Samstag, 30. Juni 2018

95 Regeln - Der Kodex für Radsportjünger

Eines der faszinierenderen Dinge am (Straßen-) Radsport sind die unzähligen Details und Traditionen, die sich über mehr als ein Jahrhundert entwickelt haben und das Erscheinungsbild und die Verhaltensregeln prägen. Ob man sich selbst nun als überzeugten Radsportjünger betrachtet, der die Regeln als die reine Lehre sieht oder ob man das Alles für ausgemachten Quatsch hält ist ein Frage des Selbstverständnisses als Radfahrer. Denn natürlich kann man ganz wunderbar Rad fahren mit Sandalen und Flat-Pedals, mit unrasierten Beinen, mit Kniestrümpfen, mit einem dreckigen Rad, mit einer Satteltasche, mit einem TdF-Replica Trikot oder mit bunten oder sogar weißen Radhosen. In diesem Fall hat man wahrscheinlich aber auch nicht das geringste Verlangen zu der Gruppe der Radsportjünger dazu zugehören und die Regeln dieser versnobten Wannabe Anquetil-Merckx-Hinault's können einem gestohlen bleiben. Diejenigen, denen die Traditionen des Straßenrennsports etwas bedeuten, finden in den 95 Regeln die Niederschrift der Dos and Don't des Radfahrens auf schmalen Reifen.


Nun kann man dem Wortlaut der Regeln sklavisch folgen und sich als spaßfreier Fundamentalist zu erkennen geben oder die Regeln als Leitlinie betrachten, von der man ab und an und mit einem Augenzwinkern auch mal bewusst abweichen kann.

Als ich 2013 zum ersten mal auf die Velominati und die Regeln aufmerksam wurde, war das allermeiste, was diese Amerikaner da aufgeschrieben hatten, für mich schon immer eine Selbstverständlichkeit. In der Tat habe ich den Radsport so gelernt. Schaut euch mal das Bild auf der "Worum es geht" Seite an, entstanden ist es lange bevor es die Velominati überhaupt gab.

  • Regel #14 // Radhosen sollen schwarz sein - check
  • Regel #22 // Radmützen sind fürs Radfahren - check
  • Regel #26 // Mach dein Rad fotogen - check
  • Regel #27 // Hosen und Socken sollten die perfekte Länge haben (nun ja, die Socken sind in der Tat etwas kurz) - trotzdem check
  • Regel #28 // Socken müssen weiß sein - check
  • Regel #36 // Verwende nur richtige Radbrillen - check
  • Regel #45 // Vorbau runter - check
  • Regel #46 // Lenker waagerecht - check
  • Regel #50 // Gesichtsbehaarung ist im Zaum zu halten (damals war das noch einfacher) - check
  • Regel #53 // Halte deine Kleidung sauber und in Schuss - check
  • Regel #60 // Entferne die Staubkappen (auf den Ventilen) - check
  • Regel #65 // Pflege und respektiere deine Maschine - check
  • Regel #73 // Bremszüge sind auf optimale Länge zu kürzen - check
  • Regel #78 // Entferne unnötige Ausrüstung (2. Flaschenhalter ist ab) - check
  • Regel #80 // Sei immer und überall nonchalant - check
  • Regel #90 // Bleibe auf dem großen Blatt - check
Und das sind jetzt nur die Regeln, die man sehen kann. Natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit den Ball flach zu halten ("ich bin total außer Form") (#81), vernünftig zu trainieren (#71), die Linie zu halten (#59), das Tempo nicht ruckartig zu verschärfen (#88), nicht das Rad vorzustrecken (no Halfwheeling) (#86), den Müll nicht in die Landschaft zu werfen (#77) und dass man seine Platten selber flicken kann (#83).

Andererseits gibt es auch Regeln, die ich inzwischen als unpraktisch ansehe oder die totaler Quatsch sind. So ist mein Ersatzschlauch nicht mehr immer im Trikot, sondern in einer kleinen Tasche unter dem Sattel (#31). Bei Radmarathons habe ich die Minipunmpe am Rad (#30), im Training fahre ich oft mit Kopfhörern (#62), esse auch was bei Trainingsrunden unter vier Stunden (#91) und fahre bei Regen mit Schutzblechen am Rad. Die N+1 Geschichte (#12) und die ganzen "Harter Hund beisst die Zähne zusammen und das Rad ist wichtiger als die Familie" Punkte (#4, #5, #9, #10, #11, #12) sind offensichtlich nicht ganz ernst zu nehmen, sondern spielen mit dem nicht zu leugnenden Spleen vieler Radfahrer zu immer mehr Fahrrädern und ihrer Glorifizierung der eigenen und fremden Leiden auf dem Rad.

