trägt der Sportler immer die finale Verantwortung und jeder kann Nein sagen, wenn Pillen angeboten und Spritzen aufgezogen werden. Trotzdem trifft es zu oft einzig und allein das schwächste Glied, den Sportler. Ärzte, Pfleger, Teammanager, Agenten und andere, die Doping organisieren und dazu verleiten, kommen in der Regel davon. Wahrscheinlich trifft dies im Freizeitbereich aber weniger zu und die individuelle Schuld mag dort höher sein.
  • Und nicht zu letzt: Menschen treffen schon mal falsche Entscheidungen und machen Fehler. Wer noch nie in seinem Leben drauf hoffen musste, dass andere Nachsicht walten ließen und eine zweite Chance einräumten, der führt wahrscheinlich ein ziemlich trauriges und langweiliges Dasein. Ist es nicht viel wichtiger aus Fehlern zu lernen als niemals welche zu machen?
Wenn in all diesen Fällen ein universelles Startverbot ausgesprochen wird, schert man sehr unterschiedliche Situationen über einen Kamm. Die Differenzierung im Strafmaß, die Betrachtung des Einzelfalles, die in einem Dopingverfahren Anwendung findet (oder zumindest Anwendung finden sollte), geht dann verloren. Statt dessen werden Sportler stigmatisiert.

Auf der anderen Seite ist es aber vielleicht gerade notwendig die Abschreckung zu erhöhen und jedem, der auch nur darüber nachdenkt zu unlauteren Mitteln zu greifen, klar zu machen, dass Doping falsch ist und nicht akzeptiert wird.

Heutzutage heisst es oft, dass der Radsport sehr viel sauberer geworden ist und die Zeit der Exzesse vorbei sei. Es gibt den biologischen Passport, die MPCC, die unabhängige Anti-Doping Stiftung der UCI (CADF) und jeder Profi versichert mit unschuldigem Dackelblick, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Das Narrativ einer neuen Generation junger und sauberer Sportler steht leider auf tönernen Füßen. Floyd Landis sagte kürzlich gegenüber Cycling News, dass lediglich einige Bruchstücke neu arrangiert wurden, aber das Spiel immer noch das Gleiche ist, dass sich nichts geändert hat. Paul Kimmage schreibt über die immer noch allgegenwärtige Omerta. In Icarus wird gezeigt, dass Doping auch heute noch unter staatlicher Obhut stattfindet und Kontrollen zu umgehen sind. Im Amateursport sieht es nicht besser aus, in der FAZ schreibt Ralf Meuten über "Herrn F" und zeigt die Schwächen des Anti-Dopingsystems deutlich auf. In der RennRad ist vor kurzem ein detaillierter und vielbeachteter Artikel über Doping im Hobbysport erschienen. Die Möglichkeiten für entsprechend motivierte Freizeitsportler sind nahezu unbegrenzt. Es gibt nur selten Wettkampfkontrollen, keine Trainingskontrollen, kein Passport und keine Bluttests.

All das macht deutlich, dass lange noch nicht genug getan wird um Doping einzudämmen. Wenn man nun als Radsport-Verein unzufrieden ist mit dem, was NADA und BDR für den sauberen Sport tun, wenn man Jugendlichen Vorbilder präsentieren will, zeigen will, dass man mit Doping eben nicht durchkommt, dass man nicht einfach so eine Sperre absitzen und zurück kommen kann, was macht man dann? Auf wen soll man warten? Welche Möglichkeit ausser Startverboten bieten sich, um zumindest die eigene Veranstaltung sauber zu halten?

Selbst nach einem halben Jahr finde ich darauf keine befriedigende Antwort, es ist immer ein für und wider.  Einerseits sollte man Doping nicht bagatellisieren und Nachsicht normalisiert den Betrug, das wurde im Radsport viel zu lange gemacht (Dazu dieser Artikel bei Cycling Tips). Auf der anderen Seite haben härtere Strafen noch selten zu einer Verbesserung geführt, egal auf welchen Gebiet. Einerseits kann ich die Entscheidung der Veranstalter verstehen, Ex-Doper nicht zuzulassen. Andererseits habe ich selber keine Problem gegen Ex-Doper anzutreten. Einerseits sollte man Doping nicht relativieren, andererseits ist es nur Sport und niemand wird ermordet. Wie so oft im Leben gibt es nicht nur Schwarz und Weiß sondern eine ganze Menge Grau-Schattierungen dazwischen.

Ohne Frage wünschenswert ist aber, dass es trotz des Vorfalls in diesem Jahr auch 2018 einen Renntag in gewohnter Breite in Offenbach an der Queich geben wird und der Verein an seinem entschiedenen Einsatz für einen sauberen und fairen Sport festhält. Unabhängig von Startverboten für irgendwelche Seniorenfahrer ist es nämlich diese Einstellung, die den Nachwuchsfahrern des Vereins wichtige Werte vermittelt, über die man verfügen muss um später die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich freu mich über und bitte um konstruktive Kommentare. Äusserungen, die die Lizenzfahrer im Allgemeinen und meine Sportkameraden der Mastersklasse im Speziellen per see als Doper und verbohrte Egomanen verunglimpft, werde ich aber nicht freischalten.

Links:
Antidoping Resolution RV Vorwärts 1904 Offenbach

Donnerstag, 2. November 2017

Icarus - Wie Doping und Geopolitik zusammenhängen

Manche Filme halten überraschende Wendungen bereit, der absehbare Plot wird verlassen und plötzlich sieht man einen ganz anderen Film. Etwa wenn sich From Dusk Till Down von einem Gangster-Roadmovie zu einem Vampir-Horror-Splatterfilm wandelt. In etwa genauso abstrus geht es in Icarus zu, einem Film über Doping im Radsport, sozusagen der Roadmovie-Teil, und den Skandal um das russische Staatsdoping, der Horror Teil.

Bryan Fogel ist ein begeisterter Radsportler und Amateur Rennfahrer. Lance Armstrongs Dopinggeständnis zwingt ihm die Erkenntnis auf, dass Dopingkontrollen weitgehend wirkungslos sind und ein negativer Test alles mögliche belegt, nur nicht dass der Fahrer sauber ist. Denn schliesslich wurde Armstrong nie offiziell des Dopings überführt.

