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Samstag, 3. November 2018

Spannende Zeiten

Der Radsport im Allgemeinen und der Straßenradsport im Besonderen erlebt gerade eine spannende Zeit. Immer neue Spielarten des sportlichen Radfahrens finden ihre Anhänger. Seit einigen Jahren boomen die Fixed Gear Kriterien, die mit der Red-Hook Serie internationale Bekanntheit erreicht haben (In diesem Zusammenhang hörenswert: Die aktuelle No Brakes Folge des Cycling Podcasts). Die Brevet Szene erlebt eine neue Blüte, die Audax Vereinigungen verzeichnen mehr und mehr Mitglieder und alle paar Wochen kann man über alte und neue spannende Veranstaltungen lesen (TCR, TCR, Three Peaks, PBP). Abseits der Straßen werden die neuen Gravelbikes über Stock und Stein gejagt. Gravelevents von schnell bis langsam, von Spaß bis Sport schießen aus dem Boden. Bei den Veranstaltungen der Jedermann-Szene und den Rad-Marathons in den Alpen stehen regelmäßig Tausende am Start, bezahlen teils horrende Startgebühren und nehmen weite Anfahrten auf sich. Abseits des Sports erlebt das Fahrrad als Fortbewegungsmittel eine Renaissance und der Verteilungskampf um den Platz auf den Straßen der Städte hat gerade erst angefangen.


Auf der anderen Seite musste dieses Jahr mit Quick Step sogar eine der erfolgreichsten Mannschaften der Worldtour lange nach einem neuen Sponsor suchen. Die Lizenzrennen darben seit Jahren unter abnehmenden Teilnehmer- und die Vereine allgemein unter sinkenden Mitgliederzahlen. Rennklassen werden zusammengelegt und Traditionsveranstaltungen eingestellt. Dabei ist der Straßenradsport immer noch das Maß aller Dinge. In keiner anderen Sparte des Radsports stehen so vielen Fahrer, Sportliche Leiter, Mechaniker, Trainer und Betreuer in Lohn und Brot. Während nur einige wenige Top Fahrer vom Mountainbiken leben können, die wenigen Bahnfahrer meist vom Staat alimentiert werden und in anderen Sparten Amateure und Hobbysportler weitgehend unter sich sind, eröffnet der Straßenradsport echte Karrieremöglichkeiten. Auch wenn sicher viele Verträge gerade nur mit dem UCI Mindestlohn vergütet werden, sind es doch Arbeitsverträge mit realem Cash-Flow. Das gilt prinzipiell selbst für den Frauenradsport, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Und wenn man die Leute auf der Straße nach Radsport fragt, enthält die Antwort unweigerlich das Schlagwort “Tour de France”.

Während viele noch über die Gründe und mögliche Lösungen diskutieren, probieren einige Protagonisten neue Dinge aus. Vor einigen Jahren haben sich Worldtourteams zu “Velon”, einer Art Vermarktungsgesellschaft, zusammengeschlossen. Die Onboard Videos waren anfangs ganz interessant, nutzen sich in der jetzigen Form von kurzen Highlight Videos auf Youtube aber schnell ab. Die Hammer Series ist zu gewollt und künstlich und wird schwerlich ein Erfolg werden. Die neuste Wende ist die Zusammenarbeit von Rapha und dem Woldtour Team EF Education First - Drapac pb Cannondale. Die Zusammenarbeit soll weit über das übliche Sponsoring hinausgehen. Einige Fahrer des Teams werden ein alternatives Programm fahren und an Fixed Gear Kriterien, Gravel Events und Ultra Endurance Rennen teilnehmen. All das wird von Rapha medial begleitet. Die Filme und Features werden mit Sicherheit eine großartige Sache sein, der man gespannt entgegen sehen kann. Spannend wird auch sein, wie sich die Profis schlagen werden, ob und wie sich die jeweilige Szene verändern wird und wie dort die unweigerliche Professionalisierung aufgenommen wird. Auf WHATTSBEHIND hat Benjamin vor einigen Tagen über den Rapha - Education First Deal ausführlich und sehr lesenswert geschrieben. Am ersten November hat der Rennstall die Verpflichtung von Lachlan Morton bekanntgegeben, der in der kommenden Saison wieder im Argyle Trikot fahren und einer der Fahrer des alternativen Rennprogramms sein wird. An dieser Stelle habe ich schon öfter über die Arbeit der beiden Morton Brüder geschrieben, die besonders mit der "There About's" Film Reihe bekannt wurden. Das lässt einiges erwarten!

In Deutschland versucht der BDR hingegen mit einer Lizenzreform dem negativen Trend bei den Lizenzrennen entgegenzuwirken. Caro von Ciclista.net hat darüber geschrieben und ich teile ihre Ansicht, dass diese Reform kein Befreiungsschlag ist. Die strukturellen Probleme, mit denen Vereine zu kämpfen haben, wie sinkende Mitgliederzahlen, wegbrechendender Nachwuchs, Auflagen bei Genehmigungen von Radrennen, Überalterung und damit oftmals Probleme bei der Digitalisierung, etc. etc., werden durch die Lizenzreform der männlichen Eliteklasse in keiner Weise adressiert. Es wird von Seiten des BDRs, der Landesverbände und der Vereine beträchtlicher Anstrengungen bedürfen, damit der Vereinssport auch in Zukunft relevant bleibt. Vielleicht sind die Probleme im organisierten Radsport aber auch nur Ausdruck einer größeren gesellschaftlichen Veränderung, die den Kampf um Bestleistungen und Medaillen nicht mehr so hoch wertet wie in der Vergangenheit. Selbst dem Internationalen Olympischen Komitee fällt es neuerdings schwer, Ausrichter für seine Spiele zu finden.

Wie auch immer es weitergeht, die Räder werden sich drehen und es wird weiterhin Rad gefahren werden, nur vielleicht anders und vielfältiger als wir es heute kennen.

Sonntag, 7. Oktober 2018

El Imbatido

Da hat es der alte Fuchs Valverde doch tatsächlich geschafft und sich in Innsbruck das Regenbogentrikot des Weltmeisters übergezogen. Nach vier Bronze- und drei Silbermedaillen endlich Gold, mit 38 Jahren! Nur Jop Zoetemelk war ein paar Monate älter, als er Weltmeister wurde.


Im Radsportnetz brach darauf hin ein wahrer Sturm los. Valverde! Ausgerechent Valverde. Glaubt man den Unkenrufen, steht der Radsport mal wieder am Abgrund. Jeder, aber auch wirklich Jeder wäre ein würdigerer Weltmeister als "El Imbatido" (der Unbesiegbare). Paul Kimmage nennt es “Another excrement day for pro cycling”, Velonews ruft einen runden Tisch ein und fragt “How do we feel about Valverde’s world’s win?” und Caley Fretz schreibt auf Cyclingtips “I wish Valverde hadn’t won”. Der Radsport hat den Sieger bekommen, den er verdient. Auch das war auf Twitter zu lesen, was auch immer es bedeutet.

Natürlich kann man manche Fahrer sympathischer finden als andere, gönnt dem Einen den Sieg mehr als dem Anderen. Aber ist es wirklich notwendig, jeden Fahrer und jeden Sieg auf vergangene Verfehlungen zu prüfen? Jedem Sieg einen Glaubwürdigkeitsindex anzufügen? Wie soll der berechnet werden? Wie kann man sich dann überhaupt noch am Radsport erfreuen? Ja, Valverde hat auf immer diese Fußnote in seiner Vita. Operation Puerto, ein DNA Nachweis, juristische Winkelzüge und schließlich zwei Jahre Sperre. Aber kein Schuldeingeständnis, keine Entschuldigung, keine öffentliche Reue. Stattdessen hat der Mann aus Murcia dem Vernehmen nach härter und mehr als je zuvor trainiert und kam mit einem Paukenschlag zurück.

2012 gewann er die Königsetappe der Santos Tour Down Under und wenig später die Andalusien Rundfahrt. Bähm! Die Serie dauert bis heute an. Valverde hat vier mal Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen, fünf mal den Wallonischen Pfeil, fünf mal die Andalusien Rundfahrt, elf Etappen und die Gesamtwertung der Spanienrundfahrt, zwei mal die Dauphiné und zwei mal San Sebastian. Er trug mehrmals das Spanische Meistertrikot im Straßenrennen und im Zeitfahren und hat vor dem Sieg in Insbruck sieben WM-Medaillen gesammelt. Ob Eintagesrennen oder Grand Tour, ob Frühjar, Sommer oder Herbst, Valverde steht am Start und kämpft. Und wenn es nicht für den Sieg reicht, fährt er auch um die Ehrenplätze. Von 24 Gran Tours war er 17 mal unter den Top 10 und 13 mal unter den Top 5.

In der All-Time Bestenliste von Pro Cycling Stats steht Valverde auf Platz acht, nur geschlagen von Merckx, Moser, Anquetil, Kelly, Hinault, de Vlaeminck und van Looy, aber vor Coppi, Gimondi, Bartali oder Indurain. Der nächste noch aktive Fahrer, Peter Sagan, kommt erst auf Platz 23.


Wenn sich der moralische Furor nun über Valverde ergießt, was ist dann mit Merckx, Anquetil, Thurau oder Altig? Hat der Kannibale, der unbestritten größte Radsportler aller Zeiten nicht mehrere Dopingvergehen auf dem Kerbholz? Darf man die Helden der Vergangenheit noch ruhigen Gewissens bewundern? Darf man zu Pantanis Grab pilgern und gleichzeitig Armstrong verurteilen?