In jedem Fall ist die Lektüre kurzweilig, sorgt für den ein oder anderen Lacher und Gesprächsstoff bei er nächsten Ausfahrt, wenn man sich gegenseitig die Regelverstöße vorhalten kann.

Alle Regeln kann man auf der Homepage der Velominati in Englisch oder seit diesem Jahr auch in Deutsch mit ausführlicher Begründung aller Regeln in dem im Covadonga Verlag erschienen Buch nachlesen. Das Taschenbuch hat gut 300 Seiten und kostet 14,80 Euro, die Kindle Version 9,99 Euro.

Die Original Ausgabe habe ich 2013 (wie die Zeit vergeht) schon mal hier im Blog vorgestellt: Regeln Regeln Regeln.

Das Buch wurde mir vom Covadonga Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. Dafür vielen Dank.

Links:
Covadonga Verlagsseite zu "Die Regeln"
Velominati Homepage (Nicht zu verwechseln mit der .de Seite gleichen Namens, zu der ich mich hier jeden Kommentars enthalte)

Sonntag, 17. Juni 2018

Rapha Prestige Eifel

Es ist kurz nach sechs am Morgen irgendwo in der Eifel. Ich bin mit dem Rad auf dem Weg von der Jugendherberge zum Start des Rapha Prestige Eifel. Erste Sonnenstrahlen kämpfen sich durch den Nebel und es geht rasant bergab. Ich lasse das Rad laufen. Der vor mir fahrende Transporter bremst und fast setzte ich zum Überholen an, als ich realisiere, dass es um eine Kurve geht und ich zu schnell bin. SCH... VIEL ZU SCHNELL! Gerade so kann ich noch etwas bremsen und da die Straße nass ist, versuche ich mich gar nicht erst an der Rechts-Kurve sondern mache einen Bunny-Hopp über den Randstein, lande auf dem Grünstreifen, springe halb über den Lenker vom Rad ab und komme in der Hecke zum stehen. Puh, das war knapp. Zum Glück kam kein Auto entgegen und ich war auf meinem Cannondale Slate unterwegs, die Scheibenbremsen und die dicken Reifen haben mich gerettet (zusammen mit meinen überragenden Bike-Handling Skilzzz natürlich). Ich weiss nicht, ob ich die Situation mit dem Straßenrad noch gerettet hätte. Fast wäre die Rapha Prestige Eifel für mich vorbei gewesen, bevor es überhaupt los ging. Zumindest war ich danach wach und konnte pünktlich um 6:30 die Startunterlagen für mein Unterlenker Team entgegennehmen.


Seit einigen Jahren veranstalten die diversen Rapha Cycling Club (RCC) Chapter rund um die Welt die sogenanten Prestige Rides. Vorher hießen diese Veranstaltungen auch schon mal Gentlemen oder Continental Race. Wer danach sucht, findet viele schöne Videos von älteren Veranstaltungen. Der Modus hat sich nicht viel verändert. Es geht weniger um schnelle Zeiten, sondern mehr um das gemeinsame Erleben. Gestartet wird als Mannschaft mit vier Fahrer*innen im Abstand von je einer Minute und die allerwichtigste Regel ist, auch als komplette Mannschaft ins Ziel zu kommen. In der Eifel haben 44 Mannschaften einen der begehrten Startplätze bekommen. Gefahren wird auf Rennrädern. Die Strecken beinhalten oftmals Abschnitte, die auf schnellen Reifen noch gerade so fahrbar sind. Das stiftet ein bisschen Anarchie und Chaos und treibt den "Epic-Factor" nach oben. Ganz so pingelig sollte man mit seinem Material also nicht sein, Reifen mit 25 mm oder mehr werden empfohlen. Wir will kann auch mit Gravel oder Cross-Bike fahren. So wie ich mit dem Slate, das war zwar etwas weniger episch, dafür aber super komfortabel und das perfekte Rad für diesen langen Tag. Die Strecke ist nicht ausgeschildert und gefahren wird nur nach einem GPS Track. Auf den 200 km durch die Eifel gab es zwei Verpflegungsstellen, die erste mit dem Rapha Bus war fürstlich ausgestattet, mit Biertischgarnituren, Espresso und allem möglichen zu essen. State of the Art!

