Mittwoch, 31. Mai 2017

Gewinnen um jeden Preis in der U15

Ein MTB Rennen in der Provinz, in der U15 steht ein gutes Dutzend Kinder am Start. Das Feld sortiert sich schnell, der Erste ist auf und davon, dahinter fahren die Meisten einfach ihr Rennen zu Ende. Spannend wird es nur in der letzten Runde, als drei Fahrer um die verbleibenden zwei Plätze auf dem Podium kämpfen. Unmittelbar hintereinander geht es durch den letzten Single Trail, der sich im Slalom um die Bäume schlängelt.

Betreuer: "Fahr an dem vorbei!"
Kind (das letzte in der Reihe, also auf Platz vier): "Der lässt mich nicht vorbei."
Betreuer, schreit fast: "Dann fahr ihm in's Schaltwerk!"

Keiner der beteiligten Buben war meiner, der sollte erst Minuten später kommen, in der Hinsicht war ich nicht involviert. Trotzdem ist mir die Kinnlade runter gefallen und ich kam nicht umhin darauf hinzuweisen, dass es zu weit geht solch eine Aufforderung ins Rennen zu rufen. Daraufhin kam der Betreuer die 10 Meter zu mir rüber gestiefelt und ich war mir wirklich nicht sicher, ob die Situation jetzt eskaliert und ich Handgreiflichkeiten zu befürchten habe. Soweit kam es zum Glück nicht, aber wie nicht anders zu erwarten, fühlte er sich absolut im Recht, denn schließlich wäre es unfair andere Fahrer nicht vorbei zu lassen und natürlich würde sein Schützling das nie tatsächlich tun, aber jetzt wüsste der andere Fahrer, dass es Ernst sei. Ein weiterer Zuschauer meinte, es ginge doch nur um den Spass, er solle aufhören sich so aufzuregen, worauf der Betreuer wutschnaubend erwiderte, dass es gar nicht um den Spaß ginge sondern Lizenz-Sport sei. Aha!


Das ist auf so vielen Ebenen falsch, da kann man sich nur an den Kopf fassen:
  • Natürlich macht man sich auf einem Trail breit, was denn sonst? Warum sollten die vorderen Fahrer den hinteren vorbeilassen? Niemand kann erwarten, dass sein direkter Konkurrent ihn einfach so auf Zuruf überholen lässt. In der Situation ging es um die Plätze zwei und drei, die Fahrer waren etwa gleich stark, sonst wären sie nicht Rad an Rad unterwegs gewesen. Wenn ein Fahrer es nicht schafft auf entsprechend breiten Passagen zu überholen, war er ganz einfach nicht stark genug. Im Gegenteil ist es eine absolut legitime taktische Möglichkeit als führender Fahrer in einem Trail das Tempo etwas rauszunehmen, um zu Luft zu kommen und Kräfte für den Zielsprint zu sparen ohne dabei seine Position einzubüßen. Etwas anderes ist es natürlich im Falle von Überrundungen oder wenn ein Fahrer auf der Zielgerade nicht seine Linie hält.
  • Ein Aufruf zur Sachbeschädigung mit der implizierten Billigung eines dadurch provozierten Sturzes des Kontrahenten ist eine grobe Unsportlichkeit. Dabei spielt es keine Rolle, was an Unstimmigkeiten zwischen den Fahrern eventuell vorausgegangen ist. Jeder Fahrer, der zu solchen Mitteln greift, muss ohne Ausnahme disqualifiziert werden und weitere sportrechtliche Sanktionen fürchten. Zuletzt wurde etwa Javier Moreno beim Giro d’Italia für eine vergleichbare Aktion (Schubsen) bestraft (Cyclingweekly). Zu Beginn des Jahres zog eine grobe Aktion gegen Marcel Kittel die Disqualifikation und eine 45 tägige Sperre von Andriy Grivko nach sich (DailyMail). Die Sportordnung schließt übrigens explizit die Möglichkeit ein, auch Betreuer zu disqualifizieren, wenn sich diese ungebührlich benehmen, tätlich gegen Teilnehmer oder sonstige Personen vorgehen oder andere Teilnehmer gefährden (Sportordnung, 3.3.2 Bestrafungen durch das Kommissärskollegium, Absatz 6) 
  • Zu guter Letzt offenbart solch eine Aussage eine „Gewinnen um jeden Preis“-Mentalität. Wenn es legitim erscheint, Konkurrenten durch absichtliche Beschädigung des Rades aus dem Weg zu räumen, nur um einen Platz bei einem absolut unbedeutenden, schwach besetzten, landesverbandsoffenen Provinzrennens der U15 gut zu machen, dann ist der Weg zu weit gröberen Unsportlichkeiten nicht weit. Gewinnen wollen um jeden Preis ist die vielleicht größte Gefahr hinsichtlich einer Doping-Karriere. Insofern: Wehret den Anfängen!
Der Betreuer machte auf mich einen solch aggressiven Eindruck, dass ich von einer weiteren Diskussion abgesehen habe. Das erschien mir ernsthaft sicherer, denn wie heißt es so treffend: Die Mutter der Idioten ist allzeit schwanger! Kann man nur hoffen, dass der U15 Fahrer einen eigenen, intakten moralischen Kompass hat und er diese verbalen Übergriffe übersteht, ohne den Spass am Sport zu verlieren.

