Dienstag, 31. Januar 2017

Bieles 2017: Eis, Schlamm, Fans und Flitzer

Na das war ja mal ein Spektakel! Zwei Tage packende Cyclocrossrennen in Luxembourg um die Trikots mit dem Regenbogen. In fünf Rennen haben die Junioren, U23 Frauen, Elite Frauen, U23 Männer und Elite Männer um die Weltmeisterschaft gekämpft. Ich war an beiden Tagen da und habe mir alle Rennen angesehen.

Die Strecke
war einer Weltmeisterschaft mehr als würdig. Es gab Hürden, eine ganze Reihe an Brücken, steile Abfahrten, Schräghang-Passagen, eine Treppe, technische, sehr anspruchsvolle Abschnitte genauso wie schnelle Power Passagen, Asphalt, Wiese, Lehmboden. Alles war dabei und alles war schön anzusehen. Es gab kaum eine Stelle an der man "schlecht" gestanden hat. Meist konnte man die Fahrer mehrfach sehen und gleichzeitig eine der zahlreichen Videoleinwände im Blick behalten.

Interessant war, wie sich die Strecke im Verlauf des Wochenendes geändert hat. Die Junioren mussten am Samstag Morgen auf einer zum großen Teil vereisten Strecke fahren. Entsprechend viele Stürze gab es, direkt nach dem Start beim Einbiegen auf eine Sand Passage hat das halbe Feld auf dem Boden gelegen. Bei den U23 Frauen war es schon etwas besser. Die Damen hatten am Nachmittag die vielleicht besten Verhältnisse des Wochenendes. Das Eis war größtenteils geschmolzen, der Boden aber noch nicht so getaut, dass es schlammig wurde.
Am Sonntag gab es dann eine ganz andere Rutschigkeit als am Samstag Morgen. Schöner, lehmiger Schlamm. Heidewitzka, was für eine Anforderung an Fahrer und Material.




Die Rennen
waren alle packend, spannend, aufregend und schön anzusehen. Bei den Junioren gab es ein rein britisches Podium. Das Rennen der U23 Frauen wurde von der Niederländerin Worst dominiert, hätte aber auch anders ausgehen können, die Abstände des Podiums waren relativ knapp.
Der Sieger im U23 Rennen der Männer, Nieuwenhuis stand früh fest und hatte am Ende weit über eine Minute Vorsprung. Da hätte nur ein größerer Defekt oder ein ungünstiger Sturz was dran ändern können. Dafür war der Kampf um die Plätze spannend.
Am knappsten und aufregendsten war das Rennen der Frauen. Sanne Cent gewann verdient im Sprint vor Marianne Vos. Die Führung hat in den letzten Runden ständig gewechselt. Beide hatten Sturz bzw. Materialpech. Das war ganz grosser Sport!
Wie von einem anderen Stern sind Matthieu van der Poel und Wout van Aert gefahren. Die Aufholjagt von Wout van Aert, als dieser dem früh enteilten van der Poel hinterher ist, diese unbedingte Entschlossenheit im Blick, wow, das live zu sehen, das hat schon was gehabt. Am Ende hatte der Niederländer zu viele platte Reifen (vier) und das auch noch an ungünstiger Stelle, um dem Belgier Paroli bieten zu können. Das war schade, gehört aber wohl auch zu diesem Sport. Bemerkenswert ist, dass unter den ersten Zehn im Elite Rennen nur drei Fahrer nicht aus Belgien oder den Niederlande waren! Auf einem sehr starken zehnten Platz war der Deutsche Sascha Weber! Chapeau an dieser Stelle!




Die Fahrer:
Erstaunlich war die Spanne zwischen den Besten und den Letzten in jedem Rennen. Wo die Spitze auch bei den schwierigsten Stellen im Sattel blieb, wurde hinten im Feld munter gestürzt und geschoben. Schnell waren Minuten zwischen den Fahrern und Fahrerinnen, die Letzten kassierten teilweise mehrere Runden. Und dabei sind auch die Fahrer im hinteren Teil in ihren Ländern die Allerbesten. Soviel Talent, Training und Hingabe sind notwendig um in eine Nationalmannschaft zu kommen und dann auch noch selektiert zu werden! Nur um dann die eigenen Grenzen so brutal aufgezeigt zu bekommen. Was ist das doch für ein langer, harter und steiniger Weg zur Spitze.