Wenn ich Valverde sehe, sehe ich einen Fahrer, der den Radsport liebt, der nie aufgibt und sich selbst nach schlimmen Verletzungen zurück kämpft. Einen Fahrer, der nicht nur Leader, sondern auch Domestike ist. Der eine ausergewöhnliche Konstanz zeigt, über die Saison und die Jahre, dabei aber nie durch “außerirdische” Leistungen heraussticht. Der Panache und Grinta verkörpert wie nur wenige Andere. Der elegant auf dem Rad sitzt. Der Rennen nicht nur mit den Beinen, sondern auch mit Cleverness gewinnt.

Was an dieser Geschichte mit solchen Höhen und Tiefen, mit so viel Emotion und Leidenschaft sollte schlecht für den Radsport sein?


Das Einzige was ich Valverde vorhalten kann, ist dieses furchtbare Kit der spanischen Nationalmannschaft. C’mon Espana, was war da los? Das geht doch wirklich besser! Aber zumindest haben Valverde und Movistar sich für die klassische Weltmeister-Kit Variante mit schwarzer Hose entschieden!



Bilder: Bettini Photo, Pressebilder WM Innsbruck

Links:
Valverde auf Pro Cycling Stats und Wikipedia
Die offizielle Seite der WM in Innsbruck
David Millar schrieb zu Valverdes Gewinn: I am cool with this, although I need to explain why

Dienstag, 3. Juli 2018

Keep it simple!

Alle Monate auf's neue findet sich in fast jedem Radsport-Magazin eine Strecke mit Trainingsplänen: Sechs Wochen bis zum Jedermann-Rennen, Training bei Hitze, Polarized Training für Hobbysportler, Nüchterntraining, Intervalle und dazu Crossfit, Gewichtheben, Coretraining, Stretching und und und. Das gleiche findet sich in vielfacher Ausfertigung im Internet. Dazu kommt ein ganzes Heer an Experten und Gurus, die auch noch dem gemütlichsten Hobbysportler eine Leistungsdiagnostik verkaufen und einen ausgeklügelten Trainingsplan mit vielen Zonen und fiesen Drills gleich mit dazu.

Nur, eigentlich ist das alles egal. Vor einigen Wochen habe ich auf einer Trainingsfahrt einen Fahrer getroffen, der an dem ein oder anderen Jedermann Rennen teilnimmt, ansonsten meist RTF's fährt und sich in der Vergangenheit auch mal an Lizenzrennen der Amateurklasse probiert hat. Das ganze durchaus mit dem Anspruch seine beste Leistung abzurufen und sich stetig zu verbessern. Wie wir so nebeneinander fahren kamen wir kurz auf Training und Leistungsdiagnostik zu sprechen und er erzählte, dass er es letztes Jahr wissen wollte und ein richtig fettes Paket von einer der führenden deutschen Trainingsfirmen gekauft hat, mit mehreren Leistungstests und detailliertem Training und was man sonst noch für wahrscheinlich ziemlich viel Geld bekommt. Die Verbesserung blieb leider weit hinter seiner Erwartungen zurück. Der gemessene FTP Wert war auch am Ende des Jahres ungefähr dort, wo er zu Beginn war.

In dem Zusammenhang kam mir nochmal ein Artikel von Steve Magness in den Sinn. Steve Magness ist ein Leichtathletik Trainer aus den USA und dürfte nur wenigen im Radsport bekannt sein. Sein Fachgebiet ist in erster Linie die Ausdauerseite des Laufens auf der Bahn, Cross Country und Marathon. Er hat von Olympioniken, Weltmeisterschaftsteilnehmern und Top 10 Marathonern bis hin zu Nachwuchssportler alle Klassen trainiert. Dazu hält er Vorlesungen und publiziert Bücher. Sehr empfehlenswert ist sein Podcast "Science of Running" und der wöchentliche Newsletter, sofern man sich für Trainingslehre und Coaching interessiert.


In dem Newsletter vom 13. März schreibt er unter der Überschrift "Don't Split Hairs" über einen Freund, der für die Detroit Pistons (Basketball) arbeitet und aufgrund des Rates des Fitness Coaches angefangen hat Gewichte zu heben. Denn, so der Coach, Gewicht-Training hat einen "Nachbrenneffekt" und verbraucht daher mehr Fett als Cardio-Training. Es geht Magness dabei aber nicht darum ob diese Aussage stimmt, sondern dass es überhaupt keine Rolle spielt. 99% der Leute trainieren um gesund zu sein und sich gut zu fühlen, inklusive der "Hobby-Leistungssportler". Nur für die Allerwenigsten, die tatsächlich ihr Haupteinkommen mit dem Sport erzielen und auf einem Weltklasseniveau antreten, gelten andere Regeln.

Für die Mehrheit aber ist das beste Training dass, das einen hart arbeiten lässt und das man konsequent verfolgt. Das ist alles. Just move, and move regularly.

Weiter schreibt er, dass der Stoffwechsel in erster Linie eine Funktion der Kalorien Zufuhr versus des Kalorienverbrauches ist. Der Bewegungsapparat kann durch Laufen genauso gut wie durch Gewichtheben oder Cross-Fit (oder viele andere Aktivitäten) trainiert werden. Das Herzkreislaufsystem wird durch jede Aktivität verbessert, die den Puls nach oben bringt und einen schwitzen lässt.

Das einzige was demnach zählt ist, dass man regelmäßig trainiert, bei einem einmal gefassten Plan bleibt und mehr Tage genießt als dass man es leid ist. Das ist alles. Ganz einfach. Wenn man ein paar grundlegende Dinge berücksichtigt, spielt nichts anderes mehr eine Rolle.

And therein lies the lesson of this rant. For so many things in which there are multiple approaches—for example: fitness, nutrition, and learning style—once you've ticked off a few basics, nothing else matters. Consider diet. The best predictor of success is adherence. Not amount of carbohydrates. Not amount of fat. Not amount of eating after 8 PM. Just whether or not you sticked to your plan.

Das Einhalten eines Planes wird umso einfacher, je mehr Spass man dabei hat. Eine Diät mag noch so gut sein, wenn es nicht schmeckt, wird man sich nicht dauerhaft dran halten. Ein Trainingsplan kann noch so große Verbesserungen versprechen, wenn man sich nicht dran hält (weil die Drills eine Qual sind), hilft er gar nichts. Man sollte nicht ein Training dem anderen wegen eines "Nachbrenneffektes" vorziehen, oder weil die "Kinetische Kette besser ausbalanciert" wird. Man sollte trainieren, was und wie es einem Spass macht, was einen hart arbeiten läßt und was sich gut anfühlt. Für die meisten Leute in den meisten Fällen ist dass das einzige was zählt.

Hier geht es zu dem originalen Artikel in Englisch

Was bedeutet dass nun für Radsportler? Zuerst die Basics:
  • Ausreichend Schlaf
  • Gesunde, ausgewogene Ernährung
  • Etwas Ausgleichssport: Schwimmen, Laufen, Gewichte heben, Stabi oder was auch immer der eigenen Vorliebe entspricht
  • Dehnen
Das Radfahren selber sollte in erster Linie Freude machen. Wer gerne Berge hochfährt soll Berge fahren, wer gerne flach fährt bleibt im Tal. Wie schon Eddy Merckx gesagt hat: "Fahre so viel oder so wenig, so weit oder nicht so weit wie du willst, Hauptsache ist du fährst". Wer dann etwas zielgerichteter trainieren will, legt die kurzen, intensiven Einheiten in die ersten Tage der Woche und die langen, ruhigen Fahrten ans Ende. Es sollte immer genug Regeneration eingeplant werden, lieber mehr als weniger. Nach drei bis vier anstrengenderen Wochen sollte eine ruhige Woche folgen. Alles darüber hinaus ist nur noch marginal. Ob man 30/30 oder 20/40 Intervalle fährt, Over/Under Einheiten, Tempo, Sweet Spot oder ein polarized Training  absolviert, alles egal. Sportwissenschaftlich und trainingsmethodisch ist das Alles reizvoll und hat ohne Frage seine Berechtigung, nur bei der RTF, dem nächsten Jedermann- oder Lizenz-Rennen wird es keinen oder kaum einen Unterschied machen.

Daher, geht raus und fahrt euer Rad wie auch immer ihr gerade Lust habt und nicht wie es der neueste Trainingsplan vorschlägt. Aber immer mit Style! ;-)

Samstag, 18. November 2017

NO TALENT. TOTAL LOSERS. VERY SAD!

Ha, das Radmagazin Tour berichtet in der aktuellen Ausgabe 12/2017 über Strava-isten, die sich doch tatsächlich virtuell messen und KOMs jagen. Rowdies! Rücksichtslose Egomanen! Seelenlose Radzombies! tönt es gleich aus der Radsportblogospähre.

Also ich glaube ja, dass diejenigen, die den virtuellen Wettbewerb als die Ausgeburt des Teufels ansehen, selber nur nix drauf haben und beleidigt sind, dass sie es einfach nicht schaffen auch nur das niedrigst hängende Krönchen zu gewinnen. In bestem Trump-Style könnte man das so kommentieren:

"Some Freds are whining about the great performance of marvelous Stravaists. 
NO TALENT. TOTAL LOSERS. VERY SAD!"

Embed from Getty Images

Übrigens zählt man Strava KOMs nun wirklich nicht einzeln, sondern in Seiten! Phil Gaimon etwa hat deren 50, Thibout Pinot kommt auf 53, Joe Dombrowski auf 38 und Laurens ten Dam hat 84! Da sind meine 11 Seiten im Vergleich ziemlich mickrig.