Freitag, 26. Mai 2017

Gran Fondo Schleck

Üblicherweise erfordert die Teilnahme an einem Gran Fondo eine stundenlange Autofahrt, meist bereits am Vortag, eine durchschnittliche Nacht in einem Hotelbett, viel zu frühes Aufstehen, ein hastiges Frühstück, eine Startaufstellung im Morgengrauen, unterwegs die wiederholte Frage an sich selber, warum zur Hölle man das alles macht und nach dem Zieleinlauf gleich wieder die Heimreise. Da war der Gran Fondo Schleck doch eine sehr viel entspanntere Erfahrung. Ich konnte die Startunterlagen am Vortag ohne Eile abholen, im eigenen Bett schlafen, gemütlich frühstücken und um kurz vor acht mit dem Auto die etwa 30 km zum Start fahren. Im Expo Gelände gab es Kaffee und Kuchen und mit dieser letzten Stärkung konnte ich mir einen Platz in der ersten Reihe meines Startblockes sichern.





Der Gran Fondo Schleck war dabei nicht irgendeine beliebige Jedermann Veranstaltung, sondern ein Lauf in der UCI Gran Fondo World Series, der als Qualifikationsrennen der Gran Fondo World Championships zählt. Dieses Jahr findet die „Amateur“ Weltmeisterschaft Ende August in Albi (Südfrankreich) statt. Teilnehmen dürfen die jeweils besten 25 Prozent jeder Altersklasse jeder World Series Veranstaltung. Insgesamt umfasst die World Series 20 Rennen, davon 11 in Europa (Polen, Zypern, Griechenland, Schottland, Luxembourg, Frankreich England, Slowenien, Österreich, Italien, Dänemark).

Die Startblöcke waren nach Altersklassen eingeteilt, nicht wie bei manch anderen Gran Fondos nach der avisierten Endzeit, vielleicht um eine Chancengleichheit für die Qualifikation zur WM zu wahren. Das führte allerdings zu einer sehr hektischen und anstrengenden Startphase, da sich die besseren Fahrer und Fahrerinnen der älteren Klassen erst mal durch das Feld der jüngeren, aber langsameren Fahrer durchkämpfen mussten. Die ersten Kilometer waren so ein stetiger Wechsel zwischen Sprints und Vollbremsungen, jeder Zentimeter der Straße und teilweise der Bürgersteige und Radwege wurde genutzt. Nach gut 10 km und einer ganzen Reihe von Beinahe-Stürzen war ich endlich vorne und konnte mich für die nächsten 120 Kilometer auch in der immer kleiner werdenden Spitzengruppe halten.

Die Strecke führte zunächst flach entlang der Mosel bis nach 20 Kilometer der erste Hügel zu erklimmen war. Danach ging es Schlag auf Schlag. Bis zum Ziel der großen 160 km Runde folgten 12 weitere klassifizierte Anstiege. Diese als Berge zu bezeichnen wäre zwar übertrieben, das ständige Auf und Ab läpperte sich am Ende aber doch auf 2.400 Höhenmeter zusammen. Der kräftige Wind machte es auch nicht unbedingt einfacher.