Wie muss man es also anstellen um durch das Netz der Dopingfander zu schlüpfen? Und hilft EPO und Co. tatsächlich? Da Bryan Fogel auch ein Filmemacher ist, plant er eine Dokumentation über einen Selbstversuch, ein Doping - Super Size Me sozusagen. 2014 nimmt er an der Haute Route Teil, einem Gran-Fondo-Etappenrennen in den Alpen. Ungedopt. Er schlägt sich nicht schlecht, muss aber erkennen, dass die Fahrer in der Spitze wie von einem anderen Stern fahren. Wie würde er sich schlagen, wenn er nach allen Regeln der pharmazeutischen Kunst nachhelfen, wenn der den Amateur-Armstrong geben würde? Dazu sucht Bryan Fogel fachkundige Unterstützung, die er schließlich bei Dr. Grigory Rodschenkov findet, dem Leiter des russischen WADA Labors in Moskau. Der Russe willigt ein Fogel zu helfen, man konferiert über Skype und trifft sich persönlich, es gibt einen Dopingplan, der beschreibt wann was einzunehmen ist. EPO, Testosteron,  Wachstumshormone, das übliche eben.
Fogel bereitet sich auf die nächste Haute Route vor und füllt unterdessen fleißig Urin-Proben ab. Diese sollen später nach allen Regeln der Kunst in Moskau analysiert werden. Die Haute Route endet dann nicht wie erhofft. Materialpech verhindert eine bessere Platzierung und noch immer sind die Besten deutlich überlegen.

Unterdessen veröffentlicht die ARD die Dokumentation von Hajo Seppelt Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht. Dadurch kommen eine ganze Reihe von Ereignissen ins Rollen, an deren Ende sich Dr. Rodschenkov seiner Verhaftung und Rolle als Bauernopfer nur durch die Flucht in die USA entziehen kann. Von da an widmet Icarus sich dem russischen Dopingprogramm. Aus erster Hand berichtet der Mann, der den Sportbetrug in Russland organisiert hat von vertauschten Proben, Urindatenbanken und geheimen Zimmern mit getarnten Löchern in den Wänden. Das Erschreckendste bei all dem geht dabei weit über den Sport hinaus. Wer denkt bei Doping schon an geopolitische Schachzüge, an Brot und Spiele für das Volk und an Politiker, die auf einer Welle steigender Zustimmungswerte nach olympischen Medaillen Kriege beginnen?

Auch wenn am Ende einige Fragen offen bleiben (Wäre Fogel unentdeckt durch die Kontrollen gekommen? Wie weit verbreitet ist Doping im Freizeitsport? Ist Rodschenkov Held oder  Bösewicht?), bietet der Film zwei Stunden beste Unterhaltung und einen einmaligen Einblick in staatlich organisiertes Doping.

Zu sehen ist der Film nur auf Netflix. Im Original, mit Untertiteln oder in deutscher Synchronisation. Netflix bietet einen kostenlosen ersten Monat an, danach kostet das Abo zwischen 8 und 12 Euro und ist monatlich kündbar.


Anfang September hat der Regisseur mit Cyclingtips ausführlich über den Film gesprochen. Der Podcast ist einer der wenigen, die ich mir ein zweites Mal anhören werde:



Links:
ARD Sport Aktuel Podcast, Besprechung des Films
NY Times Filmkritik
NY Times Story über das russische Doping Program Teil 1, Teil 2
Spiegel Online Filmkritik

Mittwoch, 31. Mai 2017

Gewinnen um jeden Preis in der U15

Ein MTB Rennen in der Provinz, in der U15 steht ein gutes Dutzend Kinder am Start. Das Feld sortiert sich schnell, der Erste ist auf und davon, dahinter fahren die Meisten einfach ihr Rennen zu Ende. Spannend wird es nur in der letzten Runde, als drei Fahrer um die verbleibenden zwei Plätze auf dem Podium kämpfen. Unmittelbar hintereinander geht es durch den letzten Single Trail, der sich im Slalom um die Bäume schlängelt.

Betreuer: "Fahr an dem vorbei!"
Kind (das letzte in der Reihe, also auf Platz vier): "Der lässt mich nicht vorbei."
Betreuer, schreit fast: "Dann fahr ihm in's Schaltwerk!"

Keiner der beteiligten Buben war meiner, der sollte erst Minuten später kommen, in der Hinsicht war ich nicht involviert. Trotzdem ist mir die Kinnlade runter gefallen und ich kam nicht umhin darauf hinzuweisen, dass es zu weit geht solch eine Aufforderung ins Rennen zu rufen. Daraufhin kam der Betreuer die 10 Meter zu mir rüber gestiefelt und ich war mir wirklich nicht sicher, ob die Situation jetzt eskaliert und ich Handgreiflichkeiten zu befürchten habe. Soweit kam es zum Glück nicht, aber wie nicht anders zu erwarten, fühlte er sich absolut im Recht, denn schließlich wäre es unfair andere Fahrer nicht vorbei zu lassen und natürlich würde sein Schützling das nie tatsächlich tun, aber jetzt wüsste der andere Fahrer, dass es Ernst sei. Ein weiterer Zuschauer meinte, es ginge doch nur um den Spass, er solle aufhören sich so aufzuregen, worauf der Betreuer wutschnaubend erwiderte, dass es gar nicht um den Spaß ginge sondern Lizenz-Sport sei. Aha!


Das ist auf so vielen Ebenen falsch, da kann man sich nur an den Kopf fassen:
  • Natürlich macht man sich auf einem Trail breit, was denn sonst? Warum sollten die vorderen Fahrer den hinteren vorbeilassen? Niemand kann erwarten, dass sein direkter Konkurrent ihn einfach so auf Zuruf überholen lässt. In der Situation ging es um die Plätze zwei und drei, die Fahrer waren etwa gleich stark, sonst wären sie nicht Rad an Rad unterwegs gewesen. Wenn ein Fahrer es nicht schafft auf entsprechend breiten Passagen zu überholen, war er ganz einfach nicht stark genug. Im Gegenteil ist es eine absolut legitime taktische Möglichkeit als führender Fahrer in einem Trail das Tempo etwas rauszunehmen, um zu Luft zu kommen und Kräfte für den Zielsprint zu sparen ohne dabei seine Position einzubüßen. Etwas anderes ist es natürlich im Falle von Überrundungen oder wenn ein Fahrer auf der Zielgerade nicht seine Linie hält.
  • Ein Aufruf zur Sachbeschädigung mit der implizierten Billigung eines dadurch provozierten Sturzes des Kontrahenten ist eine grobe Unsportlichkeit. Dabei spielt es keine Rolle, was an Unstimmigkeiten zwischen den Fahrern eventuell vorausgegangen ist. Jeder Fahrer, der zu solchen Mitteln greift, muss ohne Ausnahme disqualifiziert werden und weitere sportrechtliche Sanktionen fürchten. Zuletzt wurde etwa Javier Moreno beim Giro d’Italia für eine vergleichbare Aktion (Schubsen) bestraft (Cyclingweekly). Zu Beginn des Jahres zog eine grobe Aktion gegen Marcel Kittel die Disqualifikation und eine 45 tägige Sperre von Andriy Grivko nach sich (DailyMail). Die Sportordnung schließt übrigens explizit die Möglichkeit ein, auch Betreuer zu disqualifizieren, wenn sich diese ungebührlich benehmen, tätlich gegen Teilnehmer oder sonstige Personen vorgehen oder andere Teilnehmer gefährden (Sportordnung, 3.3.2 Bestrafungen durch das Kommissärskollegium, Absatz 6) 
  • Zu guter Letzt offenbart solch eine Aussage eine „Gewinnen um jeden Preis“-Mentalität. Wenn es legitim erscheint, Konkurrenten durch absichtliche Beschädigung des Rades aus dem Weg zu räumen, nur um einen Platz bei einem absolut unbedeutenden, schwach besetzten, landesverbandsoffenen Provinzrennens der U15 gut zu machen, dann ist der Weg zu weit gröberen Unsportlichkeiten nicht weit. Gewinnen wollen um jeden Preis ist die vielleicht größte Gefahr hinsichtlich einer Doping-Karriere. Insofern: Wehret den Anfängen!
Der Betreuer machte auf mich einen solch aggressiven Eindruck, dass ich von einer weiteren Diskussion abgesehen habe. Das erschien mir ernsthaft sicherer, denn wie heißt es so treffend: Die Mutter der Idioten ist allzeit schwanger! Kann man nur hoffen, dass der U15 Fahrer einen eigenen, intakten moralischen Kompass hat und er diese verbalen Übergriffe übersteht, ohne den Spass am Sport zu verlieren.