Die Fans
waren mit das Tollste an dieser Weltmeisterschaft. So viele Nationen, so viele Leute haben den Weg nach Luxembourg gefunden und nicht nur ihre eigenen Fahrer angefeuert. Eine einzige große, friedliche, ausgelassene Party. Über 28.000 Zuschauer wurden gezählt. Als ich den Schnapskanister der Schweitzer fotografieren wollte, habe ich statt einem Foto einen Becher Kafi Luz bekommen. Ein Schweitzer Nationalgetränk bestehend aus heissem Wasser, Schnaps und etwas Kaffee. Hopp Schwiiz!





Die Organisation:
Da gab es nichts zu mäkeln. Von dem was ich gesehen habe, hat alles hervorragend funktioniert. Die Einlasskontrollen gingen erstaunlich flott über die Bühne. Der im Vorfeld angekündigte Bann von Rücksäcken, Fahnen, Essen und Trinken würde allem Anschein nach dann nicht ganz so rigoros umgesetzt. Gut so. Es gab ein riesiges, ein großes und mehrere kleine Festzelte mit DJ-Musik und maximaler Party-Stimmung. Es war nie weit bis zum nächsten Bierstand oder einer der Fressbuden. Das Essen war zwar teuer, aber wohl im Rahmen dessen, was man auf solch großen Veranstaltungen bezahlen muss. Dafür ging es flott und die Fritten waren wirklich gut.


Ach ja, und einen Flitzer gab es auch:

Vielemols Merci an Sergio, der mir erlaubt hat das Video hier zu zeigen.


Links:
Weitere Bilder gibt es in meinem Flickr Album.
Ergebnisse und Berichte findet ihr auf Cyclingnews
Videos der Rennen gibt es auf dem UCI YouTube Channel

Donnerstag, 26. Januar 2017

Doch mal wieder Rapha

Gerade ist ja Winterschlussverkauf-Saison. Die Winterklamotten müssen raus! Die neue Kollektion naht. Zeit für Schnäppchenjäger. Nicht nur im Textileinzelhandel, auch bei den Radsport-Fashion-Klamotten-Buden im Internet.

Seit Rapha nicht mehr Team Sky sponsort, dafür aber Canyon Sram und die Damen dort mit einem wirklich tollen Trikotdesign ausgestattet hat, ist mir die Marke wieder ein gutes Stück sympathischer geworden. In der Vergangenheit habe ich mit Rapha ja so meine Probleme gehabt. Hier und hier nachzulesen.

Nun ist Rapha in den letzten Jahren ordentlich gewachsen, genauso wie wahrscheinlich die Lagerbestände. Diese am Ende der Saison loszuwerden um Platz für Neues zu schaffen ist Aufgabe des Schlussverkaufs, der dann wohl auch etwas größer ausfällt. Inzwischen bekommt man sogar kurze Trägerhosen zu reduzierten Preisen, nach dazu in normalen Größen, also nicht nur xs und xxl. Und selbst gegen Ende des Aktionszeitraumes gibt es immer noch reichlich Auswahl. Das alles war in der Vergangenheit mal anders.

Lange Rede kurzer Sinn, ich habe mal wieder was bestellt. Trinkflaschen, Lenkerband, eine Wintermütze und ein Langarmtrikot. Für teilweise weniger als die Hälfte des ursprünglichen Preises  konnte ich nicht widerstehen. Was die Sachen taugen, dazu vielleicht später. Was mich aber schon jetzt sehr beeindruckt hat war die Verpackung. Wow! Sehr aufwendig, sehr stylisch, sehr wertig, toll anzuschauen und anzufassen und irgendwie zu schön zum wegwerfen. Da hat sich jemand sehr viele Gedanken gemacht, um das Produkt toll zu präsentieren. Das ist schon was anderes als die Bestellung, die man von den üblichen Versandhändlern bekommt.

Der Winter-Sale geht übrigens noch bis Sonntag, das ein oder andere Schnäppchen ist sicher noch zu machen.






Sonntag, 22. Januar 2017

Salzige Straßen

Das war heute eine wirklich bemerkenswerte Runde. Nicht wegen der Länge, der Berge, der Durchnittsgeschwindigkeit, der Leistung oder sonstiger Radsport Metriken, sondern wegen der Kälte. 3 Stunden und das Thermometer hat durchweg ein Minus vor der Zahl angezeigt. Kann mich nicht daran erinnern wann ich zuletzt so lange in solcher Kälte unterwegs war und dabei überhaupt nicht gefroren habe, weder an den Füßen, noch an den Händen. Es scheint, ich habe heute mal die richtige Anzahl an Schichten getroffen. Diese Einmal-Heizpads für die Schuhe kann ich an dieser Stelle nur wärmstens empfehlen, im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht war es aber auch gar nicht kalt, mir ist nämlich ein Radfahrer ohne Handschuhe entgegengekommen. Ohne Handschuhe! Bei Minus Fünf Grad! Wahnsinniger.

