Freitag, 12. Mai 2017

Das Ende der Frühjahrskampagne

Mit mit zwei Saarlandmeistertiteln bei den Landesverbandsmeisterschaften im Zeitfahren und im Straßenrennen hat meine "Frühjahrskampagne" am vergangenen Wochenende ein ganz gutes Ende gefunden, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass meine Form Anfang Januar noch total im Keller und auf einem Allzeit Tief war. Und das nicht nur gefühlt. Am 04. Januar befand sich der Chronic Training Load (CTL) im Performance Management Chart bei 5.5. Das ist seeehr niedrig und war eine Folge der langen und wiederholten Trainingsunterbrechung nach dem "Ladder-Gate".

PMC Chart der Saison 2016 und 2017. Die türkis farbige Linie zeigt den CTL an. 

PMC? CTL? TSB? 

Der CTL nach Allen & Coggan ist ein Maß für den über eine längere Zeit akkumulierten Trainingsreiz. Die täglichen Werte für den Trainings Stress Score (TSS, basiert auf Power Werten) oder den Trainings Impuls (TRIMP, basiert auf Herzfrequenzwerten) werden einer exponentiell geglätteten Mittelwertberechnung unterzogen, jüngere Werte sind dabei stärker gewichtet. In der Standard Formel Beträgt die Zeitkonstante 42, damit machen die vergangenen drei Monate etwa 90% des Wertes aus. Wenn man über einen längeren Zeitraum konsequent und mit ansteigender Intensität und Volumen trainiert hat, bildet sich dass, was man gemeinhin unter "fitt sein" versteht. Der CTL Wert kann daher als Ausdruck für "Fitness" verstanden werden.

Die beste Fitness nutz aber wenig, wenn man von all dem harten Training fix und fertig ist. Daher ist ein zweiter Wert zu berücksichtigen: ATL (Acute Training Load). Die Formel ist identisch, nur wird hier eine Zeitkonstante von 7 verwendet, womit 90% des Wertes aus der Trainingsbelastung der letzten zwei Wochen besteht. Von hartem Training kommt man zwar langfristig in Form, wird aber kurzfristig erstmal müde. ATL kann daher auch als Gradmesser für die Ermüdung verstanden werden.


Dieser Chart zeigt die Gewichtungsfaktoren der täglichen TSS/TRIMP Werte zur Berechnung der CTL (blau) und der ATL (rot) Werte. Für den Acute Training Load wird das heutige Training mit rund 14% berücksichtigt, das gestrige mit rund 12%, der Tag davor mit knapp über 10% usw. Nach zwei Wochen beträgt die Summe der Gewichte etwa 90%, alle älteren Trainingseinheiten wirken sich also kaum noch auf den ATL aus. Auch in der Berechnung des CTL wird das aktuelle Training stärker berücksichtigt, allerdings nur mit knapp über 2%, die Abnahme des Faktors von Tag zu Tag ist viel geringer und es dauert sehr viel länger, bis die Summe bei 90% angelangt ist und vergangene Einheiten den Wert kaum noch beeinflussen. Trainingssoftware wie Golden Cheetah oder WKO erlaubt es, die Zeitkomponenten (42 bzw. 7 Tage) in der Berechnung zu ändern und die Reaktion des Models auf die individuelle Reaktion eines Sportlers auf Trainingsreize anzupassen.

Die Differenz zwischen CTL und ATL wird als Training Stress Balance bezeichnet (TSB=CTL-ATL) und ist das worauf es am Ende ankommt: Form (in Form sein, Form haben). Während harter Trainingsphasen ist der ATL zuweilen sehr hoch und der TSB tief im negativen Bereich. Am Wettkampftag, zumindest an den A-Rennen (also den wichtigen) sollte der TSB üblicherweise zwischen +10 und -10 betragen. Reduziert man Trainingsumfang und Intensität, nimmt der ATL schneller ab als der CTL, der TSB wird größer. Oder anders ausgedrückt: Die Müdigkeit nimmt ab, die Fitness bleibt: Ready to race! Den idealen Zeitpunkt zu finden, wann man mit einer Reduzierung des Trainings anfängt und was man während dieser Phase noch trainiert, ist die große Kunst des Taperings. Denn wenn man zu früh beginnt oder während des Taperings zu wenig trainiert, nimmt zwangsläufig auch der CTL Wert, die Fitness und letzendlich auch die Form ab.