Trotz dem annäherenden 40er Schnitt dauerte es bis weit nach der Hälfte bis die Spitzengruppe weniger als 100 Fahrer umfasste. Ab und an versuchten sich einzelne Fahrer oder Gruppen abzusetzen, wirklich weit kam aber niemand. Das Tempo machte es nebenbei total illusorisch an den Verpflegungsstellen anzuhalten, es sei denn man war bereit die Spitze ziehen zu lassen. Meine beiden 0,5 Liter Trinkflaschen waren für 160 km im Renntempo definitiv zu wenig, selbst bei den kühlen Temperaturen und dem bedecktem Himmel. Nimmt man diese Veranstaltungen ernst, kommt man um eine Begleit-Crew nicht umhin. Die zahlreichen belgischen Gran Fondo Teams überlassen in dieser Hinsicht nichts dem Zufall. Das aber vorauszusetzen, kann eigentlich nicht im Sinne der Veranstaltungen sein. Wenn nur jeder 10. Fahrer ein Auto voraus sendet, um einen Betreuer am Straßenrand zu haben, der Flaschen und Verpflegungsbeutel reicht, na dann Prost Mahlzeit, dann ist Verkehr. Dass es auch anders geht, zeigen die Gran Fondo New York Veranstaltungen. Dort werden den ersten 100 Fahrern Flaschen und Verpflegung gereicht, teils sogar vom Motorrad. Gleichzeitig wird private Verpflegung vom Straßenrand auf wenige ausgewiesene Zonen beschränkt. Das gewährleistet eine gewisse Chancengleichheit und schützt vor allem die Gesundheit der Fahrer - Mit Dehydration ist nämlich nicht zu spaßen.

Davon abgesehen wurde mir berichtet, dass die Verpflegungsstellen an sich mit Wasser und Apfelschorle, Obst und diversen Kuchenstücken ausgestattet und mit aufmerksamen Helfern besetzt waren.




An Hügel Nummer 10 nach 130 Kilometer musste ich das noch 60 Fahrer umfassende "Peloton" dann ziehen lassen. Schon am vorherigen Anstieg bin ich als einer der Ersten rein und ziemlich am Ende raus gefahren, solch ein "Durchsacken" ist schon mal für einige Sekunden gut, die man langsamer fahren kann als die Gruppe und trotzdem nicht den Anschluss verliert. Zwischen Bous und Mehdingen reichte die Zeit aber nicht mehr um nach vorne zu fahren und als Letzter am Fuß des Berges hatte ich keine Chance mehr. Game over. Die letzten 30 Kilometer bin ich dann mehr oder weniger alleine gefahren und konnte mich vor der nächsten Gruppe ins Ziel retten. Das war gut für einen 61. Gesamtrang, einen 11. Platz meiner Altersklasse, gut 6' 30'' hinter dem Feld und 90'' vor den nächsten Fahrern.

Interessant ist, wer bei so einem Gran Fondo vorne mit fährt und was es benötigt, um mitzuhalten. Unter den ersten 60 Fahrern, also vor mir, befanden sich 36 Belgier, 7 Niederländer, 6 Franzosen, 6 Luxemburger, 3 Deutsche, 1 Italiener und 1 Kroate.
  • Der Sieger Bjorn de Decker ist bis 2016 in einem Continental Team und regelmäßig 1.1 Rennen gefahren. 
  • Der Zweite,  Bart van Damme, hat letztes Jahr den GFNY Mt. Ventoux gewonnen und fährt mit seinen 41 Jahren immer noch vordere Platzierungen bei den Belgischen Eliterennen ein. 
  • Julian Woltering vom RSV Münster, als erster Nicht-Belgier auf Platz vier, fuhr dieses Jahr in Düren bei der Radbundesliga auf Platz 6.
  • Jurgen Van Goolen fuhr bis 2010 in der Worltour, u.a mehrere Jahre für Discovery Channel, CSC und Quick Step und beendete 10 Grand Tours, darunter die Vuelta 2008 auf Platz 16. und war 2003 Belgischer Vize-Meister.
  • Der Zweite meiner Altersklasse, der Luxemburger Christian Poos fuhr bis 2010 in einem KT Team und gewann noch 2011 die Bergwertung der Luxemburg Rundfahrt
Ich bin sicher, würde ich weiter suchen, da kämen noch einige Ex-Profis mehr zum Vorschein. Auch wenn es um nichts mehr geht, bei so einem Gran Fondo wird Rad gefahren, da kann einer sagen was er will.