Und was liegt ein Salz auf der Straße! An manchen Stellen hätte es sich gelohnt mit Besen, Schaufel und Eimer anzurücken, man hätte genug aufkehren können um für einige Zeit den Gehweg zuhause zu streuen.

Die Sonne war heute übrigens genauso strahlend wie meine Laune. Die Geschichte mit dem Bein scheint jetzt doch endlich ausgestanden zu sein, ab und an zwackt es zwar noch ein wenig und auch vom Kraftraum werde ich mich noch eine ganze Weile fern halten, ansonsten ist es aber ok. Kann also wieder los gehen! Jetzt nur nicht übertreiben. Nächstes Wochenende ist erstmal die Cross WM in Luxembourg und im Februar werden ein paar Grundlagen Kilometer gesammelt. Ist ja der richtige Monat für lange Stunden auf dem Rad.









Samstag, 21. Januar 2017

Thereabouts

Gestern war die Premiere von Thereabouts 3: Discovering Colombia. Während einer guten Stunde begleitet man Gus and Lachlan Morton bei einer wilden Reise durch Kolumbien. Natur Straßen, hoffnungsvolle Nachwuchstalente, epische Anstiege mit 4000 Höhenmeter (!), allerlei kulturelle Besonderheiten und teils atemberaubende Landschaftsbilder bilden den Rahmen für das Abenteuer in Südamerika.

Lachlan Morton war eines der hoffnungsvollsten Nachwuchstalente Australiens. Ende 2012 fuhr Lachlan als Stagiaire für Garmin Sharp und wurde für die Jahre 2013 und 2014 unter Vertrag genommen. Mit nur 21 Jahren gewann Lachlan die Nachwuchswertung der USA Pro Challenge und eine Etappe und die Nachwuchswertung der Tour of Utah. Nach diesem stellaren ersten Jahr verlief 2014 ernüchtern. Lachlan konnte nicht an seine Erfolge anknüpfen und verlor den Spaß und die Motivation nicht nur am Radsport sondern am Radfahren allgemein.

Angus Morton ist Lachlan's älterer Bruder, ebenfalls Radsportler und war bis 2010 bei Drapac - Porsche Cycling in Australien unter Vertrag. Desillusioniert vom professionellen Radsport beendete Gus seine Karriere früh.

Nach der Saison 2014 begaben sich die beiden Brüder auf eine Reise durch Australen. 2.500 Kilometer von Port Macquarie nach Uluru. Dabei ist Thereabouts #1 entstanden. Die Suche nach dem Spaß auf dem Rad. Die Rückeroberung einer Liebe. Eine erfolgreiche Rückeroberung. 2015 und 2016 fuhren beide gemeinsam bei Jelly Belly in den USA. 2017 wird Lachlan für Dimension Data wieder in der Worldtour starten.

Die Filme zeigen, dass es auch für Profis um den Spaß auf dem Rad geht und es neben strukturierten Training und Rennen, Rennen, Rennen vieles mehr gibt. Auf dem Rad entdeckt man fremde Länder, es geht um Freundschaft, Familie, Abenteuer, den Spaß am Radfahren, um Herausforderungen.




Ach ja, das ist das erste Mal das mein Name im Abspann eines Films erscheint. Ich habe mich an der Kickstarter Kampagne zur Finanzierung des Films beteiligt und alle Unterstützer werden dort aufgeführt:


Links:

Dienstag, 17. Januar 2017

Indoor Cycling de Lux

Noch nie war die Ausrüstung zum Radfahren besser. Immer funktionellere Bekleidung lässt auch lange Fahrten bei widrigem Wetter zu. Von Gabba, GoreTex und Super-Roubaix hätte ich zu meinen Anfängen noch nicht mal zu träumen gewagt. Eigentlich gibt es keinen Grund mehr drinnen zu fahren. Oder doch? Die Indoor Trainingstool Anbieter überbieten sich inzwischen mit immer tolleren Funktionen. Alles wird ständig realistischer, die Strecken und Animationen ausgefeilter. Sogar Windschatten gibt es auf Zwift! War Radfahren nicht mal ein Outdoor-Sport? Und nicht zu vergessen: #outsideisfree!