In meinem Fall ist mir dies ganz gut gelungen. Am Morgen des Straßenrennens in Bliesransbach hat der PMC einen CTL von fast 60 und einen TSB von -4.5 angezeigt. Und tatsächlich habe ich in der ersten Runde am Ormesheimer Berg, als sich die entscheidende Gruppe gelöst hat, mit 421 Watt meine beste fünf Minuten Leistung seit May 2015 erzieht. Die entsprechenden Werte für 10 Minuten und 60 Minuten waren die besten der aktuelle Saison. Das alles bleibt noch immer weit hinter der Leistung von 2015 und 2016 zurück, ist aber eine gute Basis für das weitere Jahr.

Zu den Rennen selber:

Bei der Zeitfahrmeisterschaft standen in der Senioren 2 Klasse nur zwei Saarländer am Start, Harry Weirich vom RV Blitz Oberbexbach und ich. Ha, somit war ein Podestplatz schon mal gesichert. Das Rennen ging über zwei Runden à sieben Kilometer auf der Betonstrecke in Rüssingen. Harry startete 30 Sekunden vor mir, so konnte ich unterwegs gut den Abstand zu messen. Auf den ersten Kilometern habe ich auch gleich 10 Sekunden gut gemacht, danach kam meine "Aufholjagd" aber ins Stocken und der Abstand blieb bei 20 Sekunden hängen. Am Schluss wurde es dann nochmal sehr knapp, an meinem letzten Messpunkt 300 Meter vor dem Ziel betrug der Abstand wieder etwa 30 Sekunden. Mit einem Schlusssprint konnte ich gerade noch eine Sekunde Vorsprung ins Ziel retten, das war eng! An der Stelle: Glückwunsch an Harry! Das war ein Battle zum Erinnern, du hast mir wirklich alles abverlangt!


Das Straßenrennen fand auf der schweren Traditionsstrecke in Bliesransbach statt. Neben Fahrern aus dem Saarland und Rheinlandpfalz standen auch Hessen, Luxembourger und Franzosen an der Startlinie. Die Senioren 2 hatten vier Runden oder 80 Kilometer zu fahren. Das ist schon mal ein anständiges Radrennen. Bei der ersten Fahrt über den Ormesheimer Berg hat sich gleich die entscheidende sieben Mann Spitzengruppe gebildet (5 Hessen, 1 Schotte aus Luxembourg, 1 Saarländer). Die Gruppe hat einigermaßen harmoniert und in Runde drei ging die Schere zur zweiten Gruppe ordentlich auf, da war weit und breit nichts mehr zu sehen, ohne Defekt und Sturz sollte für uns alle ein Platz unter den ersten Sieben sicher sein. Während des Rennens habe ich mich wirklich gut gefühlt und bin für meine Verhältnisse recht konservativ mit meinen Kräften umgegangen.  Trotzdem hat es mich am letzten Anstieg des Rennens in Ormesheim total zerrissen. Nach einer Durchschnittsleistung von 353, 311 und 307 Watt habe ich in der letzten Runde nur noch mickrige 278 Watt treten können. Vier Mann waren auf und davon, ich kam mit Ralf Metz vom RSV Limburg  hinterher und habe den Sprint um Platz fünf verloren. Der sechste Platz bedeute aber immerhin den Saarlandmeistertitel und wie schon am Vortag teilte ich das Podest mit Oberbexbachern, an diesem Tag mit Uwe Sander und Jens Weicherding.




Besonders erwähnenswert ist noch die perfekte Absperrung des Rennens in Bliesransbach. Es ist schon lange her, dass ich in einem Radrennen mit soviel Polizeischutz unterwegs war. Vor dem Rennen und insbesondere während des Warmfahrens schien mir die Absicherung zwar ein bisschen übertrieben zu sein, wenn man aber an die Todesfälle denkt, die es in jüngster Vergangenheit bei Radrennen in Deutschland durch Autos auf der Strecke (hier) gab, kann man die Maßnahmen, die der Ausrichter und die Polizei getroffen haben, gar nicht hoch genug einschätzen. Das die zuständigen Behörden das Rennen in dieser Form genehmigen ist auch alles andere als selbstverständlich. Daher an dieser Stelle: Daumen hoch und vielen Dank!

Links:
Wikipedia Exponentielle Glättung
RV Edelweiß Bliesransbach
RV Falke Donnersberg
Tolle Bilder vom Elite Rennen gibt es auf der Facebookseite von Marcel Hilger

1 Kommentar:

  1. Wow, du bist jetzt gerade mal bei CTL 60? Und warst im letzten Sommer gerade mal bei 80? Viel und lang kommst du dann anscheinend nicht auf's Rad? Rennen gewinnen geht aber auch so, wie man sieht. ;-)

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