Für die 161 Kilometer habe ich 4:17 benötigt, das ist ein Schnitt von 37,6 km/h. Die Normalized Power betrug 290 Watt, der Intensity Factor 0,964. Die Leistungen an den einzelnen Bergen (so wie von Golden Cheetah als Climb erkannt, Gewicht etwa 71 kg):
  1. 2:29 @411W
  2. 4:49 @376W
  3. 14:22 @294W
  4. 11:29 @293W
  5. 3:45 @354W
  6. 7:12 @358W
  7. 3:21 @351W
  8. 1:34 @345W
  9. 5:56 @322W
  10. 2:38 @346W
  11. 5:41 @295W (da habe ich den Anschluss ans Feld verloren)
  12. 6:28 @285W
  13. 3:00 @273W
dazu kamen noch 21 L7 Sprints, Belastungen zwischen sieben und 15 Sekunden und über 650 Watt.

Hier sieht man deutlich was die Spitzengruppe in einem Gran Fondo (=Radrennen) von den Fahrern weiter hinten (=Jedermann) unterscheidet (oder auch von Strava KOMs oder einer schnellen Trainingsrunde): In einem Radrennen kommt es darauf an einen Berg nicht nur einmal, sondern viele Male und besonders nach drei oder vier Stunden immer noch schnell hochfahren zu können. In dem Moment hilft auch kein Powermeter oder sonst irgendetwas, die einzige entscheidende Frage ist: Kann man dran bleiben oder nicht, hopp oder topp. In ausgeruhtem Zustand kann ich vielleicht jeden einzelnen Anstieg schneller hochfahren als die Spitzengruppe. 13 mal hintereinander ist aber eine ganz andere Geschichte. Und um wirklich vorne anzukommen, hätte ich statt einzubrechen nochmal eine ordentliche Schippe drauflegen müssen. Und DAS ist der Unterschied. 




Noch eine Anekdote zum Schluss: Fränk Schleck ist den Gran Fondo selber mitgefahren. Locker flockig ist er in der Spitzengruppe ständig nach Belieben von hinten nach vorne gefahren und hat sich wieder zurückfallen lassen, wahrscheinlich ohne ernsthaft ins Schwitzen zu kommen. Vor einer der Abfahrten kam er vor und hat gesagt, dass wir langsam fahren sollen, der Abschnitt wäre gefährlich. Als es dann abwärts ging sind wir auch alle angemessen gefahren, dachte ich zumindest. Ohne besonders Gas zu geben, bin ich als dritter oder vierter Fahrer am Feld vorbei gerollt. Auf einer gefährlichen Abfahrt fährt man am besten vorne, oder? Schnell wäre ganz anders gewesen. Naja, scheinbar war es immer noch zu schnell und als wir unten waren habe ich einen Anschiss vom Namenspatron des Rennens persönlich kassiert. Das konnte ich ja nun wirklich nicht wissen, dass das langsame Langsam gemeint war, ich dachte das normale Langsam würde reichen. :-)

Links:
Gran Fondo World Series
Homepage GF Schleck
Ergebnisse GF Schleck

Sonntag, 21. Mai 2017

Hunsrücker Rennrad-Camp

Morgens vor die Tür zu treten und bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen eine ganze Reihe nagelneuer High-End Carbon-Rennräder zur Auswahl vorzufinden ist eine wirklich angenehme Vorstellung. Für die Teilnehmer des 1. Hunsrücker Rennrad Camps in Kell am See war das Wirklichkeit. Eine Flotte nagelneuer Canyon Testrädern stand sauber aufgereiht vor dem Hotel zur Post. Aeroad und Ultimate, Scheiben- und Felgenbremsen, elektrische und mechanische Schaltungen, Dura Ace und Ultegra, was auch immer das Rennfahrer Herz begehrte.