Gut, zugegebenermaßen gibt es Regionen und Gebiete auf der Welt, in denen im Winter tatsächlich richtig Winter ist, nicht dieses graue Gefusel wie bei uns. Oder in denen im Sommer zu viel Sommer ist, oder es ist zu dreckig, zu gefährlich, die Zeit zu knapp oder was auch immer. Am Ende gibt es dann doch viele gute Gründe zumindest ab und an drinnen zu fahren. In welchem Fall ich es aber bevorzuge richtig Rad zu fahren, inklusive dem Gleichgewicht zu halten und nicht nur zu treten. Aus dem Grund fahre ich lieber auf der freien Rolle.

Bekanntermaßen geht es ja immer noch besser. Das Höchste der Gefühle sind inzwischen Laufbänder zum Radfahren. Tax hat auf der letzten Eurobike ein Gerät vorgestellt auf dem man nicht nur radfahren, sondern auch laufen kann. Mit 8.000 Euro kostet das Gerät aber auch ein Vermögen.


Tax Magnum Homepage

Etwas günstiger ist dieses futuristische Monster auf Süd-Korea. Damit ist man der Star beim nächsten Indoor Radmarathon! Etwa 3100 Euro sind für die "Flachland-Version" und 5850 Euro für die Version mit Steigung-Dings aus dem Video aufgerufen.

Bitelli Homepage / Artikel Bikeradar

Das Gerät das mir am besten gefällt und das preislich, im direkten Vergleich, mit 2.800 Euro auch noch irgendwie akzeptabel erscheint, ist dieses von Oreka. Hier fährt man mit Vorder- und Hinterrad auf mehreren kleinen, eng nebeneinander liegenden Zylindern, über die das Band läuft und das man durch das Fahren unter sich wegzieht. Das Wegziehen wird gebremst, so als ob man mit der Tretbewegung ein Seil aufwickelt, das festgehalten wird. Das Gerät soll in den nächsten Wochen verfügbar sein. Auf der Homepage kann man sich in eine Interessentenliste eintragen.


Oreka Homepage / Artikel Bikerumor

Wem das alles zu klein, mickrig und billig ist und wer mit seinen Kumpels zusammen auf der Rolle fahren möchte, der kann sich von der POMA Maschinen und Anlagenbau GmbH ein großes Laufband in den hoffentlich ziemlich großen Keller einbauen lassen. Da kann man dann auch im Skating Stil drauf Ski laufen oder Rodelanschubtraining durchführen! Solch ein Gerät hat übrigens auch das Heinrich Heine Gymnasium in Kaierslautern.

Foto mit freundlicher Genehmigung von POMA.

Samstag, 14. Januar 2017

Cyclocross Weltmeisterschaft in Luxembourg

In genau zwei Wochen geh es los! Dann findet in Luxembourg die UCI Cyclocross Weltmeisterschaft statt. Ich bin gespannt und freu mich. Heute sind die Karten gekommen!


Dazu vorher auf Unterlenker.com: Cross is coming to Bieles!

EMS und TENS - Raketentechnologie oder Hokuspokus?

Das Versprechen klingt toll. Man klebt sich Elektroden auf die Haut, schließt über Kabel ein kleines Gerät an, wählt ein Programm, lehnt sich zurück und schaut seinen Muskeln beim Wackeln zu. Das soll dann je nach Programm gegen Schmerzen helfen (TENS, transkutane elektrische Nervenstimulation) oder zur Entspannung oder Training beitragen (EMS - Elektromyostimulation). Beides lässt sich unter dem Begriff Reizstrom zusammenfassen und wurde bereits um 1900 von dem Physikochemiker Walther Nernst untersucht (Wikipedia). In einer Bachelor Arbeit zum Thema EMS führt Uwe Marsch auf, dass sich die Anfänge der Elektrotherapie sogar bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Damals hat man sich Zitteraalen, -Rochen oder -Welsen bedient.