Samstag, 10. September 2016

Folgen oder nicht folgen, das ist die Frage

Vor einigen Tagen habe ich von der gerade angelaufenen Challenge #FollowContador berichtet. Dabei werden Elemente einer Strava Challenge mit denen eines Preisausschreibens und einer Social-Media Kampagne verknüpft. Im Prinzip ähnlich wie die Rapha 500 Challenge die alljährlich an Weihnachten stattfindet.

Für diesen Post musste ich gestern deutliche Kritik von Daniel von Coffee and Chainrings einstecken. Daniel kritisiert sehr deutlich, dass ich eine Kampagne mit einem überführten Doper als Aushängeschild unterstütze und fragt, wie man das mit einer Position gegen Doping in Einklang bringen kann.

Das ist in der Tat eine interessante und durchaus berechtigte Frage. Darüber hinaus stellt sich hier auch die weitaus generellere Frage zu der Zusammenarbeit zwischen Bloggern und der Industrie. Darauf werde ich heute aber nicht eingehen, dass soll Gegenstand eines eigenen Posts sein.

Alberto Contador ist eine polarisierende Figur. Gemessen an den Erfolgen ist er der unangefochtene Grand-Tour Fahrer seiner Generation. Als einer von nur fünf Fahrern in der Geschichte des Radsports hat er alle drei großen Rundfahrten gewonnen und zusammen mit Bernard Hinault ist er der Einzige, dem dies mehrfach gelang (Giro 2008, 2015 Tour 2007, 2009 Vuelta 2008, 2012, 2014). Daneben stehen viele weitere Siege bei kleineren Rundfahrten, Podiumsplätze, Etappensiege und zwei Spanische Meistertitel im Einzelzeitfahren in seinen Palmares.

Auf der anderen Seite ist Alberto Contador aber auch des Dopings für schuldig befunden worden. In einer während der 2010er Tour de France abgegebenen Probe wurden geringe Mengen Clenbuterol nachgewiesen. Ein Wirkstoff, der ursprünglich zur Astma Behandlung eingesetzt wird, als Dopingmittel wird dem Stoff eine anabole Wirkung nachgesagt, ebenfalls wird er zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Darüber hinaus wurden in Contadors Blut Weichmacher festgestellt. Die Ursache könnte im Einsatz von Blutkonserven zum Zwecke des Blutdopings liegen. Zu guter Letzt wurden Alberto Contador Verbindungen zu Eufemiano Fuentes nachgesagt.

Der Dopingfall war damals ein ziemliches hin und her. Der Spanische Verband hob die Sperre von einem Jahr auf, da man den Fahrer als nicht schuldig anerkannte. Dies wurde von der UCI vor dem CAS angefochten. Am Ende wurde Contador rückwirkend ab dem Test für zwei Jahre gesperrt und alle Erfolge in dieser Zeit wurden ihm aberkannt. Dadurch kam Andy Schleck zu seinem Tour de France Sieg.

Alberto Contador ist also ein rechtskräftig verurteilter Dopingsünder, der seine Strafe "abgesessen" hat und nach dem gängigen Prinzip nicht nur der Sport-Rechtssprechung somit als vollständig rehabilitiert gilt.
Jetzt kann man durchaus die Position einnehmen, dass man (rehabilitierte) Dopingsünder auch nach dem Ablauf ihrer Sperre nicht wieder unterstützen sollte. Die MPCC verlangt von ihren Mitgliedern zum Beispiel, Fahrer erst mit weiteren zwei Jahren Karenz nach Ablauf einer Sperre unter Vertrag zu nehmen. Und natürlich kann man in diesem Zusammenhang auch über ein Pro und Contra von lebenslangen Sperren diskutieren.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Ausweitung der sport-gesetzlichen Sperre, egal ob durch die MPCC als auch durch einen persönlichen Bann nicht etwas von Selbstjustiz hat. Die Akzeptanz von Regeln und Gesetzen ist die Grundlage jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ob man die Regeln im Einzelfall als sinnvoll erachtet oder nicht spielt dabei keine Rolle.

Das im Zusammenhang mit diesem Dopingfall eventuell einige Mauscheleien stattgefunden haben und Contador wohl eine bevorzugte Behandlung genoss, ist der UCI und dem spanischen Verband, nicht aber Contador vorzuwerfen.

Die Problematik "rehabilitierter Doper" lässt sich noch ausweiten. In einigen Ländern (soviel ich weiss gehört z.B. Australien dazu) ist es verboten basierend auf gesetzwidrigen Handlungen Geld zu verdienen. Also zum Beispiel als überführter Dopingsünder ein Buch darüber zu schreiben. Das Buch wird man wohl schreiben dürfen, aber das Geld darf man nicht behalten. Und es ist in der Tat problematisch, wenn ein Sportler mit Hilfe von Doping zum gefeierten Star wird, Millionen verdient, Werbeverträge hat und wenn er erwischt wird schreibt er ein Buch darüber und verdient nochmal Geld. Es gibt viele Beispiele: Miller, Hamilton, Riis und und und.

Als Konsument muss man sich daher jedesmal fragen, gibt man diesem Ex-Doper Geld? Kauft man dieses Buch? Kauft man dieses Fahrrad (Merckx, Cipollini)? Erlaubt man Anderen mit diesen Fahrern Geld zu verdienen? Schließt man also ein Eurosport Abo ab, um zu sehen wie Contador bei der Vuelta attackiert? Ist es richtig ein Canyon Rad zu fahren, wo Canyon mit Katusha einen Rennstall unterstützt, der in Dopingfragen einige Angriffspunkte hat? Und Canyon überhaupt, beschäftigen die nicht Eric Zabel?