Dabei zeigt der Artikel in der Tour eigentlich in schöner Weise die Bandbreite auf, in der man das Netzwerk nutzen kann. Manche Fahrer haben besonders ausgefallene KOMs (am steilsten Berg, auf der kleinsten Insel, ohne zu treten, im Fußballstadium). Andere Fahrer haben nichts an der KOM-Jagd, pendeln aber lange Strecken und organisieren sich über Strava. Manche berichten von Freundschaften im echten Leben, die es ohne die initiale virtuelle Begegnung nicht geben würde. Wieder andere nutzen Höhenmeter Rankings als Motivation und als Ziel und ja, es gibt auch einen Fahrer, der den Versuch einen KOM zu verbessern im Krankenhaus beendete. Letzteres ist sicher eine Dummheit, aber wie sagt man: "Shit happens"! Ist ein KOM einen solchen Ausgang wert? Nein, mit Sicherheit nicht. Aber das dürfte die absolute Ausnahme sein und gehört dann wohl dazu.

Egal wie man Strava nutzt, solange es dem Einzelnen Spass macht und niemand gefährdet wird, ist gegen keine der Spielarten etwas einzuwenden. Kann man andere Vorlieben seltsam finden? Mit Sicherheit. Ich finde auch so einiges höchst erstaunlich. Es scheint etwa tatsächlich Leute zu geben, die für ein Segment trainieren, die den Angriff auf die Bestzeit als Saisonhöhepunkt im Kalender stehen haben. Andere fahren jedes Wochenende unglaubliche Distanzen und schütteln die Brevets nur so aus dem Ärmel, nach dem Motto: Lang ist das neue Schnell (Ist das eine jetzt besser als das andere?). Wieder andere entwickeln eine Obsession anderen Fahrern die virtuellen Krönchen streitig zu machen. (Ich habe sogar mal einen Stalker blockiert, der regelmäßig einen Tag nach mir Segmente in Angriff nahm und gezielt meine KOM Liste abklapperte.) 

Das interessante ist die Mischung aus Spass und Ernst. Denn natürlich sind die Bestenlisten auf Strava, egal ob es um Geschwindigkeit, Höhenmeter oder Distanzen geht, nur virtuell. Niemand bekommt einen Profivertrag aufgrund herausragender Strava-Leistungen. Trotzdem macht es Spaß und motiviert. Was ist dagegen einzuwenden? Jeder nach seinem Geschmack.

Wer an der Wettbewerbskomponente von Strava nichts findet, hat alle Möglichkeiten dies auszublenden. Da sind zum einen die Einstellungen zur Privatsphäre, über die man sich in dem Netzwerk weitgehend unsichtbar machen kann. Unter anderem kann man alle (neuen) Aktivitäten grundsätzlich von den Bestenlisten ausnehmen. In den Anzeige Optionen kann man in der Standardansicht nur eigene Leistungen auf Segmenten anzeigen lassen. Weiterhin ist es eine gute Idee die Live-Segmente auf dem Radcomputer einfach auszuschalten, dann muss man auch nichts wegdrücken, was einen nervt.

Am Ende, ob man Strava mag oder nicht, ob man KOMs fährt oder nicht, ohne Radfahren geht es nicht. Also geht raus und habt Spaß auf dem Rad!

Links:

Sonntag, 5. November 2017

Startverbote für Ex-Doper

Die übliche Durchsage am Start eines Lizenzrennens geht in etwa so: "Achtung Fahrer, Euer Rennen geht über 10 Runden oder 60 Kilometer. Gefahren wird nach der Sportordnung des Bundes Deutscher Radfahrer. Die Straßenverkehrsordnung ist einzuhalten. Überrundete oder aussichtslos im Rennen liegende Fahrer können aus dem Rennen genommen werden. Es wird auf eigene Rechnung und Gefahr gefahren. ... Der Start erfolgt in fünf ....".

Am 1. Mai zum Start des Seniorenrennens in Offenbach an der Queich dauerte die Durchsage etwas länger. Der Sprecher wies darauf hin, das der ausrichtende Verein RV Vorwärts 1904 Offenbach seit vielen Jahren eine strikte Anti-Doping Haltung verfolgt und überführte Dopingsünder nicht am Start seines Rennens sehen möchte. Weiter hieß es, dass man aus diesem Grund mehreren Fahrer mit abgelaufenen Sperren den Start verweigert hat. Einer der Fahrer hätte aber rechtliche Schritte eingelegt und da man sich als kleiner Verein dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht aussetzen kann, würde der betreffende Fahrer daher am Start stehen. Ob es unter diesen Voraussetzungen 2018 ein weiteres Seniorenrennen geben wird, sei fraglich, auch weil ansonsten das Engagement des Hauptsponsors zur Disposition stehen würde.

Was macht man in solch einem Moment als Fahrer? Morgens um kurz nach acht und nach 150 km Anfahrt, einen kurzen Moment vor dem Start. Das Rennen gar nicht erst beginnen? Laut protestieren? Den betreffenden aber unbekannten Fahrer ausbuhen? Tatsächlich hat wohl ein einzelner Fahrer seine Nummer zurückgegeben, die anderen 80 sind gestartet.

Senioren Rennen, nicht in Offenbach
Seit diesem Tag denke ich darüber nach, ob der Ausschluss eines Fahrers ein richtiger und wichtiger Schritt im Kampf gegen Doping im Sport ist oder ob es sich um Selbstjustiz handelt. Denn sportrechtlich gilt ein Fahrer nach einer abgelaufenen Dopingsperre natürlich als rehabilitiert. Jemand wird positiv getestet, bekommt eine Strafe nach deren Ablauf er wieder am normalen Sportbetrieb teilnehmen kann. Das ist nicht anders als im "normalen" Strafsystem, dass ja auch nicht auf maximale Vergeltung abzielt, sondern darauf, Straftäter zu läutern und wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

Wenn Vereine und Veranstalter Sportler mit abgelaufenen Dopingsperren pauschal von ihren Veranstaltungen ausschliessen, ist das unter mehreren Gesichtspunkten problematisch:
  • Zunächst ist da die gar nicht so geringe Möglichkeit von fälschlicherweise positiven Tests. Sich gegen ein solches Testergebnis zur Wehr zu setzen ist teuer, die Öffnung der B-Probe kostet genauso Geld wie Anwälte oder, als letzte Möglichkeit, ein Prozess vor dem CAS. Diese Mittel wird ein Amateursportler wahrscheinlich eher selten aufbringen wollen oder können. Die Möglichkeit, dass ein Fahrer unschuldig verurteilt wurde, muss zumindest in Betracht gezogen werden. (etwa Interview Perikles Simon auf Medscape oder ntv)
  • Weiterhin gibt es solche und solche Dopingvergehen. Ein positiver Test auf EPO oder Wachstumshormone hat eine andere Qualität als ein positiver Test durch möglicherweise verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel.
  • Von Berufssportlern kann man sicherlich erwarten, dass diese jedes scheinbar noch so belanglose Medikament auf verbotene Substanzen überprüfen. Bei Freizeitsportlern kann man durchaus Verständnis haben, wenn doch mal ein ephedrinhaltiges Erkältungsmittel eingenommen wird. (Spiegel Online)
  • Natürlich trägt der Sportler immer die finale Verantwortung und jeder kann Nein sagen, wenn Pillen angeboten und Spritzen aufgezogen werden. Trotzdem trifft es zu oft einzig und allein das schwächste Glied, den Sportler. Ärzte, Pfleger, Teammanager, Agenten und andere, die Doping organisieren und dazu verleiten, kommen in der Regel davon. Wahrscheinlich trifft dies im Freizeitbereich aber weniger zu und die individuelle Schuld mag dort höher sein.
  • Und nicht zu letzt: Menschen treffen schon mal falsche Entscheidungen und machen Fehler. Wer noch nie in seinem Leben drauf hoffen musste, dass andere Nachsicht walten ließen und eine zweite Chance einräumten, der führt wahrscheinlich ein ziemlich trauriges und langweiliges Dasein. Ist es nicht viel wichtiger aus Fehlern zu lernen als niemals welche zu machen?
Wenn in all diesen Fällen ein universelles Startverbot ausgesprochen wird, schert man sehr unterschiedliche Situationen über einen Kamm. Die Differenzierung im Strafmaß, die Betrachtung des Einzelfalles, die in einem Dopingverfahren Anwendung findet (oder zumindest Anwendung finden sollte), geht dann verloren. Statt dessen werden Sportler stigmatisiert.

Auf der anderen Seite ist es aber vielleicht gerade notwendig die Abschreckung zu erhöhen und jedem, der auch nur darüber nachdenkt zu unlauteren Mitteln zu greifen, klar zu machen, dass Doping falsch ist und nicht akzeptiert wird.

Heutzutage heisst es oft, dass der Radsport sehr viel sauberer geworden ist und die Zeit der Exzesse vorbei sei. Es gibt den biologischen Passport, die MPCC, die unabhängige Anti-Doping Stiftung der UCI (CADF) und jeder Profi versichert mit unschuldigem Dackelblick, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Das Narrativ einer neuen Generation junger und sauberer Sportler steht leider auf tönernen Füßen. Floyd Landis sagte kürzlich gegenüber Cycling News, dass lediglich einige Bruchstücke neu arrangiert wurden, aber das Spiel immer noch das Gleiche ist, dass sich nichts geändert hat. Paul Kimmage schreibt über die immer noch allgegenwärtige Omerta. In Icarus wird gezeigt, dass Doping auch heute noch unter staatlicher Obhut stattfindet und Kontrollen zu umgehen sind. Im Amateursport sieht es nicht besser aus, in der FAZ schreibt Ralf Meuten über "Herrn F" und zeigt die Schwächen des Anti-Dopingsystems deutlich auf. In der RennRad ist vor kurzem ein detaillierter und vielbeachteter Artikel über Doping im Hobbysport erschienen. Die Möglichkeiten für entsprechend motivierte Freizeitsportler sind nahezu unbegrenzt. Es gibt nur selten Wettkampfkontrollen, keine Trainingskontrollen, kein Passport und keine Bluttests.