Das an der Geschichte mit dem Strom etwas dran ist, lässt sich nicht leugnen. Herzschrittmacher sind so gesehen auch nichts anderes als EMS Geräte: Ein Stromimpuls löst eine Muskelkontraktion aus, in diesem Fall die des Herzmuskels. Zuviel Strom ist aber auch nicht gut, wer schon mal beim Arbeiten an der Elektroinstallation eine "gehuscht" bekommen hat, weiss, dass sich das ganz und gar nicht angenehm anfüllt. Wer nach solch einem Zwischenfall nur kurzfristiges Kribbeln zu beklagen hat, kann von Glück sprechen. Denn die Signalverarbeitung in unser Körper funktioniert mit Strom, vom Gehirn zu den Muskeln genauso wie umgekehrt. Ob wir den Arm heben oder in die Pedale treten, ob sich die Beine schwer oder leicht anfühlen alles wird mit Nervenimpulsen gesteuert. Ein zu viel an Strom kann da sehr schwerwiegende Folgen haben.

Nun muss ich eingestehen, dass Strom für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist. Es gibt Ampere, Volt, Wellenformen und Frequenzen. Meinen Physiklehrern ist es nie gelungen, mir das irgendwie verständlich zu vermitteln. Vielleicht hat es mich damals auch einfach nicht interessiert. Wahrscheinlich war ich in Gedanken beim Radfahren.

Wie auch immer, den Umstand, dass Nervenimpulse im Prinzip nichts anderes als elektrische Ströme sind machen sich Reizstrom Geräte zunutze. Je nach Anwendung versucht man damit die Muskulatur oder das Schmerzempfinden zu manipulieren. Die Signale aus dem Gehirn werden mit Signalen aus der Dose ersetzt bzw. überlagert oder verstärkt.

Die Bandbreite an mobilen Reizstrom Geräten für den Hausgebrauch ist dabei immens. Das fängt bei 30 Euro für einfache Geräten mit zwei Kanälen an und endet bei weit über 1.000 Euro für die besten  Modelle des Markführers Compex mit allem Pi-Pa-Po. Worin liegt der Unterschied? Denn Strom ist ja Strom, oder? Elektronen fließen vom Minuspool zum Pluspool. Was kann ein Compex besser ein günstiges Model? Und wie fühlt sich das mit dem Reizstrom überhaupt an?

Sanitas SEM 44

Um das herauszufinden habe ich mir letztes Jahr bei Amazon für um die 40 Euro ein Sanitas SEM 44 gekauft. Ein EMS / Tens Gerät mit zwei Kanälen und 44 verschiedenen Programmen. Zwei Kanäle bedeutet dabei, das man zwei Elektroden Paare anschliessen und getrennt steuern kann. Die Anleitung ist nicht sehr umfangreich, erklärt aber ganz gut einige Grundlagen der Reizstrom-Anwendung und gibt Auskunft zur Elektroden Platzierung und Anwendung des Gerätes (hier online). Das Gerät wird von drei AAA Batterien gespeist, die bis jetzt noch kein Anzeichen nachlassender Spannung zeigen. Die Bedienung ist weitgehend selbsterklärend, lediglich zum Nachschlagen der Bedeutung der Programme benötigt man die Anleitung. Massage 7 ist zum Beispiel ein Programm zur Schultermassage. Das Pictogram zeigt an, wo die Elektroden in etwa platziert werden, die Anleitung hält aber auch hier genauere Informationen bereit.


Bisher habe ich das Sanitas hauptsächlich zur Entspannungsmassage und zur Schmerzbehandlung an der Schulter und in den letzten Wochen am Bein verwendet (wegen der Geschichte mit der Leiter). Einige wenige Male auch zum Aufwärmen vor einem Rennen. Die EMS Trainingsprogramme habe ich nicht probiert. Die ersten Male fand ich das Ganze etwas gewöhnungsbedürftig und es dauert ein bisschen, bis alle jeweils in Frage kommenden Programme durchprobiert und die gefunden sind, die individuell am angenehmsten sind. Es gibt nämlich auch durchaus welche, die das nicht sind. Insgesamt kann ich gegen das Sanitas nichts sagen. Die grundlegende Frage, ob Reizstrom für mich überhaupt in Frage kommt kann ich mit ja beantworten. Vor dem Fernseher sitzen und die Beine zur Entspannung wackeln lassen fühlt sich gut an. Ob es etwas bringt, das ist eine ganz andere Frage, dazu später mehr.

Compex SP 6.0

Die nächste Frage ist nun, sind teure Geräte besser? Was kann der Marktführer Compex, was Sanitas nicht kann? Compex Geräte fangen bei 199 Euro an (Listenpreis Fit 1.0), das Spitzenmodell kostet stolze 1299 Euro. Strom ist Strom, oder nicht? Darüber habe ich mich im Oktober letzten Jahres bei der SportMedica in Luxembourg mit einem der Aussteller unterhalten. Gerardo Simoes von CenterMed hat sich meinen überaus kritischen und hartnäckigen Fragen geduldig gestellt und mir angeboten, mir meine Fragen detailliert zu beantworten und ein Compex Gerät zum testen auszuleihen.

