Montag, 30. Juli 2018

Chad Hagas #oversimpLeTour

Wow, jetzt ist die Tour de France 2018 auch schon wieder vorbei. Und was war das für ein Rennen! John Degenkolb konnte eine fantastische, chaotische Kopfsteinpflaster Etappe in Roubaix gewinnen. Richie Porte war wieder vom Pech verfolgt und musste nach einem Sturz aussteigen. Vincenzo Nibali stürzte im Anstieg nach Alp d'Huez und fuhr mit einem gebrochenen Wirbel schneller als die übrigen Favoriten. Philippe Gilbert stürzte in einen Abgrund und fuhr die 60 Kilometer bis ins Ziel mit einer gebrochener Kniescheibe. Französische Bauern haben die Straße blockiert und die Tour de France für einen kurzen Moment aufgehalten (was vielen Fahrern die Tränen in die Augen trieb). Lotto NL-Jumbo hat das Rennen spannend gemacht und den Sky Zug zumindest ein bisschen ins Wanken gebracht. Chris Froome zeigte bis dahin unbekannte Schwächen und wechselte in die Rolle des Wasserträgers. Tom Dumoulin versuchte alles und beendete die Tour auf einem sensationellen zweiten Platz. Mit Geraint Thomas stand ein Sky Fahrer ganz oben auf dem Podest, der allem Anschein nach wirklich sympathisch und ein feiner Kerl ist. Und überhaupt die Strecke! Kopfsteinpflaster! Alp d'Huez! Eine 60 Kilometer Bergsprint Etappe (gut, der Grid-Start war ein Gimmick)! Der Tourmalet! Und drei Wochen Sonne.

Chad Haga vom Team Sunweb hat, wie schon beim Giro, zu jeder Etappe einen Tweet verfasst und das Geschehen des Tages pointiert und in wenigen Worten zusammengefasst. Das war eines meiner täglichen Highlights. Alle #oversimpLeTour Tweets zum nachlesen ein einem Rutsch:


Auf cyclingNews schreibt Haga aber auch etwas ausführlicher. Zu seiner Kolumne dort geht es hier entlang.

Links:
Chad Hagas Profil bei Sunweb / Wikipedia / Pro Cycling Stats / Twitter

Donnerstag, 26. Juli 2018

Everve Kit im Unterlenker Test

Letztes Jahr habe ich über Everve geschrieben, den kleinen, aber feinen Hersteller von Radsportkleidung von der schwäbischen Alb. Damals habe ich Trikot und Hose nach einer ersten Anprobe wieder zurückgesandt. Warum, könnt ihr hier nochmal nachlesen. Dieses Jahr hat Everve mich kontaktiert und mir eine me Trägerhose und ein tech Trikot zum Testen zur Verfügung gestellt. Wie könnte ich da nein zu sagen? Mir sind sowohl die Marke als auch die Mitarbeiter sehr sympathisch. Ich habe versucht, meine Meinungsfindung davon möglichst nicht beeinflussen zu lassen und denke, dass mir das ganz gut gelungen ist. Los geht's:





Everves Flagship Produkt ist ohne Frage die me-Trägerhose, deren Alleinstellungsmerkmal die austauschbaren Polsterkerne sind. Statt eines fest eingenähten Polsters hat die Hose zwei herausnehmbare PUR Elastomerkerne. Dadurch kann die Hose an Fahrstil (sportlich flach oder aufrechter), Rad (Rennrad oder MTB), Fahrergewicht und Sattel individuell angepasst werden. Das System ist patentiert und gibt es nur bei Everve. Sollte die ursprüngliche Auswahl mal nicht zufriedenstellend sein, werden die Kerne einmalig kostenlos umgetauscht oder kosten später 15 Euro.

Nimmt man die Hose in die Hand und unterzieht sie einer genauen Betrachtung, sticht zunächst einmal die perfekte Verarbeitung ins Auge. Die Nähte sind ohne Ausnahme sehr sauber ausgeführt, nirgendwo stehen Fäden ab oder sind Schludrigkeiten zu entdecken. Bei der Anprobe fällt der niedrige Bund, der unkonventionelle Schnitt und die "Hosenträger" auf der Vorderseite auf. Der niedrige Bund macht zum einen den Boxenstop am Straßenrand für die Herren sehr einfach und sorgt zum anderen für ein freies, "uneingeschränkteres" Tragegefühl. Im Gegensatz zu vertikalen Frontpanels üblicher Radhosen hat die Everve ein horizontales Panel über der Hüfte und erinnert damit von vorne etwas an eine Badehose. Auf dem ersten Bild oben ist das leidlich gut zu erkennen. Hat man bisher immer Radhosen mit hohem Bund getragen, braucht es etwas Gewöhnungszeit, bis man nicht mehr den Eindruck hat, die Hose würde zu niedrig sitzen und rutschen. Ist die Eingewöhnung vorüber, sitzt die Hose auch gefühlt ohne Fehl und Tadel. Nichts rutscht, nichts drückt und nichts schlägt Falten. Die Beine haben einen gummierten Abschluss, das Rückenpanel verfügt über einen großen Netzeinsatz und auf der Rückseite der Beine gibt es reflektierende Einsätze. Das Logo ist sehr viel kleiner und dezenter als 2017, das gefällt mir sehr gut. Jetzt kann man die Hose viel besser mit anderen Trikots kombinieren.