Wo ist die Grenze?

Radsport und Doping gehen schon immer Hand in Hand. Bei der ersten Tour de France haben die Fahrer den Zug genommen, später Alkohol und irgendwelche abstrusen Drogen, dann kamen die Amphetamine und Steroide und irgendwann Epo und Blutdoping und weiss der Geier was heute en Vogue ist. Ist das akzeptabel? Nein. Muss konsequent gegen Doping vorgegangen werden? Ja. Wird genug und vor allem das Richtige getan? Nein.

Wenn man aber jedwede Unterstützung von ehemaligen und aktuellen Fahrern, Teams und Firmen vermeiden will, die irgendwie mit Doping in Verbindung zu bringen sind , muss man mit dem professionellem Radsport genauso wie mit dem Amateursport und der Jedermannszene brechen. Wenn man dies konsequent auf andere Bereiche weiterdenkt, endet man als Einsiedler in der Einöde oder wenn man beim Doping bleibt als Anti-Doping Fundamentalist. Und Fundamentalismus ist niemals eine Lösung. Dazu ist das Leben zu vielschichtig, zu kompliziert und auch zu bunt.

Irgendwo muss also eine Grenze gezogen werden, bis zu der eine Dopingvergangenheit akzeptabel ist. Die Grenze ist individuell und subjektiv. Was für mich akzeptabel ist, kann für jemand anderen inakzeptabel sein. Was ich Fahrer A durchgehen lasse, muss ich bei Fahrer B noch lange nicht gut heißen . Mir ist bewusst, dass das inkonsequent ist und viel von einem Sympathiefaktor abhängt.

Alberto Contador liefert immer eine großartige Show ab, auch in aussichtsloser Lage ergreift er die Initiative und gibt sich nicht mit dem Erreichten zufrieden. Was war das für eine coole Aktion am vergangenen Sonntag bei der Vuelta. Auf die Plätze los und Attacke. Das will ich sehen! Echte, überraschende, "long-range" Attacken. Nicht nur ein "wer-fährt-den-letzten-Berg-am-schnellsten-rauf".

Ein Ausschnitt aus der Google Bilder Suche "Alberto Contador Climbing"

Das mit der Sympathie ist natürlich so eine Sache. Ich habe Alberto Contador noch nie in echt gesehen. Alles was ich weiss ist ein von den Medien gezeichnetes Bild. Jemanden nur aufgrund diesen unzulänglichen Informationen in eine Schublade zu stecken ist unumgänglich, ohne Vorurteile kämen wir in unserem Leben nicht zurecht. Es ist schlichtweg unmöglich nur aufgrund vollständiger Informationen zu urteilen. Vielleicht ist Lance Armstrong in Wirklichkeit ein netter Kerl? Wer weiss das schon.

Aber bevor ich noch weiter abschweife zurück zu der ursprünglichen Frage: Ist es legitim über eine Werbeaktion zu berichten die Alberto Contador als Aushängeschild führt? Ich schreibe ganz bewusst berichten und nicht unterstützen, da letzteres ein sponsored Post wäre, was er nicht ist. (Aber dazu mehr in einem späteren Artikel).

Ich kann diese Frage für mich ganz klar mit ja beantworten. Alberto Contador wurde des Dopings für schuldig befunden und hat seine Strafe abgesessen. Er ist mir sympathisch, fährt großartige Radrennen, hat eine aktive Fahrweise. Insofern: #FollowContador Todo los dias!

Bis jetzt wurden im Rahmen der Challenge 328 Tausend Kilometer zurückgelegt, Deutsche Radsportler sind zusammen schon einmal um die Welt! Mein Beitrag ist mit 34 Kilometer eher bescheiden. Ich werde also auf keinen Fall die Chance bekommen Alberto Contador persönlich kennen zu lernen. Schade eigentlich. Aber zumindest werde ich es bis zum ersten Badge schaffen, ab 50 km gibt es was zu gewinnen!

Samstag, 3. September 2016

Mutanten im Ötztal

Am vergangenen Wochenende fand der Ötztaler statt, die Mutter aller Radmarathons und Jedermann-Rennen. Sowas wie die Weltmeisterschaft der Hobby-Fahrer. Nur, die Besten dort sind alles, aber keine Hobbyfahrer. Der Sieger, Bernd Hornetz, hat sogar einen neuen Streckenrekord aufgestellt und ist erstmal in der Geschichte des Ötztalers unter sieben Stunden geblieben. Um genau zu sein 6:57,04 für 226 Kilometer und über 5000 Höhenmeter. Das entspricht einem Stundenmittel von über 34 Kilometern.

Die Diskussionsbeiträge unter der Facebook Meldung teilen sich grob in zwei Gruppen. Eine Hälfte gratuliert dem Sieger zu seiner tollen Leistung und freut sich, die andere Hälfte überbietet sich in Sarkasmus ob der für sie offensichtlich gedopten Leistung. Und tatsächlich ist es erstaunlich, dass ein Sportler mit 48 Jahren eine Zeit fährt, die die Leistung von jüngeren und dem Doping überführten Fahrern in den Schatten stellt.



2014 hat Roberto Cunico mit 35 Jahren in 7:05 gewonnen, Zweiter war Emanuel Nösig (33 Jahre) in 7:07. 2013 hat ebenfalls Cunico gewonnen, in 7:13, Nösig war in diesem Jahr Fünfter in 7:18. Der Sieger der Jahre 2006 (7:12), 2007 (7:03) und 2009 (7:07) , Emanuele Negrini (Jahrgang 74), wurde ebenfalls des Dopings überführt. Wohlgemerkt nicht beim Ötztaler, dort gibt es keine Kontrollen, sondern bei anderen Rennen.

Eine Serie fast wie bei der Tour de France! Daraus zu schließen, dass auch alle anderen Spitzenfahrer gedopt sind, ist natürlich so nicht zulässig. Wenn ein Fahrer gedopt eine bestimmte Leistung erbringt, kann ein anderer mit mehr Talent und besserem Training natürlich auch sauber schneller sein. Selbst wenn ich alle pharmazeutischen Tricks nutzen würde, wäre Chris Froom mit Pane e Aqua immer noch besser.

Im Leistungssport geht es darum den Besten zu finden. Den Sportler, der die verschiedenen Leistungsfaktoren wie VO2max, FTP, Effizienz, Verteilung der Muskelfasern, biomechanische Vorraussetzungen etc. in optimaler Weise kombiniert. Der Sportler der bei jedem in seinem Sport relevanten Leistungsfaktor das physiologische Optimum erreicht, also auch in der Kombination der Faktoren, wird mühelos seinen Sport dominieren. Ein Mutant!