Gesagt, getan, Ende des Jahres bin ich nach Luxembourg zu CenterMed gefahren und habe mir die Compex Geräte erklären lassen. Compex kommt aus der Schweiz und feierte 2016 sein 30 jähriges Firmenjubiläum. Heute gehört Compex zu DJO Global, einem weltweiten Anbieter von Gesundheitsprodukten aus den USA. Auch ohne irgendwelche Branchendaten zu kennen, kann man Compex wohl zu Recht als Marktführer bei der Elektrostimulation bezeichnen, zumindest für den Endverbraucher-Markt. Wer sich so lange mit hochpreisigen Produkten auf einem Markt behaupten kann, der sicher anfällig ist gegenüber günstigen Nachahmer Produkten, muss einiges richtig machen.

Das Samsung Desaster mit den in Flammen aufgehenden Handys hat vor Augen geführt, dass es bei der Konstruktion und Verarbeitung von elektronischen Bauteilen wirklich darauf ankommt, keine Fehler zu machen. Ein Handy hat man "nur" in der Hand oder in der Tasche, bei Reizstromgeräten klebt man sich Elektroden auf die Haut und schickt Strom in seinen Körper. Dort sollte dann alles stimmen. Kabel und Verbindungen dürfen keine Wackelkontakte haben, die Akkus oder Batterien müssen die Spannung ohne Schwankungen abgeben und die verbaute Elektronik muss tadellos funktionieren. Das alles traue ich den Compex Geräten unzweifelhaft zu.

Als weiteren Vorteil führt Compex die Art des Stromes an. Compex verwendet ausschließlich einen biphasischen Strom, dabei fließen die Elektronen zunächst von Elektrode A nach B und dann gleich wieder von B nach A. Wenn man das ganze grafisch darstellt sieht das ungefährt so aus:

Bi-Phasischer, symmetrischer Strom

Die Flächen sind dabei jeweils symmetrisch und die Spannung baut sich nicht langsam auf, sondern ist direkt da. Dadurch soll der Strom besonders schonend und schmerzfrei unter die Haut kommen. Bi-phasischer Strom an sich ist dabei allerdings kein Compex Alleinstellungsmerkmal, jeder Defibrillator und auch das Sanitas Gerät nutzt diese Art von Strom. Therapeutische Reizstromgeräte haben hier oftmals eine große Auswahl an verschiedenen Kurven.

Um das auch in der Praxis testen zu können, hat mir Centermed für eine gute Woche ein Compex Sport 6.0 ausgeliehen. Dieses zweithöchste Model der Compex Hierarchie ist wireless, die Elektroden sind nicht über Kabel mit der Steuereinheit verbunden. Stattdessen gibt es vier Paar Impulsgeber, die jeweils mit einem Kabel untereinander verbunden sind und direkt an den Elektroden befestigt werden. Das ist insbesondere dann von Vorteil, wenn man mit dem Gerät ein EMS-Training durchführt.



Das Display der Bedieneinheit ist gut abzulesen und hell beleuchtet. Das Menü führt durch die Programme und gibt ausreichende Hinweise zur Platzierung der Elektroden. Eine echte Besonderheit der Compex Geräte sind die unterschiedlichen Mi Funktionen. Dabei wird der Widerstand der Muskulatur gemessen und die Einstellungen des jeweiligen Programms optimiert. Insgesamt gibt es vier Mi-Features: Scan, Range / Autorange, Tens und Action. Alle sind aber nur bei dem teuersten Gerät enthalten, die einfachen Modelle verzichten auf diese Funktionen

So weit, sehr schön, sehr schick. Wie fühlt es sich an? Tatsächlich hatte ich im direkten Vergleich den Eindruck, dass der Compex angenehmer ist als der Sanitas. Letzterer "zwickt" schon mal etwas. Wirklich aufgefallen ist mir das aber nur mit dem Compex an einem Bein und dem Sanitas an dem anderen. Beides waren Massageprogramme, die mir recht ähnlich erschienen.

Als nächstes hat mich interessiert ob bei einem EMS Training die Parameter Puls und Sauerstoffsättigung in irgendeiner Weise anspringen. Dazu habe ich an den Oberschenkeln ein Endurance Trainingsprogramm in Ruhe durchgeführt, ohne weitere Aktivität. Es finden sich zwar Videos in denen EMS Programme auf dem Hometrainer gefahren wurden, allerdings habe ich keine detaillierte, offizielle Dokumentation gefunden, die die Vorgehensweise erklärt hätte.