Vom Start in der Nähe von Monschau ging es zunächst an den Stauseen der Ruhrtalsperre vorbei. Das war der beste Abschnitt des Tages. Der Nebel hing noch über dem See, die Luft war frisch und das Panorama unglaublich. Auf den Schotterwegen am See vorbei musste man die Augen aber auf dem Weg lassen, das war ein bisschen schade. Ein weiteres frühes Highlight war die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang. Der Anstieg hinauf zu der Nazi-Burg war der steilste Abschnitt des ganzen Strecke und hatte es wirklich in sich. Oben angekommen wurden wir mit einem unglaublichen Panorama belohnt. Weiter ging es hoch und runter durch die Eifel bis wir kurz vor Düren den nördlichsten Punkt erreicht hatten. Der Rückweg führte über weite Strecken über den Vennbahn Radweg. Das war ganz ehrlich der langweiligste Abschnitt. Eisenbahnstrecken sind halt schlechte Radstrecken, kaum Kurven, ständige Kreuzungen und viel zu viele andere Radfahrer! Richtig schön wurde es wieder am Schluss auf der hohen Venn, einem Hochmoor. Die letzten Steigungen erforderten nochmal "All-In".

Nach guten sieben Stunden waren wir zurück am Café Grünental. Hey. Und gar nicht so langsam. Obwohl die Zeit nicht zählt, gab es trotzdem ein Ergebnis. Wir waren auf Platz sechs! Vielleicht ist das aber auch Ausdruck dessen, dass wir es total vermasselt und den Spirit des Rapha Prestige nicht erfasst haben. Keine extra Pausen, keine Fotostops und keine Fritten an der Bude 20 km vor Schluss, wo es soooooo gut gerochen hat. Da gibt es also noch Verbesserungspotenzial. Aber zumindest haben wir andere Fahrer getroffen, den ein oder anderen netten Plausch gehalten und die internationale Atmosphäre genossen.

Im Ziel gab es neben einer Radmütze und einem Verpfelgungsbeutel auch Bier, Wasser und Softdrinks und ein All you can eat Buffet mit Salat, Pizza und Lasagne. Das waren mal gut investierte 25 Euro Startgeld pro Fahrer.

Fazit des Tages: Sehr sehr cool! Die Rapha Prestige Eifel hat wirklich Spass gemacht. Eine prima organisierte Veranstaltung in einer tollen Landschaft und das Wetter hat auch mitgespielt. Wenn alle RCC Veranstaltungen so viel Spass machen, tut es mir umso mehr leid, dass es kein Rapha Clubhaus in der Nähe gibt. Da würde ich mich bestimmt öfter blicken lassen.

Credits: Erwin Sikkens + Rapha / Erwin hat auch die Bilder in dem Facebook Album geschossen. 
Link am Ende des Posts. Danke dass ich hier einige Bilder verwenden darf.


Credits: Erwin Sikkens + Rapha










Team Unterlenker: Jan, Boris, Christian und Tom



Relive 'Rapha Prestige Eifel'


Links:
Rapha Prestige Homepage
Rapha Clubhouse Amsterdam - Prestige Fotoalbum auf Facebook
Erwin Sikkens - Der offizielle Prestige Eifel Fotograf

Samstag, 16. Juni 2018

Time Trial - Ein Rennen gegen die Zeit

David Millar ist eine der umstritteneren Persönlichkeiten im Radsport. Als erster britischer Fahrer trug er die Führungstrikots der drei großen Landesrundfahrten und war über Jahre der Favorit jedes Zeitfahrens, bei dem er antrat. 2003 krönte er seine Karriere mit dem Weltmeistertitel im Zeitfahren vor Taylor Hamilton. Im Jahr darauf folgte der tiefe Fall. Die Dopingermittlungen der Cofidis-Affäre brachten den Betrüger und Lügner zu Tage, der Millar damals war. Ein Doper, der alle Register zog. Es folgte die Aberkennung des Weltmeistertitels und ein zweijährige Sperre. Nach dem tiefen Sturz mit Unmengen an Alkohol folgt ein Comeback als geläuterter Fahrer und engagierter Kämpfer für einen sauberen Sport. Auch nach seiner Rückkehr kann er eine ganze Reihe von großen Erfolgen feiern. Unter anderem wird er 2010 Vizeweltmeister im Zeitfahren, gewinnt in der gleichen Disziplin bei den Commonwealth Games die Goldmedaille und fügt Etappensiege bei Giro (2011), Tour (2012) und der Vuelta (2009) zu seinen Palmarès hinzu.


2014 sollte Millar's große Abschiedstournee als Radprofi werden. Der Schlussakkord unter einer wechselvollen Karriere, ein letztes Hurra. Noch einmal die Klassiker, eine letzte Tour de France. Finlay Pretsell begleitete Millar mit der Kamera und nimmt den Zuschauer mit in dieses letzte Jahr, das ganz anders wird als geplant.