Die Situation ist schon etwas paradox. Der Leistungssport verkörpert die Suche nach dem Mutanten. Es geht immer um ein höher, schneller, weiter.  Wenn aber ein Sportler auftaucht, der tatsächlich besser ist als alle anderen, hängt immer der Verdacht des Dopings über ihm.

Profis können zumindest noch ihren biologischen Passport und Wettkampf- und Trainingskontrollen anführen, auch wenn wir wissen, dass negative Dopingtests keine Garantie für eine saubere Leistung sind. "Jedermänner" haben diese Möglichkeit nicht. Schon alleine aus diesem Grund sollten Dopingtests auch bei Radmarathons und Gran Fondos zum Standard gehören.

Jetzt ist es im Straßen-Radsport ja so, dass die Geschwindigkeit relativ wenig über die Leistung aussagt. Selbst auf einer immer gleichen Strecke gibt es soviel Faktoren die die Zeit beeinflussen. War das Wetter besser? Stand der Wind günstiger? War eine Abfahrt neu asphaltiert? Fuhr die Spitzengruppe gleichmäßig im ersten Teil des Rennens oder gab es viele Tempowechsel? Das alles beeinflusst die Zeit am Ende. Mich haben daher die Leistungsdaten von Bernd Hornetz interessiert und wie so oft gewährt Strava hier einen tollen Einblick.

Die folgende "Analyse" ist natürlich mit Vorsicht zu genießen. Wir wissen weder ob die Power Daten verlässlich sind, noch das tatsächliche Gewicht des Fahrers. Bestenfalls bewegen wir uns auf dem Niveau der "Pseudo-Science" Analysen. Aber nichtsdestotrotz wird deutlich werden, welch enorme Leistung zum Gewinn des Ötztalers notwendig ist.

Das Google Chrome Add-On Stravistix macht die Zahlen Massage etwas einfacher. Bei einer durchschnittlichen Leistung von 239 Watt berechnet Stravistix 3,82 w/kg. Das entspricht einem Gewicht von 62,5 Kilo. Sollte Bernd sein Gewicht in Strava nicht pflegen, sind alle drauf beruhenden Berechnungen natürlich falsch. Bei dem Jedermann Rennen auf der Nordschleife bin ich eine Weile in seiner Nähe gefahren und vom optischen Eindruck sollte das hinkommen.


Wenn wir die w/kg auf die nach Coggan gewichtete Durchschnittsleistung berechnen, kommen wir sogar auf 4,32 w/kg. Dieser gewichtete Durchschnitt entspricht der Anforderung an den Organismus, die zur Erbringung einer konstanten Leistung (im Gegensatz zu der variablen Leistung im Rennen) notwenig gewesen wäre und gewichtet dabei höhere Wattzahlen stärker, da Leistungen über der FTP Schwelle den Organismus weitaus stärker fordern als niedrige Wattzahlen.

4,32 w/kg! Über sieben Stunden! Im Hochgebirge auf bis zu 2400 m! Das ist schon immens.

Ein Blick auf die verschiedenen Berge:


Der Anstieg hat fast eine Stunde gedauert. Der einfache Leistungsdurchschnitt und der gewichtete liegen recht nah beieinander, was bedeutet, dass es keine großen Tempovariationen gab. Bernds FTP Wert wird wahrscheinlich nicht weit über den 5w/kg liegen. Nach dem Power Profile Chart von Coggan befindet sich Hornetz damit im Bereich "Exeptional - Domestic Pro". Mit seiner Zeit von 56:29 liegt er auf Platz sechs des Strava-Leaderboards.


Am Brenner ging es scheinbar etwas "gemütlicher" zur Sache. Die Durchschnittsleistung ist immerhin 25 Watt niedriger als am Kühtai. Die Zeit reicht immer noch für die Top Ten bei Strava.


Wieder ein Anstieg von fast einer Stunde und einer Leistung nicht weit unter der vermuteten FTP Schwelle. Und das bis hinauf auf 2000 Meter.

Anstieg Nummer vier ist des Timmelsjoch. Nach fünf Stunden Rennen und 180 km begingt der vermutlich härteste Berg. 90 Minuten Kletterei bis auf über 2400. Dabei ist zu beachten, dass ab etwa 1500m die Leistung sinkt. Aufgrund des geringeren Sauerstoffgehaltes kann der Körper nicht mehr die gleiche Leistung erbringen wie weiter unter. 250 Watt auf dem Timmelsjoch sind dann wie, sagen wir 320 Watt im Flachen. Der Verlust variiert von Sportler zu Sportler und ich finde gerade nicht die Formel um den Verlust abzuschätzen, was wir aber sagen können ist, dass eine Leistung von 4.35 w/kg über 90 Minuten nach dieser Renndauer und auf dieser Höhe schon sehr beeindruckend ist.


Bemerkenswert ist dass Hornetz an allen vier Bergen auf ähnlich hohem Niveau fährt. 56 min mit 5 w/kg, 67 min mit 4,4 w/kg,  51 min mit 4,7 w/kg und 88 min mit 4,4 w/kg

Noch erstaunlicher wird es, wenn man zum Vergleich einen Blick auf die Daten von Tour de France Fahrern wirft. Auf Trainingspeaks gibt es detaillierte Analysen einer ganzen Reihe von Fahrern zu jeder Etappe 2016 (Woche 1, Woche 2, Woche 3). Natürlich kann man Etappen einer dreiwöchigen Rundfahrt schwer mit einem Rad-Marathon vergleichen. Aber um der Pseudo-Wissenschaft treu zu bleiben, mache ich es trotzdem. Hier was es über Michael Valgrens Fahrt auf der 17. Etappe von Bern nach Finhaut-Emosson (63., 26:15 min hinter Ilnur Zakarin) zu sagen gibt:


Bernd Hornetz hat beim Ötztaler also mit 3.82w/kg über sieben Stunden eine deutlich höhere Durchschnittsleistung erbracht als Michael Valgren mit 3,38w/kg auf der Königsetappe in den Alpen über fünf Stunden.

Das ist erstaunlich. Aber ist es auch verdächtig? Laut Strava hat Hornetz seit Januar schon über 20 Tausend (!) Kilometer abgespult. Das er erst spät, mit 30 Jahren, mit dem Radsport angefangen hat, muss nicht nachteilig sein. Radsport lässt sich auch jenseits der 40 noch auf sehr hohem Niveau betreiben. Die Regenerationsfähigkeit nimmt zwar ab, die Spitzenleistung kann aber noch lange gehalten werden. Der begrenzende Faktor ist oft eher eine psychische Müdigkeit. Noch eine Saison und noch eine, irgendwann reicht es halt. Fahrer die mit 10 Jahren anfangen haben ihre 18. Saison schon mit 28 Jahren in den Beinen.