All das macht deutlich, dass lange noch nicht genug getan wird um Doping einzudämmen. Wenn man nun als Radsport-Verein unzufrieden ist mit dem, was NADA und BDR für den sauberen Sport tun, wenn man Jugendlichen Vorbilder präsentieren will, zeigen will, dass man mit Doping eben nicht durchkommt, dass man nicht einfach so eine Sperre absitzen und zurück kommen kann, was macht man dann? Auf wen soll man warten? Welche Möglichkeit ausser Startverboten bieten sich, um zumindest die eigene Veranstaltung sauber zu halten?

Selbst nach einem halben Jahr finde ich darauf keine befriedigende Antwort, es ist immer ein für und wider.  Einerseits sollte man Doping nicht bagatellisieren und Nachsicht normalisiert den Betrug, das wurde im Radsport viel zu lange gemacht (Dazu dieser Artikel bei Cycling Tips). Auf der anderen Seite haben härtere Strafen noch selten zu einer Verbesserung geführt, egal auf welchen Gebiet. Einerseits kann ich die Entscheidung der Veranstalter verstehen, Ex-Doper nicht zuzulassen. Andererseits habe ich selber keine Problem gegen Ex-Doper anzutreten. Einerseits sollte man Doping nicht relativieren, andererseits ist es nur Sport und niemand wird ermordet. Wie so oft im Leben gibt es nicht nur Schwarz und Weiß sondern eine ganze Menge Grau-Schattierungen dazwischen.

Ohne Frage wünschenswert ist aber, dass es trotz des Vorfalls in diesem Jahr auch 2018 einen Renntag in gewohnter Breite in Offenbach an der Queich geben wird und der Verein an seinem entschiedenen Einsatz für einen sauberen und fairen Sport festhält. Unabhängig von Startverboten für irgendwelche Seniorenfahrer ist es nämlich diese Einstellung, die den Nachwuchsfahrern des Vereins wichtige Werte vermittelt, über die man verfügen muss um später die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich freu mich über und bitte um konstruktive Kommentare. Äusserungen, die die Lizenzfahrer im Allgemeinen und meine Sportkameraden der Mastersklasse im Speziellen per see als Doper und verbohrte Egomanen verunglimpft, werde ich aber nicht freischalten.

Links:
Antidoping Resolution RV Vorwärts 1904 Offenbach

Sonntag, 30. April 2017

Ein Verteilungskampf

Gerade werden mal wieder besonders verbissen Argumente für und gegen das elektrifizierte Geländefahrrad ausgetauscht, das E-MTB. Vor einigen Tagen hat Ralf Neukirch im Spiegel Online Fahrrad Blog "Radel verpflichtet" über seine Abneigung gegen E-MTB's geschrieben. Er erzählt wie befriedigend es ist, wenn man sich einen Berg ganz alleine aus eigener Kraft hinauf kämpft und wie großartig man sich fühlt, wenn man die entsetzlichen Leiden hinter sich hat. Und wie deprimierend es ist, wenn man dabei von schwatzenden E-Bikern überholt wird, die ihre Zivilisations-annehmlichkeiten die Berge hoch prügeln und diesen kostbaren Moment des Eins-seins mit der Natur zerstören. Der Artikel wurde verbunden mit derart herabwürdigenden Beschimpfungen von E-MTB Fahrern in meiner Timeline geteilt, dass ich mich doch wundern musste und obwohl mich das Thema selber nicht betrifft ein paar Sätze dazu schreiben möchte.

Die grundsätzliche Missbilligung, die Herr Neukirch beschreibt, kann ich dabei durchaus  nachvollziehen. Es ist in der Tat frustrierend, wenn man hart für ein Ziel gearbeitet hat und andere erreichen das Gleiche viel leichter über eine Abkürzung, egal ob im Beruf oder in der Freizeit. Das schmeckt nach Betrug. Der Wanderer, der einen Berg über schmale Stiege erklommen hat, wird missbilligend auf den MTBer blicken, der den Fahrweg genommen hat. Der MTBer wird dann missbilligend auf dem E-Biker blicken, der sich ja gar nicht richtig angestrengt hat. Der E-Biker wiederum wird sich dem Bike-Park Fahrer überlegen fühlen, der gar nicht selber hoch gefahren ist sondern den Lift genommen hat und alle zusammen belächeln die Touristen, die mit der Seilbahn hoch und runter fahren und in leichten Sommerschuhen auf dem Gipfelplateau spazieren gehen.

Allen gemein ist, dass sie ein Naturerlebnis suchen, dass natürlich umso besser und authentischer ist, desto weniger Menschen da sind. So ist es im Kern ein Verteilungskampf um die endliche Resource der Natur. Der technische Fortschritt erlaubt immer mehr Menschen in vormals nur schwer zugängliche Gebiete vorzudringen. Die Liste ist lang:
  • Bessere Straßen in den Bergen und bessere Autos bedeuten auch mehr Verkehr auf den Passstrassen. 
  • Bessere Funktionskleidung, Schuhe usw. erlauben mehr Menschen Wanderungen auch bei nicht mehr ganz so gutem Wetter
  • Klettersteige ermöglichen vielen Menschen ein alpines Erlebnis, dass vorher echten Alpinisten vorbehalten war.
  • Sesselbahnen bringen Menschen auf Gipfel, deren Aussicht vormals nur Bergsteiger genießen konnten
  • Moderne Full-Suspension Bikes lassen auch relativ ungeübten Fahrern schwierige Downhill-Trails fahren
  • und so weiter und so fort
E-MTB's sind da nur die jüngste Errungenschaft. Es erstaunt mich sehr, wenn nun E-Biker von reinen Muskelkraftfahrern auf's wüste beschimpf werden und ihnen ihre Existenzberechtigung abgesprochen wird. Man muss E-MTBs für sich selber ja nicht gut finden (ich für meinen Teil finde das etwa ziemlichen Käse), aber deshalb ist es noch lange nicht zielführend, eine ganze Gruppe pauschal zu verunglimpfen. Das Gefährliche dabei ist nämlich, dass man ganz schnell selber zu einer beschimpften Gruppe gehören kann, z.B. zu den gedopten Strassenfahrern, zu den Rambo-Radlern in der Stadt, zu den Jedermann-Hanseln, den GCC-Möchtegernrennfahrern, zu den RTF-Touris, zu den arroganten Lizenz-Fahrern oder eben zu den E-Bike-Spacken. Am Ende fahren alle Rad. Die Autofahrer und die Wanderer freut es bestimmt, wenn die Radfahrer sich verkloppen statt konstruktiv zur Lösung der in der Tat bestehenden Probleme beizutragen.

Daniel von Coffee and Chainrings hat sich ebenfalls über den Hass, der E-Bikern entgegenschlägt,  gewundert und darüber geschrieben.

Die beste Devise ist wie so oft: Leben und leben lassen.

Links:
Kampf den E-Bikes in den Bergen, NZZ
Argumente gegen E-MTB Rennen, sehr interessant, bringt gut auf den Punkt worum es beim E MTB geht und worum nicht

Sonntag, 19. März 2017

Delegierten Versammlung des Saarländischen Radfahrerbundes

Gestern fand in Saarbrücken die Delegierten-Versammlung des Saarländischen Radfahrerbundes statt. Delegierten-Versammlung bedeutet dabei, dass alle Vereine entsprechend ihrer Mitgliederzahl Delegierte in diese Hauptversammlung senden können. Mehrere Stimmen können dabei nicht auf eine Person vereinigt werden. Hat ein Verein also zehn Stimmen, müssen auch zehn Personen erscheinen um diese zehn Stimmen wahrnehmen zu können. Für meinen Verein, den Tri-Sport Saar-Hochwald war das einfach, wir haben nur zwei Radfahrer, das entspricht einem Delegierten, also mir.

Neben den Delegierten der Vereine haben auch die Präsidiums- und die Ehrenmitglieder ein Stimmrecht. Von den Insgesamt 230 Stimmen erschienen aber lediglich 66, das sind gerade mal 27,8%. Nur 16 der 52 im SRB organisierten Vereine hatten überhaupt Delegierte entsendet. 


Über die Verbände wird ja gerne und zu allen möglichen Gelegenheiten geschimpft und in der Tat gibt es vieles, was man kritisieren kann und auch sollte. Diese Kritik anzubringen und Entscheidungen zum Besseren zu beeinflussen ist bei einer Wahlbeteiligung von unter 30% aber gar nicht so schwer und aussichtslos, wie man landläufig annimmt. 

Insgesamt hat die Liste der im SRB zu vergebenen Posten stolze 29 Einträge. Es gibt den Vorstand,  Koordinatoren und Beauftragte für alles Mögliche, Beisitzer und Kassenprüfer. Einige Positionen sind vakant. Über diese Fülle an "Pöstchen" lässt sich natürlich leicht spaßen und heisst es nicht auch, dass zu viele Köche den Brei verderben? Allerdings engagieren sich all diese Köche zu 100% ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Anfallende Arbeit auf möglichst viele Schultern zu verteilen ist daher durchaus sinnvoll. Wer auf Verbandsebene mitreden und seine Stimme einbringen möchte, kann dies um den Preis einer in einigen Fällen minimalen Arbeitsbelastung leicht tun.


Für allgemeines Erschrecken sorgte der Bericht der Kassenprüfer, die rund 9.700 Euro Aussenstände von Vereinen gegenüber dem Verband monierten. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um jahrelang aufgelaufene Zahlungen von längst geschlossenen Vereinen, sondern um aktuell ausstehende Mitgliedsbeiträge oder Gebühren für z.B. Lizenzen. Für einen kleinen Sportverband wie den SRB ist das eine Menge Geld, die an anderer Stelle fehlt. Das hier eine entschlossenere Gangart notwendig ist, zur Not auch unter Einbeziehung rechtlicher Schritte, fand allgemeine Zustimmung.