So hat das dann ausgesehen, unter dem schwarzen Klebeband ist der BSX Insight.



Grün ist SMO2, rot der Puls. Das Programm hat nicht die kompletten 55 Minuten der Grafik gedauert, sondern war etwas kürzer. Ich habe leider keine Marker gesetzt. Aber auch so sieht man, dass der Puls weitgehend zwischen 65 und 70 Schläge bleibt und die Sauerstoffsättigung leicht ansteigt. Körperliche Belastung sieht anders aus. Der Muskel wird zwar bewegt, ob das aber einen Trainingseffekt hat, Waage ich zu bezweifeln.

Vielleicht ist das ähnlich wie Radfahren mit starrem Gang, wenn man dort "rollen" lässt, drehen sich die Beine ja auch ohne dass man Arbeit im eigentlichen Sinn verrichtet.

Um ein wirklich fundiertes Fazit fällen zu können war mein Test viel zu kurz. Dazu müsste man ein solches Gerät zumindest ein halbes Jahr testen. Aber auch das wäre subjektiv. Daher empfiehlt es sich einen Blick in sportwissenschaftliche Studien zu werfen. Compex verlinkt auf seiner Seite einige Studien die die Wirksamkeit der Elektrotherapie im Allgemeinen und der Compexgeräte im Besonderen belegen. Stellt sich die Frage ob es auch Studien gibt die die Wirksamkeit nicht nachweisen konnten? Wie schätzen Wissenschaftler die Sachlage ein?

Das kann Benjamin von Wattsbehind sehr viel besser beantworten als ich. Benjamin liest sportwissenschaftliche Studien als Student der Sportwissenschaft ja sozusagen von Berufswegen.

Hier geht es zum zweiten Teil >  Elektromyostimulation - Fitter werden auf der Couch?

Fazit


Es ist keine Frage, der Compex ist um Klassen besser als der Sanitas und hat sich tendenziell auch angenehmer angefühlt. Wenn man sich für das Thema begeistert und es mag, kann man durchaus das Geld für einen Compex ausgeben. Es muss ja nicht unbedingt das teuerste Gerät sein. Mit Kabel funktioniert genauso gut, das ist in erster Linie eine Frage des Komforts. Auf der anderen Seite sind 40 Euro für das Sanitas oder etwas vergleichbares keine grosse Investition. Um es einfach mal nur so zu testen, ist das sicher ausreichend.

Die Frage der Fragen lautet: Würde ich mir einen Compex kaufen? Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich würde wohl den SP 4.0, das bessere der beiden kabelgebunden Modelle der Sport Linie kaufen. Das Gerät wird schon für unter 400 Euro angeboten und bietet eine Vielzahl an Erholungs- und Schmerzprogrammen an. Diesen Preis muss man im Prinzip auch mit zwei Sanitas vergleichen um auf die gleiche Anzahl von Kanälen zu kommen. Dann ist der Unterschied im Hinblick auf die ohne Frage bessere Qualität des Compex und der Mi-Features angemessen.

Zum Schluss nochmal vielemols Merci an CenterMed für die Erklärungen und das Test-Gerät, das war immens flott!

Freitag, 6. Januar 2017

Original Keirin

Keirin (von jap. 競輪, Keirin, dt. „Radrennen“) ist eine Disziplin des Bahnradsports. Es handelt sich um eine aus Japan stammende Variante des Sprints; sie wird auch als „Kampfsprint“ bezeichnet. (Wikipedia)

Mittwoch, 4. Januar 2017

AIRhub - Ein Trainingswiderstand Dings

Alle Strava KOM Jäger bitte weiterfahren, hier gibt es heute nichts zu sehen! Mit diesem "Gadget" werdet ihr nämlich langsamer fahren statt schneller, zunächst.

Die AIRhub ist ein System zur Trainingssteuerung auf der Straße. Diese Nabe erzeugt zusätzlichen Widerstand, der nach verschiedenen Modi einstellbar ist. Statt auf dem Flachen mit einem gepflegten 30er Schnitt und, sagen wir, 250 Watt dahin zu rollen, muss man auf einmal 300 Watt aufbringen. Oder entsprechend langsamer fahren. Wo bleibt da der Spass? Wo es doch beim Radfahren darum geht möglichst schnell zu fahren. Und ein Training ist erst dann ein Training, wenn man einen 30er Streifen fährt, mindestens! Oder doch nicht? Kommt es nicht vielmehr darauf an im Rennen möglichst schnell zu fahren?