Die wichtigste Frage ist aber sicherlich: Wie sitzt man in der Hose und rechtfertigt das innovative Konzept den Preis? Um es kurz zu machen, ich kann es nur eingeschränkt sagen. Seit einiger Zeit fahre ich einen InfinitySeat, bei dem man auf der Muskulatur und nicht wie bei allen anderen Sätteln auf den Sitzhöckern sitzt. Unter diesen befindet sich beim InfinitySeat eine große Aussparung. Warum das gut ist und ich von dem Sattel bzw. "Sitz" begeistert bin, darüber wird es demnächst einen eigenen Post geben. Dadurch kann ich aber keine Aussage treffen, ob man mit der Hose auf einem normalen Sattel besser sitzt.

Wer allerdings Sitzprobleme auf dem Rad hat oder unter wundgescheuerten Stellen leidet, für den  könnte die me Hose eine Lösung sein. Everve ist es nämlich gelungen eine auf der Innenseite im Sitzbereich gänzlich glatte Hose zusammenzunähen. Es gibt keine sichtbaren Nähte. Diese sind alle in der Tasche der Polsterkerne versteckt und somit kann nichts scheuern und reiben.






Wie die Hose ist auch das Trikot tadellos verarbeitet und bringt in Größe M gerade einmal 105 Gramm auf die Waage. Ein echtes Leichtgewicht. Der durchgehende Reisverschluss lässt sich einfach einfädeln und ist sehr leichtgängig, ohne sich selbstständig zu bewegen. Am Kragen gibt es einen hübschen Abschluss, der verhindert, dass der geschlossene Reißverschluss am Hals scheuert und dazu den Everve typischen türkis farbigen Akzent setzt. Die Frontpanels des Trikot sind aus einem griffigen, weichen Gewebe gemacht, das sich sehr angenehm anfasst. Im Rückenpanel kommt ein Netzgewebe zum Einsatz.

Mein absolutes Highlight sind die nahtlos ausgeführten Armabschlüsse. Die sitzen ohne irgendein Abschlussgummi einfach perfekt, schneiden in keiner Weise ein und rutschen trotz alledem nicht hoch. Warum machen das nicht alle Hersteller so?
 



Leider hat man es bei Everve mit dem Weglassen der Silikon-Stopper dann etwas weit getrieben und am Rücken auch gleich darauf verzichtet. Zusätzlich sind die Taschen bis zum unteren Ende des Trikots ausgeführt. Mit etwas mehr und schwererer Beladung rutscht das Trikot dann im Wiegetritt gerne hin und her. Mit 1,83 Körpergröße und 71 Kilo trage ich meistens Trikots in S. Everve hat mir das Trikot in M zur Verfügung gestellt. Vielleicht hätte eine Nummer kleiner für einen festeren Sitz gesorgt. Ein letzte Kritikpunkt sind die flachen Eingänge der Taschen, diese liegen so glatt an, dass ich teilweise Schwierigkeiten habe den Eingang zu finden. Sehr gut ist allerdings die Transportkapazität. In die Taschen passt einiges rein, ohne dass man den Eindruck hat, dass man die Nähte auch nur annähernd an ihre Leistungsgrenze bringt.

Auf das Tragegefühl hat das aber keinen Einfluss, das kann ich nämlich nur als sehr angenehm beschreiben. Das elegante schwarze Kit aus Albstadt gehört zu meinen liebsten Stücken und macht  auf dem Rad immer was daher. Die 2018er Unterlenker Socken in Blau und Türkis passen farblich übrigens perfekt




Fazit
Die entscheidende Frage ist: Würde ich mir Hose und Trikot auch kaufen? Ich habe keinen Zweifel, dass die Hose ihr Geld und einen Versuch wert ist, besonders wenn man Sitzprobleme auf dem Rad hat oder auch nur einfach eine Oberklasse-Radhose möchte. Mit dem InfiniteSeat kann die me Hose ihre Stärke aber nur zum Teil ausspielen und wäre mir daher zu teuer. Das Trikot trägt sich sehr angenehm, ist perfekt verarbeitet und sieht toll aus. Da würde ich trotz der "Taschenschwäche" zugreifen.

Die me Trägerhose kostet 190, das tech Trikot 100 Euro. Beides und viele weitere schicke Radklamotten gibt es im Everve Webshop.