Wie wahrscheinlich auf jeder Hauptversammlung seit Jahren kam auch dieses Jahr wieder die Rede auf die Radrennbahn, die der SRB gerne hätte. Pläne dazu gibt es schon seit langem. Und in der Tat ist eine Bahn eine tolle Sache. Ich würde direkt eine Jahreskarte kaufen, um wann immer es geht dort zu trainieren, und hey, ich könnte mir ein Bahnrad kaufen! Mein letzter Ausflug in das Oval liegt schon wieder viel zu lange zurück. Aber ganz ehrlich, so sehr ich persönlich eine Bahn im Saarland befürworten würde, wer soll dort fahren? Auch wenn sich hier die Frage nach der Henne und dem Ei stellt, so halte ich es doch für sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Bahn eine auch nur halbwegs angemessene Auslastung erfahren würde. In dem Zusammenhang fällt es mir ja immer noch schwer zu glauben, dass eine Sanierung der Schanzenbergbahn unmöglich bzw. teurer sein soll als der komplette Neubau einer Anlage (Ich habe darüber schon mal mit dem Präsidenten des SRB gesprochen, kann mich aber nicht mehr an die angeführten Details erinnern). Alternativ könnte eine Zusammenarbeit mit dem Luxemburger Verband über die auch dort seit Jahren im Gespräch befindlichen Bahn versucht werden.

Der einzige Moment, der für etwas Aufregung während der Hauptversammlung sorgte, war die Beantragung geheimer Wahl des Sportlichen Leiters. Dessen Wiederwahl war dann auch die einzige Entscheidung des Abends, die, trotz fehlendem Gegenkandidaten, nicht einstimmig erfolgte. Hintergrund des Ganzen sind wohl Verteilungskämpfe zwischen den Mountainbiker und den Straßenfahrern. Die genaue Ursache ist dabei wahrscheinlich genauso wenig auszumachen wie im Nahostkonflikt und genauso unmöglich ist die Einteilung in Gut und Böse, auch wenn dass die Beteiligten vielleicht anders sehen. In Anbetracht des kleinen Landesverbandes und der wenigen Lizenzen, sollte es meiner Meinung nach gar keine Unterscheidung zwischen den beiden Disziplinen geben. Nachwuchsfahrer sollen beides lernen, ein MTBer kann seine Grundlageneinheiten wunderbar auf der Strasse abspulen und sich durch die Teilnahme an Strassenrennen auch sportlich weiterentwickeln. Genauso sollten Jugendliche, deren Herz für die Strasse schlägt, auf dem MTB Radbeherrschung lernen und sich auch im Gelände behaupten können (Vorbild Sagan). Von Synergien wie gemeinsamem Hallentraining etc. gar nicht gesprochen. Eine möglichst breite Ausbildung ist einer frühen Spezialisierung vorzuziehen.
Ein Weg könnte die Berufung eines einzigen, hauptamtlichen oder zumindest in Teilzeit beschäftigten Landestrainers sein, statt derzeit fünf Trainer, zwei Koordinatoren und einen sportlichen Leiter zu benennen. Ob die Mittel des SRB dazu ausreichen, kann ich nicht beurteilen. Langfristig erscheint mir dies für den sportlichen Erfolg der saarländischen Radsportler aber zielführender als etwa eine Radrennbahn. 

Links:

Donnerstag, 20. Oktober 2016

War ja alles nicht so gemeint!

Der Bund Deutscher Radfahrer muss sich derzeit mit einer unschönen Affäre um seinen Vizepräsidenten Peter Streng beschäftigen und bekleckert sich dabei nicht mit Ruhm.

Herr Streng hat über einen längeren Zeitraum auf seiner privaten Facebook Seite fremdenfeindliche und rechtspopulistische Meldungen unter anderem der rechtsextremen Internetseite "Denken macht frei" und des Kopp-Verlages geteilt. Inzwischen sind diese Posts zumindest auf seinem öffentlichen Profil nicht mehr sichtbar. Der BDR wurde seit längerem auf die gravierenden Verstöße seines Vizepräsidenten gegen die Satzung aufmerksam gemacht. In §6 heisst es: "Der BDR ist nach demokratischen Grundsätzen in freien Wahlen aufgebaut. Parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen sind ausgeschlossen."

Meinungsäußerungen wie die des Herrn Streng sind damit nicht in Einklang zu bringen. Eine Unterscheidung zwischen der Privatperson Streng und dem Vizepräsident Streng ist hier nicht zulässig. Persönliche Integrität ist die fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems mit dem eigenen Handeln (Wikipedia). Für einen Amtsträger des BDR bedeutet dies, sich jederzeit dem Wertesystem des BDR entsprechend zu verhalten. Dieses "amtliche" Wertesystem kann aber nicht beim Verlassen des Büros am Empfang gegen ein gegenläufiges, privates Wertesystem getauscht werden. Wenn man sich in das Amt eines stellvertretenden Präsidenten eines nationalen Sportverbandes wählen lässt, muss man bereit sein, sich jederzeit an dieses Wertesystem zu halten. Ist man dazu aus welchem Grund auch immer nicht bereit oder nicht in der Lage, verliert man nicht nur seine persönliche Integrität, sondern auch die Eignung zum Amt.

In dem vorliegenden Fall finden sich in den verschiedenen aktuellen Berichten nur noch wenige Screen-Shot Schnipsel der ehemals wohl umfangreichen Facebook Timeline des Herrn Streng. Das ganze Ausmaß lässt sich nur noch erahnen. Es war aber zumindest so groß, dass es Spiegel-Online eine Meldung wert war, woraufhin sich der BDR genötigt sah, den Fall zu kommentieren, sich von den Äußerungen zu distanzieren und von Herrn Streng eine Entschuldigung zu verlangen. Diese wurde unter anderem mit dem Verweis auf das umfangreiche soziale Engagement des Herrn Streng angenommen.

Das ist nicht genug! Die Entschuldigung des Herrn Streng, die Posts lediglich aus einer Emotion heraus und ohne weitergehende Recherche geteilt zu haben, ist lächerlich und hat den gleichen Gehalt wie die Ausflüchte manch eines überführten Dopingsünders. Sollte diese aber doch der Wahrheit entsprechen, müsste man Herrn Streng die intellektuelle Fähigkeit zur Führung des Amtes absprechen. Das Verhaltensmuster entspricht dem eines jeden Rechtspopulisten: Grenzüberschreitung und anschliessende Relativierung oder Korrektur. Aber gesagt ist gesagt. Die Relativierung kommt bei den eigentlichen Empfängern der Botschaft dann nicht mehr an. So schaukelt sich das, "was man ja wohl mal noch sagen darf" immer weiter hoch. Fakten spielen dabei keine Rolle. Die Lösung von Problemen übrigens auch nicht.

Gerade in einer Zeit, in der die rechtspopulistischen Hetzer der AFD und der Pegida immer lauter werden, erwarte ich vom Bund Deutscher Radfahrer sich solcher Gesinnung in den eigenen Reihen entschieden und kompromisslos entgegenzustellen. Aus diesem Grund habe ich die Online-Petition auf change.org unterzeichnet.


Darüber hinaus hatte ich einen kurzen Kontakt zu dem Thema mit dem Saarländischen Radfahrer Bund und erwarte, dass hier auch von den Landesverbänden noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Links:
Detailliertere Infos und Screen Shots finden sich auf:
Ruhrbarone
FC St. Pauli
Winkelsicht
Die BDR Stellungnahme auf Facebook

Dienstag, 4. Oktober 2016

Jedermann und jeder Mann (Update)

Das Jedermann Rennen im Rahmen des deutschen Radklassikers "Eschborn-Frankfurt Rund um den Finanzplatz", die Skoda Velotour wird 2017 nicht mehr Teil des German-Cycling-Cups sein. Durch die zunehmende Professionalisierung des GCC passe dieser nicht mehr zu dem klassischen Jedermann Sport, wie der Veranstalter Ende September bekanntgegeben hat.

Mir ist der GCC ja schon seit Jahren suspekt. Diese Serie ist in meinen Augen das Sinnbild des Versagens des Bund Deutscher Radfahrer, wenn es darum geht, von der aktiven Begeisterung für den Radsport zu profitieren und diese in die Verbandsstrukturen einzubinden.

Zunächst stellt sich die Frage nach der Definition von Jedermann. Im sprichwörtlichen Sinn, "jeder Mann" oder auch "jede Frau" bedeutet es einfach nur Alle oder auch ausnahmslos. Man sollte also annehmen, das bei Jedermann-Rennen, und ein solches ist der GCC ja, auch tatsächlich Alle starten dürfen, vom Novizen bis zum Weltmeister. Eine offene Klasse, in der der Beste gewinnt. Weit gefehlt, wer auch Lizenz-Rennen fährt und in die B-Klasse aufsteigt oder sogar A-Fahrer ist, darf nicht starten. Fahrer aus Kontinental-Sportgruppen und darüber müssen auch draußen bleiben. Das Leistungsniveau der Spitze sollte also höchstens gleich auf mit der C-Klasse sein. Was ja ganz gut zu einer Hobby/Freizeitklasse passen würde.

Start 150 km Jedermann Rennen Rad am Ring 2016, Bild: Markus Stera

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Um ein GCC Rennen zu gewinnen bedarf es eher des Leistungsniveaus eines A-Fahrers.

Warum fahren die Spitzenleute des GCC dann aber GCC und nicht in der A-Klasse? Ganz einfach, es gibt keine Aufstiegsreglung und für viele Fahrer ist es einfach attraktiver bei GCC und "Jedermann"- Veranstaltungen zu starten. Denn, das kann man schon so sagen, die GCC Rennen machen Spaß. Grosse Runden, große Startfelder, professionelle Organisation, lange Distanzen. Wenn man Lizenz-Rennen fährt, ist es schon etwas besonderes mal ein Straßenrennen auf einer 10 Kilometer Runde zu fahren. Darüber hinaus tummeln sich in der GCC Szene inzwischen viele Mannschaften, die hinsichtlich Material und Unterstützung der Fahrer den etablierten Amateurmannschaften sicher nicht nachstehen oder sogar mehr bieten.