Regisseur Pretsell und Kameramann Martin Radich gelingen dabei außergewöhnliche Bilder. Bei einigen Rennen erlaubten die Veranstalter gar ein eigenes Kameramotorrad für die Filmemacher, dazu kamen Kameras am Rad und ein Mikrophon am Trikot von Millar. Dem Zuschauer wird so ein seltener Einblick in das Peloton gewährt. Man hört die Gespräche der Rennfahrer unter sich, wie Rennen organisiert und Anstieg gefürchtet werden. Manchmal unterscheiden sich das nicht von dem Smal-Talk, der auf jedem x-beliebigen Büroflur geführt wird.

Über Minuten passiert fast nichts. Millar im Rennen, im Training, von vorne, von hinten, Straßen die bergauf und bergab führen. Radrennen sind irgendwann auch nur noch Routine. Die Zeit dehnt sich endlos und Monotonie macht sich breit. Der Ausdruck "Gefangene der Landstraße" bekommt auf einmal ein echte Bedeutung und ist nicht mehr nur eine Floskel.


Millars großes und selbstverständliches Ziel ist ein letztes Mal die Tour de France zu bestreiten. Das Rennen, dass ihn zum Radsport brachte. Ein einziges Mal wollte er in Paris ankommen. Das war immer sein Zeil. Eine Tour de France. Am Ende wurden es zwölf. Doch Millar läuft seiner Form hinterher. Der Körper reagiert nicht mehr wie früher. Ergebnisse bleiben aus. Selbstzweifel wachsen. Als er bei einer Etappe von Tirreno-Adriatico (?) letzter wird, sagt er: "Als Letzter ins Ziel zu kommen ist manchmal genauso wichtig wie zu gewinnen. Ich habe noch Zeit das in den Griff zu bekommen." Eine Szene später unterhalten sich Millar und sein Zimmergenosse Thomas Dekker über das Leben als Rennfahrer und Dekker sagt zu Millar "Dafür hast du keine Zeit mehr."

Mailand San Remo soll die Wende bringen. Es regnet in den ersten Stunden ohne Unterlass und es ist kalt. Millar lässt sich zum Teamwagen zurückfallen, wechselt die Handschuhe und versucht die Regenjacke zu schließen. Mit den dicken Handschuhen und den kalten Fingern will es aber einfach nicht gelingen. Nach mehreren Minuten frustrierter Versuche muss er schliesslich anhalten und sich helfen lassen. Welch ein Drama.

Immer wieder blendet der Film Szenen aus Millars Kariere ein. Rückblicke. Erinnerungen an gute und nicht so gute Tage. Und immer wieder taucht das Doping Thema auf. Man bekommt ein Idee, wie anstrengend und emotional auslaugend es sein muss wieder und wieder über die eigenen Fehler zu sprechen, es immer wieder zu erklären.

Schließlich wird Millar von seinem eigenen Team, bei dem er nicht nur Rennfahrer, sondern auch Teilhaber ist, nicht zur Tour de France nominiert. Der letzte Akt bleibt ihm verwehrt. Es reicht nicht. Millar ist nicht mehr der Fahrer, der er einst war und das erste Mal seit er denken kann fließen Tränen.

Diese intimen Bilder, wenn die Kamera die Selbstzweifel, den ins Leere gerichteten Blick, die aufkeimende Ahnung der Aussichtslosigkeit und schließlich die offene Verzweiflung einfängt, sind die besten, stärksten Momente dieses Filmes.

Time Trial ist ein ganz großartiger Film, der wenig mit Zeitfahren, aber viel mit dem Fahren gegen die noch verbleibende Zeit zu tun hat.



Den deutschen Verlag hat mindjazz pictures übernommen. Die Deutschlandpremiere ist am 4. Juli in Düsseldorf im Cinema Kino. Gastgeber ist Schicke Mütze und mindjazz pictures. David Millar wird anwesend sein und es wird die Möglichkeit einer gemeinsamen Ausfahrt geben. Hier der Facebook Link zu der Veranstaltung.

Offizieller Kinostart ist dann am 5. Juli. Die Liste der Kinos ist hier zu finden. Derzeit arbeitet der Vertrieb daran den Film an mehr Orten zu zeigen, falls euer Kino also noch nicht dabei ist, einfach nochmal checken oder direkt bei dem Kino nachfragen.
Im Saarland wird der Film ab dem 12. Juli in der Camera Zwo laufen. DEM Kino im Saarland für Filme abseits der der Crash-Knall-Kawumm-Hollywood Filme. Dort ist 2015 auch schon der Lance Armstrong Film "Um jeden Preis" gelaufen.