Drei Tage ging es durch den Hunsrück, das nördliche Saarland und entlang der Mosel. Eine kurze Runde zum Einrollen am Freitag Nachmittag, eine lange 140 km Tour am Samstag und gute 100 km zum Abschluss am Sonntag, bei der ich zum Teil mitgefahren bin. Zum Teil? Ah, manchmal gibt es solche Tage: Mit dem Rad nach Kell, kurz vor der Radstation einen Platten, Schlauch gewechselt und den blödesten Anfängerfehler von allen gemacht: Die Pannenursache, einen Glassplitter, nicht entfernt. Die Gruppe ist los und zack, wieder platt, ich zurück zur Radstation in der Hoffnung auf ein Ersatzlaufrad, war aber nur noch ein Rad mit Scheibenbremse da, also doch den Schlauch geflickt und hinterher, der Reifen hat 'nen Wahnsinns-Höhenschlag gehabt (bei Tubeless ready Felgen kommt es schon mal vor, das der Mantel nicht perfekt rund auf der Felge sitzt und sich beim Aufpumpen nicht zentriert), also Luft abgelassen, Mantel geruckelt, wieder aufgepumpt, immer noch Höhenschlag, also egal, weiter, 'nen Umweg gefahren und die Gruppe erst nach 50 km bei der Pause getroffen.

Aussichtspunkt am Erbeskopf


Trotz der so am Ende knappen Zeit hatte ich doch Gelegenheit mich mit einigen Teilnehmern zu unterhalten und über die Canyon Bikes zu fachsimplen. Weitgehende Einigkeit herrschte, dass kein Weg mehr an Scheibenbremsen am Rennrad vorbeiführt. Die Bremsen lassen sich einfach sehr viel leichter, gefühlvoller und konsistenter bedienen. Die Fahrer des Aeroads waren über den Komfort des Rades überrascht, von einem Aerorad erwartet man üblicherweise ein sehr viel harscheres Fahrverhalten. Diesen Punkt kann ich nach mittlerweile rund 15.000 km auf dem "Black Prince" nur bestätigen. Unangenehm aufgefallen sind die Laufräder mit den hohen Carbonfelgen, diese wurden als sehr Seitenwind anfällig beschrieben. Das ist meiner Erfahrung nach aber eine reine Übungssache. Ich fahre die 55mm Reynolds Laufräder, mit denen das Aeroad ausgerüstet ist, das ganze Jahr und kann die Seitenwindanfälligkeit nur bei überraschenden, starken Böen bestätigen. Trotzdem ist es keine Frage, dass niedrige Felgen von Seitenwind weniger beeinflusst sind und zu einer entspannteren Fahrt beitragen.

Panorama auf dem Erbeskopf

Neben der Möglichkeit die Canyonräder ausgiebig zu testen, muss man den aufmerksamen Rundumservice im Hotel zur Post noch erwähnen. Auch wenn ich nur wenig selber erfahren habe, so waren die Flammkuchen und die frischen Smoothies, die nach der Tour am Sonntag einfach so auf dem Tisch erschienen, ausgezeichnet. Über das Abendessen am Samstag habe ich auch nur Positives gehört. Alles in allem ein tolles Wochenende, das mit Sicherheit in Zukunft wiederholt wird

Wer darauf nicht warten möchte und Lust bekommen hat, den Hunsrück und den Hochwald unter Führung eines erfahrenen Guides schon früher zu erkunden und Canyon Bikes zu testen, dem sei gesagt, dass alle zwei Wochen ein RoadRide stattfindet. Der nächste am 27. Mai.






Hier die Profile und Strecken der drei Tage. Die Profile sind mit Veloviewer erstellt, ein Must Have Strava Add-On. Routen auf Strava: Tag 1, Tag 2, Tag 3



Freitag, 12. Mai 2017

Das Ende der Frühjahrskampagne

Mit mit zwei Saarlandmeistertiteln bei den Landesverbandsmeisterschaften im Zeitfahren und im Straßenrennen hat meine "Frühjahrskampagne" am vergangenen Wochenende ein ganz gutes Ende gefunden, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass meine Form Anfang Januar noch total im Keller und auf einem Allzeit Tief war. Und das nicht nur gefühlt. Am 04. Januar befand sich der Chronic Training Load (CTL) im Performance Management Chart bei 5.5. Das ist seeehr niedrig und war eine Folge der langen und wiederholten Trainingsunterbrechung nach dem "Ladder-Gate".

PMC Chart der Saison 2016 und 2017. Die türkis farbige Linie zeigt den CTL an. 

PMC? CTL? TSB? 