Die im GCC erbrachten Leistungen sind ohne Frage beachtlich und ich schmälere das auch in keiner Weise. Als problematisch sehe ich es aber an, dass hier eine Rennserie und Szene neben dem Lizenzsport entsteht, nicht darunter, der eine offene Konkurrenz zu den Verbandsstrukturen darstellt. Mir ist es ein Rätsel wie der BDR das sanktioniert, auf der anderen Seite aber Reuegelder wegen nichtiger Auslandstarts oder Teilnahme an Spassrennen verhängt. Bis 2015 wurde im Rahmen des GCC ja sogar ein Deutscher Jedermann-Meister ausgefahren. Mit Meister Trikot und allem Pipapo. Dazu musste man noch nicht mal Mitglied des Bundes Deutscher Radfahrer sein und sich damit auch in keiner Weise den Anti-Doping Regularien und der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Das ist ungefähr so, wie wenn die katholische Kirche einen Ungetauften zum Bischof ernennen würde.

Ob die Leistungen der Top 100 Fahrer des GCC mit dem klassischen Jedermann-Gedanken im Sinne von Freizeit und Hobby Sport in Einklang zu bringen sind, sei mal dahingestellt. Falls nicht ist es vielleicht trotzdem nicht weiter schlimm. Bei jedem Rad-Marathon in den Alpen stehen Profis und Hobbysportler gemeinsam am Start, kein Problem. Warum werden dann aber B-Fahrer aufwärts vom GCC ausgeschlossen? Wer soll denn hier geschützt werden? Die "Jedermänner"?

Für die Fahrer des GCC ist das vielleicht genauso unbefriedigend, sich entscheiden zu müssen und im Zweifelsfall auf der Zielgerade eines C-Klasse Rennens die Handbremse anzuziehen um bloß nicht zu gewinnen und in die B-Klasse aufzusteigen. Es gibt Fahrer, die seit Jahren auf vordere GCC Plätze abonniert sind, aber auch genauso lange knapp am Aufstieg vorbei schrammen, ein echter Jammer, so ein Pech. Was ist das für eine künstliche und beliebige Trennung? Auf der einen Seite macht die Serie auf großen Sport, mit Leadertrikot (in gelb!), Teams, Betreuern, tollen Siegerehrungen etc., dann aber die besten Rennfahrer aussen vor lassen. Heisst es nicht, Konkurrenz belebt das Geschäft? Aber dann wäre es ein "richtiges Radrennen" und keine Jedermann-Veranstaltung! Oder doch nicht? Ich bin verwirrt.
Update: Der vorhergehende Absatz enthielt den Namen eines GCC Fahrers, um die Problematik, auch gerade für die Top Fahrer, deutlich zu machen und zielte in keiner Weise darauf die sportliche Integrität dieses Fahrers in Frage zu stellen. Da meine Formulierung aber scheinbar als ehrverletzend empfunden wurde und mir umgehend rechtliche Schritte angedroht wurden, habe ich dieses Mal den Text geändert.

Zurück zum Bund Deutscher Radfahrer: Statt von der Begeisterung Radrennen fahren zu wollen, von den scheinbar ausreichend vorhandenen Sponsorengeldern und den tollen Rennen zu profitieren und dem darbenden Lizenz-Sport wieder Leben einzuhauchen lässt der BDR eine parallele Szene in direkter Konkurrenz zum "Kerngeschäft" entstehen. Finde ich sehr erstaunlich. Vielleicht gibt es auch ein Strategie dahinter, die ich nicht verstehe.

Es wird auf jeden Fall spannend sein wie es in den nächsten Jahren weiter geht, ob andere Veranstalter nachziehen und vom GCC zurücktreten, ob der BDR bessere Regelungen im Umgang mit dem Jedermann Sport findet und insbesondere ob das kürzliche Urteil der EU-Kommision zum Monopol der Sportverbände Auswirkungen hat.

Cycling Claude schreibt zu diesem Thema aus Sicht der "echten" Jedermänner hier und hier und vertritt dabei eine sehr explizite Meinung.

Weitere Links:
Veloton ohne GCC
Reglement GCC

Samstag, 10. September 2016

Folgen oder nicht folgen, das ist die Frage

Vor einigen Tagen habe ich von der gerade angelaufenen Challenge #FollowContador berichtet. Dabei werden Elemente einer Strava Challenge mit denen eines Preisausschreibens und einer Social-Media Kampagne verknüpft. Im Prinzip ähnlich wie die Rapha 500 Challenge die alljährlich an Weihnachten stattfindet.

Für diesen Post musste ich gestern deutliche Kritik von Daniel von Coffee and Chainrings einstecken. Daniel kritisiert sehr deutlich, dass ich eine Kampagne mit einem überführten Doper als Aushängeschild unterstütze und fragt, wie man das mit einer Position gegen Doping in Einklang bringen kann.

Das ist in der Tat eine interessante und durchaus berechtigte Frage. Darüber hinaus stellt sich hier auch die weitaus generellere Frage zu der Zusammenarbeit zwischen Bloggern und der Industrie. Darauf werde ich heute aber nicht eingehen, dass soll Gegenstand eines eigenen Posts sein.

Alberto Contador ist eine polarisierende Figur. Gemessen an den Erfolgen ist er der unangefochtene Grand-Tour Fahrer seiner Generation. Als einer von nur fünf Fahrern in der Geschichte des Radsports hat er alle drei großen Rundfahrten gewonnen und zusammen mit Bernard Hinault ist er der Einzige, dem dies mehrfach gelang (Giro 2008, 2015 Tour 2007, 2009 Vuelta 2008, 2012, 2014). Daneben stehen viele weitere Siege bei kleineren Rundfahrten, Podiumsplätze, Etappensiege und zwei Spanische Meistertitel im Einzelzeitfahren in seinen Palmares.

Auf der anderen Seite ist Alberto Contador aber auch des Dopings für schuldig befunden worden. In einer während der 2010er Tour de France abgegebenen Probe wurden geringe Mengen Clenbuterol nachgewiesen. Ein Wirkstoff, der ursprünglich zur Astma Behandlung eingesetzt wird, als Dopingmittel wird dem Stoff eine anabole Wirkung nachgesagt, ebenfalls wird er zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Darüber hinaus wurden in Contadors Blut Weichmacher festgestellt. Die Ursache könnte im Einsatz von Blutkonserven zum Zwecke des Blutdopings liegen. Zu guter Letzt wurden Alberto Contador Verbindungen zu Eufemiano Fuentes nachgesagt.

Der Dopingfall war damals ein ziemliches hin und her. Der Spanische Verband hob die Sperre von einem Jahr auf, da man den Fahrer als nicht schuldig anerkannte. Dies wurde von der UCI vor dem CAS angefochten. Am Ende wurde Contador rückwirkend ab dem Test für zwei Jahre gesperrt und alle Erfolge in dieser Zeit wurden ihm aberkannt. Dadurch kam Andy Schleck zu seinem Tour de France Sieg.

Alberto Contador ist also ein rechtskräftig verurteilter Dopingsünder, der seine Strafe "abgesessen" hat und nach dem gängigen Prinzip nicht nur der Sport-Rechtssprechung somit als vollständig rehabilitiert gilt.
Jetzt kann man durchaus die Position einnehmen, dass man (rehabilitierte) Dopingsünder auch nach dem Ablauf ihrer Sperre nicht wieder unterstützen sollte. Die MPCC verlangt von ihren Mitgliedern zum Beispiel, Fahrer erst mit weiteren zwei Jahren Karenz nach Ablauf einer Sperre unter Vertrag zu nehmen. Und natürlich kann man in diesem Zusammenhang auch über ein Pro und Contra von lebenslangen Sperren diskutieren.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Ausweitung der sport-gesetzlichen Sperre, egal ob durch die MPCC als auch durch einen persönlichen Bann nicht etwas von Selbstjustiz hat. Die Akzeptanz von Regeln und Gesetzen ist die Grundlage jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ob man die Regeln im Einzelfall als sinnvoll erachtet oder nicht spielt dabei keine Rolle.

Das im Zusammenhang mit diesem Dopingfall eventuell einige Mauscheleien stattgefunden haben und Contador wohl eine bevorzugte Behandlung genoss, ist der UCI und dem spanischen Verband, nicht aber Contador vorzuwerfen.

Die Problematik "rehabilitierter Doper" lässt sich noch ausweiten. In einigen Ländern (soviel ich weiss gehört z.B. Australien dazu) ist es verboten basierend auf gesetzwidrigen Handlungen Geld zu verdienen. Also zum Beispiel als überführter Dopingsünder ein Buch darüber zu schreiben. Das Buch wird man wohl schreiben dürfen, aber das Geld darf man nicht behalten. Und es ist in der Tat problematisch, wenn ein Sportler mit Hilfe von Doping zum gefeierten Star wird, Millionen verdient, Werbeverträge hat und wenn er erwischt wird schreibt er ein Buch darüber und verdient nochmal Geld. Es gibt viele Beispiele: Miller, Hamilton, Riis und und und.

Als Konsument muss man sich daher jedesmal fragen, gibt man diesem Ex-Doper Geld? Kauft man dieses Buch? Kauft man dieses Fahrrad (Merckx, Cipollini)? Erlaubt man Anderen mit diesen Fahrern Geld zu verdienen? Schließt man also ein Eurosport Abo ab, um zu sehen wie Contador bei der Vuelta attackiert? Ist es richtig ein Canyon Rad zu fahren, wo Canyon mit Katusha einen Rennstall unterstützt, der in Dopingfragen einige Angriffspunkte hat? Und Canyon überhaupt, beschäftigen die nicht Eric Zabel?

