Regisseur Pretsell und Kameramann Martin Radich gelingen dabei außergewöhnliche Bilder. Bei einigen Rennen erlaubten die Veranstalter gar ein eigenes Kameramotorrad für die Filmemacher, dazu kamen Kameras am Rad und ein Mikrophon am Trikot von Millar. Dem Zuschauer wird so ein seltener Einblick in das Peloton gewährt. Man hört die Gespräche der Rennfahrer unter sich, wie Rennen organisiert und Anstieg gefürchtet werden. Manchmal unterscheiden sich das nicht von dem Smal-Talk, der auf jedem x-beliebigen Büroflur geführt wird.
Über Minuten passiert fast nichts. Millar im Rennen, im Training, von vorne, von hinten, Straßen die bergauf und bergab führen. Radrennen sind irgendwann auch nur noch Routine. Die Zeit dehnt sich endlos und Monotonie macht sich breit. Der Ausdruck "Gefangene der Landstraße" bekommt auf einmal ein echte Bedeutung und ist nicht mehr nur eine Floskel.
Millars großes und selbstverständliches Ziel ist ein letztes Mal die Tour de France zu bestreiten. Das Rennen, dass ihn zum Radsport brachte. Ein einziges Mal wollte er in Paris ankommen. Das war immer sein Zeil. Eine Tour de France. Am Ende wurden es zwölf. Doch Millar läuft seiner Form hinterher. Der Körper reagiert nicht mehr wie früher. Ergebnisse bleiben aus. Selbstzweifel wachsen. Als er bei einer Etappe von Tirreno-Adriatico (?) letzter wird, sagt er: "Als Letzter ins Ziel zu kommen ist manchmal genauso wichtig wie zu gewinnen. Ich habe noch Zeit das in den Griff zu bekommen." Eine Szene später unterhalten sich Millar und sein Zimmergenosse Thomas Dekker über das Leben als Rennfahrer und Dekker sagt zu Millar "Dafür hast du keine Zeit mehr."
Mailand San Remo soll die Wende bringen. Es regnet in den ersten Stunden ohne Unterlass und es ist kalt. Millar lässt sich zum Teamwagen zurückfallen, wechselt die Handschuhe und versucht die Regenjacke zu schließen. Mit den dicken Handschuhen und den kalten Fingern will es aber einfach nicht gelingen. Nach mehreren Minuten frustrierter Versuche muss er schliesslich anhalten und sich helfen lassen. Welch ein Drama.
Immer wieder blendet der Film Szenen aus Millars Kariere ein. Rückblicke. Erinnerungen an gute und nicht so gute Tage. Und immer wieder taucht das Doping Thema auf. Man bekommt ein Idee, wie anstrengend und emotional auslaugend es sein muss wieder und wieder über die eigenen Fehler zu sprechen, es immer wieder zu erklären.
Schließlich wird Millar von seinem eigenen Team, bei dem er nicht nur Rennfahrer, sondern auch Teilhaber ist, nicht zur Tour de France nominiert. Der letzte Akt bleibt ihm verwehrt. Es reicht nicht. Millar ist nicht mehr der Fahrer, der er einst war und das erste Mal seit er denken kann fließen Tränen.
Diese intimen Bilder, wenn die Kamera die Selbstzweifel, den ins Leere gerichteten Blick, die aufkeimende Ahnung der Aussichtslosigkeit und schließlich die offene Verzweiflung einfängt, sind die besten, stärksten Momente dieses Filmes.
Time Trial ist ein ganz großartiger Film, der wenig mit Zeitfahren, aber viel mit dem Fahren gegen die noch verbleibende Zeit zu tun hat.
Den deutschen Verlag hat mindjazz pictures übernommen. Die Deutschlandpremiere ist am 4. Juli in Düsseldorf im Cinema Kino. Gastgeber ist Schicke Mütze und mindjazz pictures. David Millar wird anwesend sein und es wird die Möglichkeit einer gemeinsamen Ausfahrt geben. Hier der Facebook Link zu der Veranstaltung.
Offizieller Kinostart ist dann am 5. Juli. Die Liste der Kinos ist hier zu finden. Derzeit arbeitet der Vertrieb daran den Film an mehr Orten zu zeigen, falls euer Kino also noch nicht dabei ist, einfach nochmal checken oder direkt bei dem Kino nachfragen.
Im Saarland wird der Film ab dem 12. Juli in der Camera Zwo laufen. DEM Kino im Saarland für Filme abseits der der Crash-Knall-Kawumm-Hollywood Filme. Dort ist 2015 auch schon der Lance Armstrong Film "Um jeden Preis" gelaufen.
Links:
Deutsche Homepage
Englische Homepage
Kritik im Guardian (lesenswert)
Movie Database
Einige Schnipsel und weitere Videos im Time Trial YouTube Channel
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