Links:
Deutsche Homepage
Englische Homepage
Kritik im Guardian (lesenswert)
Movie Database
Einige Schnipsel und weitere Videos im Time Trial YouTube Channel

Freitag, 8. Juni 2018

Dirty Kanza 200 und die Suche nach dem Warum

Am vergangenen Wochenende fand die inoffizielle Gravel-Weltmeisterschaft statt, das Hawai des Rennradfahrens auf Schotterstraßen, die Dirty Kanza 200. Rund 320 Kilometer auf amerikanischen Farmstraßen durch die wellige Landschaft des mittleren Westens. Über 1000 Starter haben sich der Herausforderung gestellt. Ted King hat das Rennen mit einer Zeit von 10 Stunden und 44 Minuten gewonnen. Sven Nies hat ein DNF und Jens Voigt kam gerade so unter die ersten 100.

Über 300 Kilometer auf Schotter, Wind, Hitze, ein dutzend Stunden und mehr im Sattel, ein Plattfuß nach dem anderen. Warum macht man so etwas? Wer tut sich das an, noch dazu freiwillig? Mythical State of aka MFS aka Manual for Speed hat sich auf die Suche gemacht und fünf Athleten ausgewählt und durch ein Trainingsprogramm geschleust, vermessen, bewertet und befragt. Dazu Gespräche mit Wissenschaftlern, einer Rabbinerin, Ernährungsexperten, Anthropologen, Traumdeutern und anderen Experten geführt, alles, um das Warum herauszufinden, das WHY. Projekt Y.


Herausgekommen ist eine sehenswerte Dokumentation über 45 Minuten. Sicherlich nicht die übliche Wissenschaftsdoku, aber hey, die gehörige Portion Craziness ist das Markenzeichen von MFS.


Links:
Project Y Homepage (Unbedingt anschauen, dort gibt es soooooo viel zu entdecken und zu lesen, brilliant)

Dienstag, 5. Juni 2018

Rückenwind am Berg

Als ich vor einigen Tagen eine Feierabendrunde gedreht habe, war mir irgendwie nach schnell fahren zumute. Der Anstieg nach St. Barbara in der Nähe von Saarlouis, der auch Teil der Deutschland Tour Etappe im Saarland ist, kam da gerade recht um ein wenig die Muskeln spielen zu lassen. Eines vorab, es geht hier nicht um vermeintliche Strava Großtaten, sondern um die Relativität der Leistung oder besser der Geschwindigkeit auf dem Rad.

St. Barbara also, breite Straße, eine Haarnadelkurve, durchschnittlich rund 7 Prozent steil, 1,4 km lang, der KOM unter 4 Minuten. Vor einigen Wochen bin ich dort gerade mal 11 Sekunden an der Bestzeit vorbei gefahren und dass ohne mich total links zu machen. Das sollte doch besser gehen! Auf der schnellen Feierabendrunde habe ich also mal so richtig reingehalten, der Garmin zeigte durchweg höhere Wattzahlen an und oben war ich ernsthaft ausser Puste. Umso erstaunlicher, dass meine Zeit schlechter war und mir zwei Sekunden verloren gegangenen sind obwohl die Durchschnittsleistung deutliche 20 Watt höher lag. 

Jetzt ist es nichts Neues, dass Rückenwind auch am Berg helfen kann, dass es aber doch so viel ausmacht, war in dieser Deutlichkeit mal interessant zu sehen. Hier zwei Print Screens des Segmentes von MyWindsock (Review). Auf der ersten Fahrt kam der Wind mit 14 - 23 km/h von hinten, bei der zweiten Fahrt mit rund 5 Stundenkilometern von vorne. MyWindsock berechnet einen Vorteil von 10 Sekunden, bzw. einen Nachteil von 4 Sekunden gegenüber einer Fahrt bei Windstille. 



Dass der Wind an einem vergleichsweise kurzen Segment am Berg, noch dazu mit wechselnder Richtung, so viel Unterschied macht, hat mich dann doch erstaunt. Die Strava Leaderboards sind somit (natürlich) nur eingeschränkt eine Rangfolge der stärksten Fahrer. Wie im Radrennen kann man mit Cleverness und dem Ausnutzen der äusseren Umstände die Entscheidung zu seinen Gunsten drehen, und dass finde ich dann doch wieder ganz passend. 

Die Bestzeiten der Profis an den großen Anstiegen in den Alpen und sonst wo, auch das wird hier deutlich, sind nicht unbedingt miteinander zu vergleichen und Straßen-Radsport hängt nicht von Bestzeiten, sondern von Renngeschick, Streckenkenntnis, den Umständen und der Tagesform ab. 


Links:
My Windsock Homepage