Irgendwie hoffe ich ja, das entweder die Gewichtsangabe von Hornetz falsch ist oder der Powermeter  zu hohe Werte ausweist. Aber mit ein paar Kilo mehr und etwas weniger Watt gewinnt man keinen Ötztaler, das ist sicher (dann könnte ich nämlich um den Sieg mitfahren). Am Ende ist es eine reine Glaubensfrage, weder können die Skeptiker Doping nachweisen, noch können die Sportler beweisen, dass sie sauber sind.

Was soll man nun von der ganzen Chose halten? Und welche Lehren und Konsequenzen ziehen? Das muss am Ende jeder für dich selber wissen. 

Update 22.12.2016: 
In der RennRad 11-12/2016 hat Bernd Hornetz über den Ötztaler geschrieben und dieser Post hier wurde unter weitere Informationen referenziert! Dazu und nochmal ein wenig Hintergrund zu dem 'Mutanten-Titel' (ist ein Insider) findet ihr hier: Eine Offline Verlinkung

Links:
Bernd Hornetz' Strava Ötztal Aktivity
Im Interview auf Speed-Ville
Zum Thema Doping in seiner Kolumne auf RennRad
Ein interessanter Post von Jürgen Pansy über Doping im Amateurrennsport, insbesondere in Österreich und der Marathonszene

Donnerstag, 4. August 2016

Wolken über dem Regenbogen

Ich möchte wirklich glauben. Glauben, dass die Beteuerungen der Sportler sauber zu sein wahr sind. Glauben, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Glauben, dass mit fairen Mitteln gekämpft wird. Aber all die Beteuerungen der Herren Armstrong, Landis, Millar und Co, die sich letztenendes alle als Lügen herausgestellt haben, machen es schwer dem Grundsatz in dubio pro reo zu folgen. Über allem hängt Zweifel und Skepsis. Das Schlimme dabei ist, dass die Sportler nicht beweisen können dass sie sauber sind. Ein negativer Dopingtest und auch ein unauffälliger biologischer Passport bedeuten noch lange nicht, dass der Sportler auch tatsächlich sauber ist. Armstrong, Ulrich oder Rassmusen sind nie positiv getestet worden. Sie wussten halt nur wie man das System umgeht.

Das Einzige was Sportler in dieser Situation in die Waagschale werfen können ist ihre persönliche Glaubwürdigkeit, ihre Reputation. Wenn die beschädigt ist oder zumindest mit gutem Grund in Zweifel gezogen werden kann, was bleibt dann noch?

Sportler der höchsten Leistungsklasse werden nicht nur unmittelbar nach Wettkämpfen sondern auch im Training auf Doping getestet. Um diese Kontrollen durchführen zu können müssen die Tester natürlich wissen wo sich die Sportler befinden. Dazu melden diese ihren Aufentaltsort für drei Monate im voraus in einem elektronischen System. Für jeden einzelnen Tag muss eine Zeitfenster von einer Stunde angegeben werden, in dem man für Kontrollen zur Verfügung steht. Inzwischen ist die Handhabung von ADAM via Apps, SMS oder auch Anrufen wohl recht komfortabel. Änderungen sind bis eine Stunde vor Beginn des Kontroll-Zeitraumes möglich.

Das ist sicherlich lästig, gehört aber für Sportler genauso wie das Zähneputzen zur täglichen Routine. Jeder der seine Arbeitszeit in irgendeiner Form erfasst oder sogar Schichtarbeit Wochen im voraus plant macht etwas ähnliches. Trotzdem können Fehler passieren. Aus diesem Grund werden erst drei verpasste Tests oder fehlerhafte Angaben über den Aufenthaltsort innerhalb eines Jahres geahndet. Dann allerdings genauso wie ein positiver Dopingtest, also mit zwei oder auch vier Jahren Sperre. Viele Sportler haben wohl mal einen verpassten Test in einem Jahr, bei einem zweiten darf dann schon nichts mehr passieren.

Der amtierenden Weltmeisterin der Frauen und Großbritaniens Gold-Hoffnung für das olympische Straßenrennen, Lizzie Armistead, ist genau das jetzt fast zum Verhängnis geworden: Drei verpasste Trainingskontrollen. Gerade noch so konnte sie eine mehrjährige Sperre vermeiden indem sie die Tests vor dem CAS angefochten hat und einer, der erste, auch tatsächlich als ungültig gewertet  wurde.

Was ist passiert? Bei dem inzwischen als ungültig erklärtem Test Nummer Eins, vor etwa einem Jahr, konnte der Tester Armistead in dem Hotel nicht ausfindig machen. Der Tester hat nicht hartnäckig genug versucht Armistead zu erreichen. Es ist zwar schwer vorstellbar, dass ein Tester so schnell aufgibt wie es in dem Fall gewesen zu sein scheint und nicht alles Mögliche versucht, aber wenn der CAS dies so beurteilt, gehen wir mal davon aus dass es stimmt.

Test Nummer Zwei war dann ein administrativer Fehler von Armistead, den sie auch einräumt. Sie sollte an dem betreffenden Tag zwar nicht getestet werden, Ungereimtheiten zwischen ihrem tatsächlichen und dem angegebenen Aufenthaltsort wurden aber entdeckt.

Test Nummer Drei hat sie dann tatsächlich verpasst, da sie kurzfristig wegen einer schweren Erkrankung in der Familie nicht an dem angegebenen Ort sein konnte.

Darüber hinaus gibt es in dem ganzen Fall noch mehr Erstaunlichkeiten: Die vorübergehende Suspendierung zwischen drittem Test und CAS Urtel wurde geheim gehalten und British Cycling hat das Ergebnis einer rechtlichen Beratung mit Armistead geteilt. Auch passen die Versäumnisse ganz und gar nicht zu dem Bild, dass sonst von Armistead herrscht, das einer alles bis ins letzte Detail zu planenden, hoch professionellen Sportlerin.

Zu jedem einzelnen Punkt gibt es eine plausible Erklärung. Am Ende stehen aber drei (pardon: zwei) verpasste Tests. Und alles was nun an Statements mit großem Eifer vorgetragen wird haben wir schon mal gehört, oder? Eine negative Wettkampfkontrolle am Tag nach dem ersten Test sagt gar nichts aus. Vielleicht war ja dieser eine Tag gerade notwenig um was auch immer wieder aus dem Körper zu bekommen? Wenn ein Sportler drei (pardon: zwei) verpasste Tests hat, dann müssen da, statistisch gesehen, noch mehr Tage gewesen sein, an denen Armistead nicht dort war wo sie vorgegeben hat, gewesen zu sein. Ansonsten sollte sich die Anti Dopingagentur vielleicht besser auf's Lottospielen verlegen, bei der Trefferquote.