Der CTL nach Allen & Coggan ist ein Maß für den über eine längere Zeit akkumulierten Trainingsreiz. Die täglichen Werte für den Trainings Stress Score (TSS, basiert auf Power Werten) oder den Trainings Impuls (TRIMP, basiert auf Herzfrequenzwerten) werden einer exponentiell geglätteten Mittelwertberechnung unterzogen, jüngere Werte sind dabei stärker gewichtet. In der Standard Formel Beträgt die Zeitkonstante 42, damit machen die vergangenen drei Monate etwa 90% des Wertes aus. Wenn man über einen längeren Zeitraum konsequent und mit ansteigender Intensität und Volumen trainiert hat, bildet sich dass, was man gemeinhin unter "fitt sein" versteht. Der CTL Wert kann daher als Ausdruck für "Fitness" verstanden werden.

Die beste Fitness nutz aber wenig, wenn man von all dem harten Training fix und fertig ist. Daher ist ein zweiter Wert zu berücksichtigen: ATL (Acute Training Load). Die Formel ist identisch, nur wird hier eine Zeitkonstante von 7 verwendet, womit 90% des Wertes aus der Trainingsbelastung der letzten zwei Wochen besteht. Von hartem Training kommt man zwar langfristig in Form, wird aber kurzfristig erstmal müde. ATL kann daher auch als Gradmesser für die Ermüdung verstanden werden.


Dieser Chart zeigt die Gewichtungsfaktoren der täglichen TSS/TRIMP Werte zur Berechnung der CTL (blau) und der ATL (rot) Werte. Für den Acute Training Load wird das heutige Training mit rund 14% berücksichtigt, das gestrige mit rund 12%, der Tag davor mit knapp über 10% usw. Nach zwei Wochen beträgt die Summe der Gewichte etwa 90%, alle älteren Trainingseinheiten wirken sich also kaum noch auf den ATL aus. Auch in der Berechnung des CTL wird das aktuelle Training stärker berücksichtigt, allerdings nur mit knapp über 2%, die Abnahme des Faktors von Tag zu Tag ist viel geringer und es dauert sehr viel länger, bis die Summe bei 90% angelangt ist und vergangene Einheiten den Wert kaum noch beeinflussen. Trainingssoftware wie Golden Cheetah oder WKO erlaubt es, die Zeitkomponenten (42 bzw. 7 Tage) in der Berechnung zu ändern und die Reaktion des Models auf die individuelle Reaktion eines Sportlers auf Trainingsreize anzupassen.

Die Differenz zwischen CTL und ATL wird als Training Stress Balance bezeichnet (TSB=CTL-ATL) und ist das worauf es am Ende ankommt: Form (in Form sein, Form haben). Während harter Trainingsphasen ist der ATL zuweilen sehr hoch und der TSB tief im negativen Bereich. Am Wettkampftag, zumindest an den A-Rennen (also den wichtigen) sollte der TSB üblicherweise zwischen +10 und -10 betragen. Reduziert man Trainingsumfang und Intensität, nimmt der ATL schneller ab als der CTL, der TSB wird größer. Oder anders ausgedrückt: Die Müdigkeit nimmt ab, die Fitness bleibt: Ready to race! Den idealen Zeitpunkt zu finden, wann man mit einer Reduzierung des Trainings anfängt und was man während dieser Phase noch trainiert, ist die große Kunst des Taperings. Denn wenn man zu früh beginnt oder während des Taperings zu wenig trainiert, nimmt zwangsläufig auch der CTL Wert, die Fitness und letzendlich auch die Form ab.


In meinem Fall ist mir dies ganz gut gelungen. Am Morgen des Straßenrennens in Bliesransbach hat der PMC einen CTL von fast 60 und einen TSB von -4.5 angezeigt. Und tatsächlich habe ich in der ersten Runde am Ormesheimer Berg, als sich die entscheidende Gruppe gelöst hat, mit 421 Watt meine beste fünf Minuten Leistung seit May 2015 erzieht. Die entsprechenden Werte für 10 Minuten und 60 Minuten waren die besten der aktuelle Saison. Das alles bleibt noch immer weit hinter der Leistung von 2015 und 2016 zurück, ist aber eine gute Basis für das weitere Jahr.