Wo ist die Grenze?

Radsport und Doping gehen schon immer Hand in Hand. Bei der ersten Tour de France haben die Fahrer den Zug genommen, später Alkohol und irgendwelche abstrusen Drogen, dann kamen die Amphetamine und Steroide und irgendwann Epo und Blutdoping und weiss der Geier was heute en Vogue ist. Ist das akzeptabel? Nein. Muss konsequent gegen Doping vorgegangen werden? Ja. Wird genug und vor allem das Richtige getan? Nein.

Wenn man aber jedwede Unterstützung von ehemaligen und aktuellen Fahrern, Teams und Firmen vermeiden will, die irgendwie mit Doping in Verbindung zu bringen sind , muss man mit dem professionellem Radsport genauso wie mit dem Amateursport und der Jedermannszene brechen. Wenn man dies konsequent auf andere Bereiche weiterdenkt, endet man als Einsiedler in der Einöde oder wenn man beim Doping bleibt als Anti-Doping Fundamentalist. Und Fundamentalismus ist niemals eine Lösung. Dazu ist das Leben zu vielschichtig, zu kompliziert und auch zu bunt.

Irgendwo muss also eine Grenze gezogen werden, bis zu der eine Dopingvergangenheit akzeptabel ist. Die Grenze ist individuell und subjektiv. Was für mich akzeptabel ist, kann für jemand anderen inakzeptabel sein. Was ich Fahrer A durchgehen lasse, muss ich bei Fahrer B noch lange nicht gut heißen . Mir ist bewusst, dass das inkonsequent ist und viel von einem Sympathiefaktor abhängt.

Alberto Contador liefert immer eine großartige Show ab, auch in aussichtsloser Lage ergreift er die Initiative und gibt sich nicht mit dem Erreichten zufrieden. Was war das für eine coole Aktion am vergangenen Sonntag bei der Vuelta. Auf die Plätze los und Attacke. Das will ich sehen! Echte, überraschende, "long-range" Attacken. Nicht nur ein "wer-fährt-den-letzten-Berg-am-schnellsten-rauf".

Ein Ausschnitt aus der Google Bilder Suche "Alberto Contador Climbing"

Das mit der Sympathie ist natürlich so eine Sache. Ich habe Alberto Contador noch nie in echt gesehen. Alles was ich weiss ist ein von den Medien gezeichnetes Bild. Jemanden nur aufgrund diesen unzulänglichen Informationen in eine Schublade zu stecken ist unumgänglich, ohne Vorurteile kämen wir in unserem Leben nicht zurecht. Es ist schlichtweg unmöglich nur aufgrund vollständiger Informationen zu urteilen. Vielleicht ist Lance Armstrong in Wirklichkeit ein netter Kerl? Wer weiss das schon.

Aber bevor ich noch weiter abschweife zurück zu der ursprünglichen Frage: Ist es legitim über eine Werbeaktion zu berichten die Alberto Contador als Aushängeschild führt? Ich schreibe ganz bewusst berichten und nicht unterstützen, da letzteres ein sponsored Post wäre, was er nicht ist. (Aber dazu mehr in einem späteren Artikel).

Ich kann diese Frage für mich ganz klar mit ja beantworten. Alberto Contador wurde des Dopings für schuldig befunden und hat seine Strafe abgesessen. Er ist mir sympathisch, fährt großartige Radrennen, hat eine aktive Fahrweise. Insofern: #FollowContador Todo los dias!

Bis jetzt wurden im Rahmen der Challenge 328 Tausend Kilometer zurückgelegt, Deutsche Radsportler sind zusammen schon einmal um die Welt! Mein Beitrag ist mit 34 Kilometer eher bescheiden. Ich werde also auf keinen Fall die Chance bekommen Alberto Contador persönlich kennen zu lernen. Schade eigentlich. Aber zumindest werde ich es bis zum ersten Badge schaffen, ab 50 km gibt es was zu gewinnen!

Mittwoch, 27. April 2016

Douche à la Française

Letzte Woche habe ich über den kleinen Grenzverkehr geschrieben und versprochen zu berichten, was unter einer französischen Dusche zu verstehen ist. Nun, das ist ganz einfach, eine französische Dusche ist sich nach dem Rennen bestenfalls ein trockenes Unterhemd anzuziehen und ansonsten "knaschdisch" (Saarländisch für verdreckt, nicht zu verwechseln mit knatschig, schlecht gelaunt) oder "babbisch" (klebrig, verschwitzt) zu bleiben. Die Luxusvariante wäre sich auf dem Parkplatz einen Kanister mit Wasser überzukippen oder den Waschhandschuh zu nehmen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Wackes (eine heute meist augenzwinkernde, neckende Bezeichnung unsere lieben Nachbarn im Westen) Franzosen keinen Wert auf Körperhygiene legen würden, sondern einfach nur, dass man ein Rennen auch ohne Duschen veranstalten kann, mit wenig Aufwand, wenigen Helfern und wenig Brimborium.

Die kleinen Rennen in der französischen Provinz haben einen ganz besonderen Charme, den man unbedingt mal erlebt haben muss. Wenn man eine Stunde vor dem Start in dem angegebenen Ort ankommt, kann es gut sein, das es noch keine Anzeichen für das bevorstehende Rennen gibt. Man muss den Ort des Geschehens wirklich suchen. Irgendwann materialisiert sich dann wie aus dem Nichts die Nummerausgabe, Offizielle erscheinen, immer mehr Fahrer treffen ein. Das Ganze geht entspannt und ohne Stress vor sich, keine Ordner die einen anschreien wenn man mal die Strassenseite wechselt. Irgendwann stellen sich alle Fahrer am Start auf, da ist es gut einfach der Herde zu folgen. Es gibt einige kurze Anweisungen des Kommisaires, trois-deux-un und los geht es. Radrennen ist dann wie Radrennen. Wenn unterwegs aber mal ein Auto entgegenkommt bricht keine Panik aus, routiniert wird die Situation gemeistert, niemand wird angeschriehen, Anwohner und Autofahrer sind verständnissvoll. Radsport hat in Frankreich einfach eine ganz andere Tradition. Die Unaufgeregtheit setzt sich im Ziel fort: Die offizielle Siegerliste ist auch schon mal handgeschrieben.

Eine andere Besonderheit in Frankreich, an der Stelle kommt dann doch gehörig Brimborium ins Spiel, ist der Ehrenwein. Der Ehrenwein ist die Siegerehrungszeromonie. Bei deutschen Rennen findet diese oft auf der Zielgeraden unmittelbar nach dem Rennen statt. In Frankreich trifft man sich eine gute Zeit nach dem Zieleinlauf im Gemeindesaal, im Pfarrheim, der Turnhalle oder was auch immer zur Verfügung steht. Dort gibt es dann tatsächlich Cremant, Wein, Saft, es werden Kekse und Kuchen gereicht. Auf dem Tisch am Saalende stehen aufgereit die Pokale für die Sieger der einzelnen Kategorien. Für den Gesamtsieger, den besten Fahrer des Départements, die Sieger der verschiedenen Kategorien, die beste Mannschaft. Irgendwann fängt dann die Zeremonie an, der Veranstalter, der Bürgermeister, der Sponsor, alle dürfen sagen wie toll das Rennen war und dann werden die verschiedenen Sieger aufgerufen, es gibt Blumen, Medaillen, Plaketten und Pokale, die Presse macht ein Foto und alle dürfen sich für einen kurzen Moment ganz wichtig vorkommen.

Da denkt man sich zwar schon mal "Was denn jetzt noch?", besonders wenn man so wie ich kaum was versteht und noch ein gutes Stück Heimweg vor sich hat, aber ich muss schon sagen, dass ist sehr liebenswürdig und sehr anders als eine "deutsche" Siegerehrung.

Was mir dabei zu denken gegeben hat, war die Einfachheit der ganzen Veranstaltung, für die die "Douche à la Française" in gewisser Weise ein Synonym ist. Denn in den letzten Jahren ist es immer schwieriger geworden Radrennen zu veranstalten. Jeder Radrennfahrer der schon etwas länger dabei ist, kann von lange nicht mehr ausgetragenen Rennen berichten, einstige Fixpunkte im Kalender, deren Termin in Stein gemeiselt schien. Im Saarland fällt mir da das Rennen in Saarlouis-Steinrausch am Ostermontag ein. Alles Schall und Rauch.

Natürlich ist es toll einen ganzen Renntag zu veranstalten und alle Klassen vom ersten Schritt bis zu den Senioren 3 am Start zu haben. Dazu ein Küchenbüffet, Bratwürste, Pommes, Nudeln, die halbe Stadt gesperrt, Musik und Rahmenprogramm, einen Buss für den Wettkampfausschuss, ein grosses Banner über dem Zielstrich, die Zielgerade mit Gittern abgesperrt, ein richtiges Radsportfest. Die zunehmenden Schwierigkeiten bei den Genemigungen mal ausser Acht gelassen, stellt eine solch große Veranstaltung natürlich immense Herausforderungen an den ausrichtenden Verein und alle Helfer dar. Ich ziehe den Hut vor allen, die solche Renntage auf die Beine stellen. Bravo!
Allerdings frage ich mich, ob es denn immer so groß sein muss? Ist es nicht besser ein kleines Rennen für einzelne Klassen zu veranstalten statt gar keines? Besser ein Rennen draussen im Nirvana als gar kein Rennen?