Man kann es drehen und wenden wie man will und egal ob man Armistead glaubt oder nicht, der Reputationsschaden und die Zweifel sind da. Das Regenbogentrikot ist nicht mehr ganz so strahlend wie zuvor.

Vielleicht ist noch nicht alles ans Tageslicht gekommen was mit dem Fall zu tun hat, wir werden sehen. Es wird auf jeden Fall eines der Olympia-Radsporttehmen sein, leider.

Hier eine Übersicht über einige der bisherigen, lesenswerten Artikel:
LA Confidential auf inrng.com
telegraph.co.uk
theguardian.com
Armistead Statement in der Daily Mail
Armistead Statement Facebook

Auch in den Podcasts kam dies natürlich zur Sprache:
prowomenscycling.com
thecyclingpodcast.com
cyclingnews

Mittwoch, 3. Februar 2016

E-Bike Schlamassel

Jetzt ist es also tatsächlich passiert. Es hat sich jemand mit einem Elektromotor im Rad erwischen lassen, noch dazu bei einer Weltmeisterschaft. Maximale Aufmerksamkeit garantiert. Und wie nicht anders zu erwarten war der Aufschrei groß, frei nach dem Moto: "Auf sie mit Gebrüll". Die erst 19 Jahre alte belgische U23 Europameisterin im Cyclocross, Femke van den Driessche, hat Eingang in die Geschichtsbücher des Radsports gefunden. Ihr Name wird für immer mit dem ersten entdeckten Betrug dieser Art in Verbindung stehen. Wahrscheinlich nicht der Ruhm den sie sich erhofft hat.

Ich warte ja auf den Dopingsünder, der, sobald überführt, sein Vergehen zugibt und zu dem steht was er gemacht hat. Und es vielleicht sogar erklärt. Was bringt jemanden dazu die Regeln zu brechen? Erfolgsdruck? Mangelnde Alternativen ausserhalb des Sports? Falsche Berater und Trainer? Überehrgeizige Eltern? Bringt man nicht schon Kindern bei, dass es besser ist eine Missetat zuzugeben und die dann hoffentlich mildere Strafe zu akzeptieren als sich in fadenscheinigen Ausflüchten zu verstricken? Haben all die Dopingsünder nicht gelernt dass früher oder später selbst das stärkste Lügengebilde einstürzt und die Wahrheit an's Licht kommt? Wie war das noch mal mit Armstrong, Ulrich, Landis, Hamilton, Millar, Pantani und all den anderen? Gut, es kann natürlich sein dass Femke van den Driessche tatsächlich nichts von dem Motor in ihrem Rad wusste und es ihr durch einen dummen Zufall untergeschoben wurde. Leider ist die Geschichte, die sie erzählt, alles andere als glaubwürdig, die Reputation ihrer Familie mehr als zweifelhaft und am Ende spielt es auch keine Rolle, ob Sie es wusste oder nicht.

Obwohl, professioneller Sport ist Entertainment. Und was uns Familie van den Driesche derzeit auftischt  könnte sich wahrscheinlich kein noch so wahnsinniger Trash-TV-Drebuch-Schreiber ausdenken. Eine kurze Zusammenfassung: Eine junge, hübsche, aufstrebende Radsportlerin verkauft eines ihrer Räder an einen Freund der Familie. Dieser trainiert ab und an mit ihr und ihren Brüdern und lässt in das Rad einen Elektromotor einbauen. Ansonsten bleibt das Rad absolut ummodifiziert. Zumindest so weit, dass die erfahrenen Mechaniker bei der Weltmeisterschaft das Rad als eines von Femke betrachten und mit in die Wechselzone nehmen. Warum das Rad überhaupt da war? Der Freund der Familie hat vor dem WM-Rennen eine Erkundungsrunde auf dem Kurs gedreht und das Rad bei den van den Driessches abgestellt. Der dumme Mechaniker, also wirklich, nimmt der einfach das falsche Rad mit. Zu allem Unglück kontrolliert die UCI dann auch genau dieses Rad. Was für ein Jammer. Natürlich hat man nichts gewusst, Tränen im Fernsehen, Beteuerungen noch und nöcher.

Leider wird die Glaubwürdigkeit durch die Tatsache, dass Femkes Bruder derzeit eine EPO-Sperre absitzt und Vater und Bruder vor einiger Zeit des Diebstahls zweier Kanarienvögel überführt wurden, nicht gerade gestützt. Heute war zu lesen, das Pure Cycling, eine Australische Non-Profit Organisation die sich für einen sauberen Radsport einsetzt, in den vergangenen Monaten mehrere Hinweise auf verdächtige Leistungen erhalten hat. Insbesondere die Koppenberg-Performance von Fräulein van den Driessche erscheint nun in einem ganz neuen Licht.

Eine ganze Menge Merkwürdigkeiten, die am Ende aber alle irrelevant sind. Das Reglement ist in diesem Punkt eindeutig. In Artikel 1.3.010 der technischen Regeln heisst es: "The bicycle shall be propelled solely, through a chainset, by the legs (inferior muscular chain) moving in a circular movement, without electric or other assistance." Artikel 1.3.001 sagt: "The licence holder is responsible for his or her equipment and for ensuring its compliance with the regulations. The licence holder must thus have knowledge of the technical regulations to be able to apply them to the bicycle, accessories and clothing." Wie beim Doping ist letztendlich der Sportler verantwortlich, für die Substanzen in seinem Körper genau so wie für sein Material. UCI Technical Regulation, Technological Fraud

Wobei wir bei dem Vergleich von Doping und technischem Betrug sind und der Frage, was denn schlimmer sei. Beides ist Betrug, sowohl mit der einen wie mit der anderen Methode erschleicht man sich einen Vorteil. Inner Ring hat dazu einen hervorragenden Artikel geschrieben und kommt zu dem Schluss dass Doping schlimmer ist. Doping-Substanzen können, und das ist der wichtigste Grund warum sie verboten sind, zu schweren Gesundheitsschäden und sogar zum Tod des Sportlers führen. Ein weiterer Grund ist, das Doping auch noch lange nachdem es eingestellt wurde wirkt. (Velonews, BBC).

Insofern ist die Verhältnismässigkeit vieler Anschuldigungen gegen Femke van den Driessche nicht mehr gegeben. Ein 19 jähriges Mädchen ist in schlechten Einfluss geraten (Ihre Eltern, Mist) und war so dumm und hat sich erwischen lassen. Eine zwar volljährige aber vielleicht noch lange nicht erwachsene Nachwuchsfahrerin hat ein Rad in der Wechselzone gehabt, in dem ein Elektro-Motor eingebaut war. Und deshalb soll der Radsport als ganzes Schaden nehmen und wurde der Lächerlichkeit hingegeben? Im Ernst? Jemand hat sich nicht an die Regeln gehalten, wurde erwischt und wird nach Abschluss der Untersuchungen entsprechend bestraft werden. Viele fordern jetzt eine lebenslange Sperre. Fragt sich für wen? Für Femke? Für ihren Vater? Den Mechaniker? Die Kanarienvögel?