Zu den Rennen selber:

Bei der Zeitfahrmeisterschaft standen in der Senioren 2 Klasse nur zwei Saarländer am Start, Harry Weirich vom RV Blitz Oberbexbach und ich. Ha, somit war ein Podestplatz schon mal gesichert. Das Rennen ging über zwei Runden à sieben Kilometer auf der Betonstrecke in Rüssingen. Harry startete 30 Sekunden vor mir, so konnte ich unterwegs gut den Abstand zu messen. Auf den ersten Kilometern habe ich auch gleich 10 Sekunden gut gemacht, danach kam meine "Aufholjagd" aber ins Stocken und der Abstand blieb bei 20 Sekunden hängen. Am Schluss wurde es dann nochmal sehr knapp, an meinem letzten Messpunkt 300 Meter vor dem Ziel betrug der Abstand wieder etwa 30 Sekunden. Mit einem Schlusssprint konnte ich gerade noch eine Sekunde Vorsprung ins Ziel retten, das war eng! An der Stelle: Glückwunsch an Harry! Das war ein Battle zum Erinnern, du hast mir wirklich alles abverlangt!


Das Straßenrennen fand auf der schweren Traditionsstrecke in Bliesransbach statt. Neben Fahrern aus dem Saarland und Rheinlandpfalz standen auch Hessen, Luxembourger und Franzosen an der Startlinie. Die Senioren 2 hatten vier Runden oder 80 Kilometer zu fahren. Das ist schon mal ein anständiges Radrennen. Bei der ersten Fahrt über den Ormesheimer Berg hat sich gleich die entscheidende sieben Mann Spitzengruppe gebildet (5 Hessen, 1 Schotte aus Luxembourg, 1 Saarländer). Die Gruppe hat einigermaßen harmoniert und in Runde drei ging die Schere zur zweiten Gruppe ordentlich auf, da war weit und breit nichts mehr zu sehen, ohne Defekt und Sturz sollte für uns alle ein Platz unter den ersten Sieben sicher sein. Während des Rennens habe ich mich wirklich gut gefühlt und bin für meine Verhältnisse recht konservativ mit meinen Kräften umgegangen.  Trotzdem hat es mich am letzten Anstieg des Rennens in Ormesheim total zerrissen. Nach einer Durchschnittsleistung von 353, 311 und 307 Watt habe ich in der letzten Runde nur noch mickrige 278 Watt treten können. Vier Mann waren auf und davon, ich kam mit Ralf Metz vom RSV Limburg  hinterher und habe den Sprint um Platz fünf verloren. Der sechste Platz bedeute aber immerhin den Saarlandmeistertitel und wie schon am Vortag teilte ich das Podest mit Oberbexbachern, an diesem Tag mit Uwe Sander und Jens Weicherding.




Besonders erwähnenswert ist noch die perfekte Absperrung des Rennens in Bliesransbach. Es ist schon lange her, dass ich in einem Radrennen mit soviel Polizeischutz unterwegs war. Vor dem Rennen und insbesondere während des Warmfahrens schien mir die Absicherung zwar ein bisschen übertrieben zu sein, wenn man aber an die Todesfälle denkt, die es in jüngster Vergangenheit bei Radrennen in Deutschland durch Autos auf der Strecke (hier) gab, kann man die Maßnahmen, die der Ausrichter und die Polizei getroffen haben, gar nicht hoch genug einschätzen. Das die zuständigen Behörden das Rennen in dieser Form genehmigen ist auch alles andere als selbstverständlich. Daher an dieser Stelle: Daumen hoch und vielen Dank!

Links:
Wikipedia Exponentielle Glättung
RV Edelweiß Bliesransbach
RV Falke Donnersberg
Tolle Bilder vom Elite Rennen gibt es auf der Facebookseite von Marcel Hilger

Montag, 8. Mai 2017

Video: Little 500 and Braking Away

Vor gut drei Wochen fand in Bloomington, Indiana, USA das Little 500 Radrennen statt. Ein Rennen auf einfachen Singlespeed Rädern und einer 400m lange Aschenbahn. Auf den ersten Blick eine nicht wirklich ernst zunehmende Spaß-Veranstaltung von Studenten, mehr Gaudi als Sport. Als in meinem Podcast Feed dann aber sogar eine eigene velonews Folge über die Traditionsveranstaltung aufgetauchte, habe ich doch mal genauer hingesehen.