Das Rennen in Buzy-Darmont war solch eine kleine Veranstaltung, es gab genau ein Rennen: Jedermann, C-Klasse und Junioren sind zusammen gestartet. Eine Runde die zur Hälfte über Feldwirtschaftwege, zur anderen Hälfte durch kleine Dorfstraßen führte. Kein Kuchenstand, keine Bratwürste, keine Feuerwehr, keine Rettungssanitäter, keine Absperrorgien und .. keine Umkleiden und Duschen. Ich schätze mal, dass das Rennen mit, hochgegriffen 30 Helfern organisiert und durchgeführt war. Der Zeitaufwand für die involvierten Absperrposten, den Motorradfahrer, den Kommisair usw. betrug vielleicht vier Stunden. Auch wenn ich mit meiner Schätzung zu niedrig liegen sollte und natürlich auch nicht weiss, wieviel Zeit in der Vorbereitung wie dem Einholen von Genehmigungen, der Einteilung der Helfer oder Gesprächen mit Sponsoren steckte, so kann ich doch mit Sicherheit sagen, dass dieses Rennen mit sehr viel weniger Aufwand organisiert war, wie der in Deutschland meist übliche Renntag.

Kann weniger tatsächlich mehr sein? Oder sollte man nach dem Motto ganz oder gar nicht verfahren?

Samstag, 17. Mai 2014

Die Sache mit Rapha und Team Sky

Vor einigen Tagen habe ich elektronische Post von Rapha bekommen. Sie wollten wissen warum ich schon so lange nichts mehr bestellt habe. Um mir meine Rückkehr zu versüßen gab es einen 15% Gutschein Code, gültig bis zum 22. May. Ich brauche ihn nicht, ich werde nichts bestellen. Meine Begeisterung ist erloschen. Und die war gewaltig, dass kann ich euch sagen. Hätte es mein Budget hergegeben, ich hätte alles gekauft. Mützen, Hosen, Beinlinge, Trikots, Jacken, ... Wenn jemand von euch den Gutschein nutzen möchte, hier ist er: "LCTOC012014". Bitteschön.

Es ist inzwischen schon einige Zeit her, dass ich Rapha entdeckt habe. Damals wurde Team Sky noch von Addidas gesponsort. Rapha war fast noch ein Geheimtipp, lange nicht so bekannt wie heute. Damals habe ich gerade wieder angefangen mehr Rad zu fahren und wollte nicht mehr in den schreiend bunten Trikots vergangener Profiteams und Vereine fahren. Das schlichte, unauffällige Design von Rapha war genau dass was ich suchte. Keine wirren Muster, keine schreienden Farben, dafür klare Linien und ausgefallene Materialien. Understatement.

Ich habe jeden Blogpost gelesen, jeden Film gesehen den Rapha veröffentlicht hat. Ich habe es förmlich verschlungen. Die Liebe und Begeisterung für den Sport, seine Schönheit, Eleganz, die Leiden, die Härte. Alles war so echt, so authentisch. Die Bilder waren so großartig. Die Cent Colls Radreise, welch eine Herausforderung! Ich habe Stunden auf dieser Internetseite verbracht und wirklich geglaubt, dass ich die Klamotten unbedingt brauche. Ich wollte auch so cool sein wie die Protagonisten auf den Bildern und in den Filmen. So gut aussehen, so entspannt, so stylish. So anders als in den bunten 90er Jahre Schlingfaser Trikots die in meinem Keller hingen. Ich habe es wirklich geglaubt. Und ich habe gelitten, mir unmöglich alles kaufen zu können. In einem Schlussverkauf habe ich dann zugeschlagen. Das Langarmtrikot aus der Cross Serie, ein weiteres aus schwerer Sportwool und noch dazu die Regenjacke. Den Kauf der Letzteren habe ich monatelang verheimlicht und sie immer einen halben Kilometer von Zuhause entfernt an oder ausgezogen um Budgetdiskussionen aus dem Weg zu gehen.

Und dann hat Rapha bekannt gegeben ab 2013 Team Sky zu sponsorn. Das war der Anfang vom Ende. Team Sky? Dieses Bayern München des Radsports? Diese Steber Mannschaft? Auf einmal bestand die halbe Internetseite nur noch aus Team Sky. Alles in Schwarz - Blau. Sky - Sky - Sky.

Im Radsport gibt es traditionell wenig Fans einzelner Mannschaften. Man ist Fan des Sports oder Fan eines Fahrers oder Fan der Leistung die erbracht wird. Der Fan als Anhänger einer einzelnen Mannschaft, unabhängig von den Fahrern, so wie im Fußball, ist selten. Daher ist es mir fremd in Profitrikots durch die Gegend zu fahren und mich auf diese Weise mit einer bestimmten Mannschaft zu identifizieren. Warum soll man das machen? Geld bezahlen um auch noch Werbung zu machen? Wozu? Denn wirklich schön ist keines der mit Werbung zugepflasterten Trikots der Profis.

Aber zurück zu Sky. Das fängt damit an, dass das durchschnittliche Fernsehprogramm und damit das Fernsehen als solches in meiner Wahrnehmung ein Medium von minderer Qualität ist. Brain-Junk-Food sozusagen. Und Sky verkauft Brain-Junk-Food für teueres Geld. Als ich in den 90ern im Retail-Banking gearbeitet habe, waren Sky (damals Premiere) Abbuchungen ein sicheres Indiz auf Kunden mit schlechter Bonität. Ja ja, ich weiss, das ist sehr eindimensional und es ist schon lange her und es gibt tolles, hochwertiges Fernsehen etc. etc. etc. Aber ich mag den Sponsor einfach nicht. Und ich mag Team Sky nicht, die Art und Weise wie Wiggins und Froome die Tour gewonnen haben. Kalt berechnet, gekauft mit dem  fettesten Budget der Branche. Ohne Panaché, so ganz anders als die Helden in den Rapha Stories. Vor einigen Tagen ist auf Crankpunkt dazu übrigens ein guter Artikel erschienen, lesenswert.

Und Rapha sponsort diese elitäre Bonzen Mannschaft und ist, natürlich, sonst würden sie es nicht machen, auch noch stolz drauf. Und auf einmal gibt es nicht nur Trikots aus Wolle, die doch viel besser sein sollen als diese modernen Plastikfasern, sondern es gibt den gleichen Super-Dupa-High-Tech Kram wie bei allen anderen. Nur natürlich viel besser. Ich war entsetzt. Der Sargnagel meiner Rapha Begeisterung war dann dieser schwarze Netzstoff-Swingerclub-Einteiler den Chris Froome letzten Winter stolz auf Twitter präsentiert hat. Ich dachte zuerst es wäre ein Fake, aber es war Ernst.

Wenn ich heute im Netz auf Rapha stoße denke ich mir vielleicht noch, "Ah, ein Rapha Bild", aber ich klicke schnell weiter, lese nicht, es fesselt mich nicht mehr. Es ist einfach nur ein ziemlich cleveres Marketing. All die Photos und die tollen Texte, die Filme. Das ist keine Arbeit von Liebhabern, von Amateuren. Das ist die Arbeit von Profis die einer ganz bestimmten Bildsprache folgen, die eine Auftragsarbeit abliefern die ganz genau dem entspricht, was bestellt wurde. Profis, die von ihrer Arbeit leben und die bezahlt werden. Rapha, darüber muss man sich klar sein, ist zunächst einmal eine Firma die ein Luxusprodukt verkauft und Profit machen möchte. Ein Luxusprodukt lebt zu einem großen Teil von den Emotionen mit denen es aufgeladen wird. Das ist das, was Luxus auszeichnet, nicht nur hochwertige Materialien und perfekte Verarbeitung. Luxus wohnt eine Unnötigkeit inne, die sich mit rationalen Maßstäben nicht bewerten lässt. Hier sind es die Leiden der Heroen, die Entbehrungen der Helden der Landstrasse, die Kameraderie, der Rückblick auf eine Tour, die uns an unsere Grenzen geführt hat, der Kampf gegen uns selbst, die Elemente und unsere Gegner, unerbitterlich und doch verbunden durch das Band einer Bruderschaft. All diese Geschichten und Bilder, so schön und ästhetisch wie Rapha sie auf uns einströmen lässt verbinden sich mit dem Produkt. Einer Legende, einer Ikone, wie ich heute in einem Mailing lese. Dabei frage ich mich wie ein Trikot, das es gerade einmal seit einem Jahrzehnt gibt, wie ein Kleidungsstück überhaubt zu einer Legende werden kann. Und mit dieser "Legende", in den Farben der Saison, werden auch wir uns so fühlen, so cool, so schnell, so erhaben wie Hinault, Anquetil, Merckx und all die Anderen. Wenigstens ein ganz klein wenig. Und das für nur 165 Euro. Immerhin gibt es die passenden Ärmlinge mit dazu. Ein Sonderangebot um ein klein wenig Merckx, Held der Landstrasse zu sein.

Jetzt mag man einwenden, dass etwas was 165 Euro kostet, zwar teuer, aber kein Luxus sein kann. Auch gibt es viele Radsport-Bekleidungsfirmen die Profiteams sponsorn. Und es gibt Marken, die noch sehr viel teurere Radsportkleidung herstellen. Es gibt sicher auch Sponsoren die in fragwürdigeren Branchen tätig sind als Sky.

Was also ist das Problem? Ich fühle mich in gewisser Weise missbraucht. Ich bin einem am Ende gewöhnlichen Marketing auf den Leim gegangen. Man hat mich an meiner Leidenschaft gepackt und mit ihr gespielt. Mich manipuliert. Ich musste erkennen, dass es kein Understatement ist Rapha zu tragen, sondern ganz gewöhnlicher Snobismus. Auf mich wirkt es inzwischen grossspurig, fast schon vulgär.

Trotzdem trage ich meine Rapha Sachen immer noch, hin und wieder, aber ob noch mal neues hinzukommt? Höchstens im Ausverkauf, aber selbst dann, der Zauber ist vorbei.

Ich hoffe nur das Café du Cyclist nicht auch diesen Weg einschlägt.