Letzte Woche habe ich über den kleinen Grenzverkehr geschrieben und versprochen zu berichten, was unter einer französischen Dusche zu verstehen ist. Nun, das ist ganz einfach, eine französische Dusche ist sich nach dem Rennen bestenfalls ein trockenes Unterhemd anzuziehen und ansonsten "knaschdisch" (Saarländisch für verdreckt, nicht zu verwechseln mit knatschig, schlecht gelaunt) oder "babbisch" (klebrig, verschwitzt) zu bleiben. Die Luxusvariante wäre sich auf dem Parkplatz einen Kanister mit Wasser überzukippen oder den Waschhandschuh zu nehmen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Wackes (eine heute meist augenzwinkernde, neckende Bezeichnung unsere lieben Nachbarn im Westen) Franzosen keinen Wert auf Körperhygiene legen würden, sondern einfach nur, dass man ein Rennen auch ohne Duschen veranstalten kann, mit wenig Aufwand, wenigen Helfern und wenig Brimborium.
Die kleinen Rennen in der französischen Provinz haben einen ganz besonderen Charme, den man unbedingt mal erlebt haben muss. Wenn man eine Stunde vor dem Start in dem angegebenen Ort ankommt, kann es gut sein, das es noch keine Anzeichen für das bevorstehende Rennen gibt. Man muss den Ort des Geschehens wirklich suchen. Irgendwann materialisiert sich dann wie aus dem Nichts die Nummerausgabe, Offizielle erscheinen, immer mehr Fahrer treffen ein. Das Ganze geht entspannt und ohne Stress vor sich, keine Ordner die einen anschreien wenn man mal die Strassenseite wechselt. Irgendwann stellen sich alle Fahrer am Start auf, da ist es gut einfach der Herde zu folgen. Es gibt einige kurze Anweisungen des Kommisaires, trois-deux-un und los geht es. Radrennen ist dann wie Radrennen. Wenn unterwegs aber mal ein Auto entgegenkommt bricht keine Panik aus, routiniert wird die Situation gemeistert, niemand wird angeschriehen, Anwohner und Autofahrer sind verständnissvoll. Radsport hat in Frankreich einfach eine ganz andere Tradition. Die Unaufgeregtheit setzt sich im Ziel fort: Die offizielle Siegerliste ist auch schon mal handgeschrieben.
Eine andere Besonderheit in Frankreich, an der Stelle kommt dann doch gehörig Brimborium ins Spiel, ist der Ehrenwein. Der Ehrenwein ist die Siegerehrungszeromonie. Bei deutschen Rennen findet diese oft auf der Zielgeraden unmittelbar nach dem Rennen statt. In Frankreich trifft man sich eine gute Zeit nach dem Zieleinlauf im Gemeindesaal, im Pfarrheim, der Turnhalle oder was auch immer zur Verfügung steht. Dort gibt es dann tatsächlich Cremant, Wein, Saft, es werden Kekse und Kuchen gereicht. Auf dem Tisch am Saalende stehen aufgereit die Pokale für die Sieger der einzelnen Kategorien. Für den Gesamtsieger, den besten Fahrer des Départements, die Sieger der verschiedenen Kategorien, die beste Mannschaft. Irgendwann fängt dann die Zeremonie an, der Veranstalter, der Bürgermeister, der Sponsor, alle dürfen sagen wie toll das Rennen war und dann werden die verschiedenen Sieger aufgerufen, es gibt Blumen, Medaillen, Plaketten und Pokale, die Presse macht ein Foto und alle dürfen sich für einen kurzen Moment ganz wichtig vorkommen.
Da denkt man sich zwar schon mal "Was denn jetzt noch?", besonders wenn man so wie ich kaum was versteht und noch ein gutes Stück Heimweg vor sich hat, aber ich muss schon sagen, dass ist sehr liebenswürdig und sehr anders als eine "deutsche" Siegerehrung.
Was mir dabei zu denken gegeben hat, war die Einfachheit der ganzen Veranstaltung, für die die "Douche à la Française" in gewisser Weise ein Synonym ist. Denn in den letzten Jahren ist es immer schwieriger geworden Radrennen zu veranstalten. Jeder Radrennfahrer der schon etwas länger dabei ist, kann von lange nicht mehr ausgetragenen Rennen berichten, einstige Fixpunkte im Kalender, deren Termin in Stein gemeiselt schien. Im Saarland fällt mir da das Rennen in Saarlouis-Steinrausch am Ostermontag ein. Alles Schall und Rauch.
Natürlich ist es toll einen ganzen Renntag zu veranstalten und alle Klassen vom ersten Schritt bis zu den Senioren 3 am Start zu haben. Dazu ein Küchenbüffet, Bratwürste, Pommes, Nudeln, die halbe Stadt gesperrt, Musik und Rahmenprogramm, einen Buss für den Wettkampfausschuss, ein grosses Banner über dem Zielstrich, die Zielgerade mit Gittern abgesperrt, ein richtiges Radsportfest. Die zunehmenden Schwierigkeiten bei den Genemigungen mal ausser Acht gelassen, stellt eine solch große Veranstaltung natürlich immense Herausforderungen an den ausrichtenden Verein und alle Helfer dar. Ich ziehe den Hut vor allen, die solche Renntage auf die Beine stellen. Bravo!
Allerdings frage ich mich, ob es denn immer so groß sein muss? Ist es nicht besser ein kleines Rennen für einzelne Klassen zu veranstalten statt gar keines? Besser ein Rennen draussen im Nirvana als gar kein Rennen?
Das Rennen in Buzy-Darmont war solch eine kleine Veranstaltung, es gab genau ein Rennen: Jedermann, C-Klasse und Junioren sind zusammen gestartet. Eine Runde die zur Hälfte über Feldwirtschaftwege, zur anderen Hälfte durch kleine Dorfstraßen führte. Kein Kuchenstand, keine Bratwürste, keine Feuerwehr, keine Rettungssanitäter, keine Absperrorgien und .. keine Umkleiden und Duschen. Ich schätze mal, dass das Rennen mit, hochgegriffen 30 Helfern organisiert und durchgeführt war. Der Zeitaufwand für die involvierten Absperrposten, den Motorradfahrer, den Kommisair usw. betrug vielleicht vier Stunden. Auch wenn ich mit meiner Schätzung zu niedrig liegen sollte und natürlich auch nicht weiss, wieviel Zeit in der Vorbereitung wie dem Einholen von Genehmigungen, der Einteilung der Helfer oder Gesprächen mit Sponsoren steckte, so kann ich doch mit Sicherheit sagen, dass dieses Rennen mit sehr viel weniger Aufwand organisiert war, wie der in Deutschland meist übliche Renntag.
Kann weniger tatsächlich mehr sein? Oder sollte man nach dem Motto ganz oder gar nicht verfahren?
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