Das Little 500 Rennen wird seit 1951 von der Studentenvereinigung der Indiana University ausgetragen und fand damit 2017 bereits zum 67. Mal statt. Das Frauen Rennen feierte dieses Jahr seine 30. Ausgabe. Das Format ist recht simpel und einfach zu verstehen: 33 Teams mit jeweils vier Fahrern starten über 200 (Männer) bzw. 100 Runden (Frauen) auf einheitlichen Singlespeed Rädern mit Rücktrittbremse. Es befindet sich immer nur ein Fahrer pro Team auf der Aschenbahn. Eine Runde hat eine viertel Meile, also etwa 400 Meter. Damit fahren die Männer rund 80, die Frauen rund 40 Kilometer.
Die Übersetzung ist auf 46x18 festgelegt, die Pedale sind ganz normale, flache Blockpedale und das Rad hat 700c Räder mit 32mm Reifen. Da muss man die Beine ganz schön schnell drehen, wenn man auf Geschwindigkeit kommen will, dass die Füße nicht auf den Pedalen fixiert sind, macht es nur umso schwieriger.
Jedes Team darf zwei Räder benutzen um unterschiedlichen Größen der Fahrer einigermaßen gerecht zu werden. Wird gewechselt, muss der abgebende Fahrer in der Wechselzone bremsen, abspringen, das Rad übergeben und der neue Fahrer springt in vollem Lauf in bester Cyclocross-Manier auf und setzt das Rennen fort.

Das Alles führt zu einem sehr taktischen Rennen, ähnlich wie bei den 500 Meilen von Indianapolis, dem Autorennen, dass auch tatsächlich Vorbild für die Little 500 war. Um an dem Rennen teilnehmen zu können müssen die Teams eine Qualifikation durchlaufen, die auch die Startreihenfolge festlegt. Zumindest in der Spitze ist das ernsthafter Sport und der Sieg ist hart umkämpft. Und spektakuläre Stürze gibt es auch, die aber wohl meist glimpflich ausgehen.

Neben dem Sport ist die Woche des Little 500 aber auch die größte und beste Party des Jahres, die in dem Rennen ihren Kulminationspunkt findet. Mehr als 25 Tausend (!!!) (Wikipedia) Zuschauer feuern die Fahrer an. Die Stimmung muss unbeschreiblich sein. In der Radsportwelt vielleicht nur mit den großen  Cyclocross Rennen in Belgien vergleichbar.






Das Rennen hat übrigens einem der bekanntesten Radsportfilme, Breaking Away, als Vorlage gedient  (Dt. Titel: Vier irre Typen - Wir schaffen alle, uns schafft keiner). Der Film handelt von vier jungen Kerlen am Übergang zum Erwachsen-Sein und der Suche nach Sinn und ihrem Platz in der Welt. Die Vier stammen aus Bloomington und sind Söhne von Steinbrucharbeitern (engl. Cutters) und im Vergleich zu den reichen Studenten aus der Oberschicht an der Indiana University unterprivilegiert. Einer der Vier, Dave, ist ein begeisterter und talentierter Radrennfahrer und schwärmt für Italien, was bei seinem Vater für ziemliches Unverständnis sorgt. Es kommt, wie sollte es anders sein, zu Reibereien zwischen den Jungs aus der Stadt und den Studenten, es geht um eine Frau und Imponiergehabe. Es gibt eine anständige Schlägerei und schliesslich bekommen die Cutters die Chance bei dem Radrennen der Universität, den Little 500, gegen die Studenten antreten zu können.

Wiederum von dem Film inspiriert gibt es seit dem ein echtes Cutters Team, das schon oft gewonnen hat und welches tatsächlich das einzige Team ist, in dem Fahrer starten können, die keine Studenten der Indiana University sind.

Auf YouTube gibt es nur ganz schlechte Kopien des Films, daher hier drei Movie Clips mit den besten Szenen:






Darüber hinaus gibt es auch noch zwei längere Dokumentationen über das Little 500, "One Day in April" aus 2016 und "Ride Fast, Turn Left" aus 2009:



Ah ja, und nicht zu vergessen, der velonews Podcast:

  

Links:
Wikipedia
Urban Dictionary
Little 500 YouTube Page
VeloNews Artikel