Um es vorweg zu nehmen, AIRhub ist ein Gerät für ernsthaftes Training mit Herzfrequenz und Leistungsvorgaben, mit genau getimten Intervallen und klarer Struktur, für Leistungssportler und Profis. Wer all das nicht ist, nicht hat oder braucht und nur zum Spaß fährt wird für AIRhub keine Verwendung haben.



Also was ist AIRhub nun genau? Die ziemlich überdimensionierte Vorderradnabe enthält eine elektromagnetische Bremse, die den Widerstand um bis zu 100 Watt erhöhen kann. Das Laufrad wiegt über 2 Kilo, hat eine normale Alufelgen und Speichen. Der Clou dabei ist die Steuerung des Widerstandes. Über eine App auf dem Smartphone (wo sonst heutzutage) kann man zwischen vier Modi wählen:
  • Manueller Modus: Hier kann man zwischen 0 und 100 Watt an Widerstand einstellen, die man zusätzlich zu der eigentlich erbrachten Leistung überwinden muss.
  • Puls Modus: Nach Vorgabe einer Herzfrequenz wird der Widerstand so verändert, dass der Puls in einem engen Band bleibt. Steigt der Puls, fällt der Widerstand und umgekehrt. Das ist insbesondere bei langen Intervallen interessant, bei denen man lt. Terrain Dynamics aufgrund des HR-Drifts besser nach Puls statt nach Leistung fährt. Relevant zum Beispiel für eine Tempo Einheit von einer Stunde und mehr. Schon mal versucht eine bestimmte Herzfrequenz genau zu halten? Das ist gar nicht so einfach.
  • CDA Modus: CdA beschreibt die Fläche die den Luftwiderstand ausmacht (engl. Drag Area). Der Effekt des Luftwiderstandes ist ja, das er exponentiell ansteigt, wenn man doppelt so schnell fährt, muss man nicht doppelt so viel, sondern ein vielfaches an Leistung erbringen. Dies simuliert der CDA Modus. Je schneller man fährt umso stärker ist die Bremsleistung.
  • Power Modus: Hier gibt man ein Wattziel vor, die AIRhub liest die Leistung des Powermeters und regelt die Bremsleistung so, dass die Gesamtleistung genau der Vorgabe entspricht. Wer jemals versucht hat eine Wattvorgabe selbst unter idealen Bedingungen auf der Straße genau zu halten, weiß wie schwer das ist.
Darüber hinaus kann die AIRhub auch als Ausgleich zwischen verschieden starken Trainingspartner fungieren. Sagen wir ich fahre zwei Stunden mit meinem Sohn, meine Durchschnittsleistung wird dann vielleicht 120 Watt betragen. Das ist im unteren Kompensationsbereich, kurz über auf dem Sofa sitzen. Wenn ich dort 100 Watt draufpacken könnte, hätte ich ein gutes Grundlagentraining. Das gilt natürlich umso mehr für Profis, die ansonsten immer alleine fahren müssen, um ihre spezifischen Trainingsziele zu erreichen.

Zusätzlich hat nicht jeder für jedes Training das passende Terrain zur Verfügung. Der längste Berg den ich zum Beispiel fahren kann ist etwa eine halbe Stunden lang, bis dorthin brauche ich über eine Stunde. Je nach dem was man trainieren möchte geht das dann nicht mehr auf. Berg zu kurz. Zeit zu knapp. Mit dieser Nabe können auch Flachlandtiroler stundenlanges Bergtraining absolvieren.


Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob eine solche Genauigkeit überhaupt notwendig ist. Wenn man allerdings diesen Ansatz verfolgt und die Trainingsvorgaben wirklich treffen will, ist das eine sensationelle Sache, wie ich finde. Besser als bei schönen Wetter Einheiten auf dem Hometrainer zu fahren. Kosten tut der Spaß 1.950 AUD, also etwa 1.350 EUR (ohne Zoll, Steuern und Versand).

Kopf der Firma Terrain Dynamics ist der Australier Michael Freiberg, der 2011 Weltmeister im Omnium war. Also ohne Frage jemand der sich mit Radsport auskennt.

Mehr Infos gibt es auf der Homepage Terrain Dynamics, ein Blick lohnt sich.