Ich bin kein Anhänger von Fundamentalismus und drakonischen Strafen. Beides führt zu nichts. Auch wenn hier noch nicht einmal der Ansatz eines Zweifels besteht, das Elektromotoren in Radrennen nichts zu suchen haben und der Einsatz gegen alle sportlichen Werte und Regeln verstößt, muss man doch die Kirche im Dorf lassen und sagen: "Es ist nur Sport!" Unser Leben ist voll von Regelverstößen, es wird zu schnell und über rote Ampeln gefahren, Steuern hinterzogen, Intrigen im Büro gesponnen, Spesenabrechnungen frisiert, Ehepartner werden betrogen, Fotos retuschiert, Filmstars Schönheits-operiert und ja, im Sport wird gedopt. Lug und Trug und Fake wohin man schaut. Das war schon immer Teil des Spiels und wird es auch immer bleiben. Menschen sind nun mal in einem ständigen Konkurrenzkampf um Anerkennung und Erfolg, besonders und vor allem im Sport. Wer sich dem Wettkampf stellt hat für diese Konkurrenz Situation ein besonderes Faible, denn darum geht es ja, besser zu sein als Andere, zu gewinnen. Höher, schneller, weiter.

Eine wichtige Charakter Eigenschaft von Sportlern ist der Ehrgeiz. Ohne den wird man nicht weit kommen. Da ist es unvermeidlich, dass ab und an auch einige Individuen auf der Spielfläche erscheinen die ein Übermaß an Ehrgeiz an den Tag legen und "mit allen Mitteln" gewinnen wollen. Das können sowohl Sportler, wie auch Trainer und Eltern sein. Das nicht zu erwarten wäre einfach nur unrealistisch. Wenn Sportler die Regeln brechen, egal auf welche Art, müssen die Sportverbände mit ihren Kommissären und die Anti-Doping Organisationen dem Einhalt gebieten. Energisch und nachhaltig. Aber es kann keine Lösung sein diese Menschen bei einem ersten Verstoß mit einer lebenslangen Sperre einfach auszusortieren. Das wäre zu einfach. Wie im Strafrecht sollte auch der Sport auf die Rehabilitierung abzielen. Zumindest ist das der gesellschaftliche Konsens in Mitteleuropa. Es gibt andere Länder, in denen Straftäter weggesperrt werden oder die Todesstrafe fürchten müssen. Das halte ich nicht für erstrebenswert.

Bei all denen die jetzt nach der Ultima Ratio rufen und eine drakonische, lebenslange Sperre für Femke van den Driessche fordern frage ich mich, ob die sich immer 100%ig an jede Regel gehalten haben? Nie in einem Radrennen den Kreisverkehr falsch herum gefahren sind, immer ein Rad am Start haben das mit allen UCI Regeln übereinstimmt, nie beim Zeitfahren kurz in den Windschatten des zu überholenden Fahrers gefahren sind, nie eine sticky Bottle gereicht bekommen haben. Sehr vehement hat übrigens Herr Merckx eine lebenslange Sperre gefordert, wie war das noch mal gleich mit dem Glashaus und den Steinen?

Links:
Mehr zu lesen zu dem Thema unter anderem auf
cyclingtips z,B.: hier (Pro Life Time Ban), hier, hier und hier
inner ring hier und hier

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Bravo GFNY!

Heute hat Gran Fondo New York CEO Uli Flume bekanntgegeben, dass der diesjährige Sieger der GFNY Championships in New York, der Kolumbianer Oscar Tovar, positiv auf synthetisches Kortison getestet wurde. Ebenfalls des Dopings überführt wurde die Dritte des Frauenrennens, die auch aus Kolumbien stammende Yamile Lugo.

Gedopte Möchtegernprofis die die vorderen Plätze bei Jedermann Rennen absahnen sind keine guten Nachrichten. Es gibt Veranstalter von bei weitem grösseren und prominenteren Jedermannrennen, die solche News lieber stiefmütterlich behandeln und auch gar keine eigenen Tests durchführen. Bei dem Doping Thema handelt so mancher nach dem Motto "No news are good news", wenn es dann gar nicht mehr anders geht wird halt scheibchenweise kommuniziert.

Und natürlich kosten Dopingkontrollen Geld. Bei Lizenzradrennen werden diese Tests von den nationalen Anti-Doping Agenturen durchgeführt, die zu einem großen Teil durch öffentliche Mittel finanziert werden (zumindest in Deutschland). Kommerzielle Veranstaltungen ausserhalb der Radsportverbände werden nicht getestet, dort muss der Veranstalter selber für die Kontrollen aufkommen. Dummerweise schmälern solche Ausgaben den Profit und da sie nicht notwendig sind, lässt man Sie eben weg. Blöd nur wenn der Betrug trotzdem offensichtlich wird. Der "Ötztaler" hatte aus diesem Grund 2015 einige schlechte Publicity bekommen. Nachzulesen hier und hier.

Es geht aber auch anders. GFNY hat ein sehr starkes Anti-Doping Statement und führt auch entsprechende Tests durch. Diese haben bereits 2012 zwei Sieger des Dopings überführt.

Diese und die aktuell positiven Tests zeigen, dass die Kontrollen wirken und das Bekenntnis für einen sauberen und fairen Sport nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. Darüber hinaus ist es ein Beispiel wie man solche Nachrichten kommuniziert, nämlich unmittelbar und ungeschönt.

Flume schreibt in seinem Newsbeitrag:
“We are of course upset and hurt that a doper taints the reputation of our race and had us celebrate him on the day. However, it’s without a doubt more important for us to do what we can to make our race fair, of which doping controls are an integral part. Simply looking away and not testing the athletes is the worst decision that a race director can make because it forces everyone to take drugs to try to level the playing field.”

So muss ein positiver Test nicht zwingendermaßen zu einem Reputationsschaden führen. Ich für meinen Teil sehe diese "schlechte" Nachricht nämlich durchaus als eine Gute an. Bei der Auswahl eines Gran Fondos spielt das Anti-Doping Statement für mich eine Rolle und bei GFNY hat dieses Hand und Fuß. Aus diesem Grund, trotz gedoptem Sieger: Bravo GFNY!

Ich freue mich auf den GFNY Mt. Ventoux 2016 (und vielleicht auch auf das Rennen in Hameln)!


Links:
USADA Mitteilung
GFNY Blog
GFNY Mt Ventoux 2015 auf Unterlenker.com