Montag, 23. Juli 2018

Unterlenker On Air

Heute war ich in Saarbrücken auf dem Halberg und dort zu Gast bei SR2 KulturRadio. Moderator Roland Kunz hat mit mir über "Die Regeln" gesprochen, das kürzlich im Covadonga Verlag auf Deutsch erschienene Buch mit den 95 Velominati Radsportregeln.

Ich habe es mir nicht nehmen lassen für das nur wenige Minuten dauernde Gespräch extra nach Saarbrücken zu fahren. Wenn ich schon mal ins Radio komme, dann will ich auch richtig ins Radio und das Aufnahmestudio von innen sehen und nicht nur telefonieren. Telefonkonferenzen habe ich auf der Arbeit schließlich genug. Auf dem Weg hoch zum Halberg war die Tour de France Bemalung auf der Straße unübersehbar. Das wurde bestimmt für einen schicken Trailer zur Tour verwendet. Vielleicht kennt ihr das aus dem Fernsehen? Das Logo und all die Schrift auf der Straße ist also nicht an einem Anstieg in den Alpen oder kunstvoll virtuell erzeugt, sondern ganz profan in Saarbrücken!



Der Moderator der Sendung hat mich dann schon am Eingang erwartet, es ging ruck-zuck ins Studio, auf dem Weg Shake-Hands mit der Redakteurin und bevor ich überhaupt richtig Luft holen konnte, war die Aufnahme am laufen, die Anmoderation gesprochen und die erste Frage zu beantworten. Ich hoffe ich habe mich ganz gut geschlagen. Beim Schreiben hier im Blog hat man ja immer die Möglichkeit den Text nochmal zu ändern, umzuformulieren, einen Gedanken herauszuarbeiten und präziser darzustellen, wovon ich auch immer reichlich Gebrauch mache. Viele Sätze hier sind mindestens zwei mal geschrieben, oder auch drei oder viermal. Oder werden gelöscht und von vorne begonnen. Im Radio ist das nicht so einfach. Was gesagt ist, ist gesagt. Zumindest war es nicht live und ich hoffe, dass die Redakteurin, die den Beitrag schneidet, genug Verwertbares findet.

Interessant war, wieviel Arbeit hinter so einem Einspieler von wenigen Minuten steckt. Die Redakteurin wurde auf das Velomiati-Buch aufmerksam und versuchte Rainer Sprehe, den Verleger und Übersetzer der deutschen Ausgabe, für ein Gespräch zu gewinnen. Aufgrund von Termin Schwierigkeiten kam dies aber nicht zustande. Herr Sprehe hat allerdings auf den Artikel über das Buch hier im Blog verwiesen. So kam ich ins Spiel. Es folgten weitere Telefonate und eine Terminvereinbarung. Der Moderator bekam ein ausführliches Briefing und Fragen. Das Gespräch wurde aufgezeichnet und wird anschließend nochmal geschnitten, umgestellt und was auch immer die Technikkünstler damit anstellen. Morgen nachmittag geht es dann auf Sendung. Und das alles wird von den paar Euro GEZ Gebühren bezahlt. Nicht schlecht!

Zu hören sein wird der Beitrag morgen nachmittag, dem 24. Juli, zwischen 13 und 17 Uhr auf SR2 KulturRadio. Hier geht es zum Livestream

Wenn es den Beitrag auch später in der Mediathek gibt, werde ich das hier verlinken (oder auch nicht wenn ich mich selber ganz furchtbar finde).

Update 24.07.2018:


Der Blogger auf der linken Seite mit einem klaren Verstoß gegen Regel 50 (Bart!)
rechts Moderator Roland Kunz

Mittwoch, 18. Juli 2018

Was Erfrischendes für zwischendurch

Der Sommer zeigt sich dieses Jahr ja wirklich von seiner besten Seite. Sonnenschein, weit über 20° und die Wettervorhersage lässt keine Änderung erahnen. Wegen mir kann das ruhig noch eine ganze Weile so weitergehen. Eine kleine visuelle Erfrischung in diesem endlosen Sommer bietet dieser Wahnsinns Film über eine Radtour im ewigen Eis. Brrrrr, und anschliessend schnell wieder raus in die Sonne!

Mittwoch, 11. Juli 2018

Es müssen nicht immer Berge sein.

Mit Bergen ist es wie mit Hotels, je höher die Kategorie desto besser. Im Radsport, etwa bei der Tour de France, gibt es deren fünf. Die einfachsten Berge sind in Kategorie Vier einklassifiziert, die schwersten in Eins oder sogar in "Hors Catégorie". Ein Mehr an Kategorie geht mit längeren und steileren Anstiegen, mehr Schweiß, mehr Leiden und mehr Prestige einher. Die großen Rundfahrten werden meist in den Bergen entschieden und bei einem  Radmarathon stehen Tausende am Start, wenn es nur genug bergauf geht.

David Millar hingegen sagt in dem gerade in den Kinos befindlichen Film Time Trial

"Ich fand Berge schon immer beengend. Sie strahlen keine Freiheit oder Leichtigkeit aus. Ich war schon immer ein Meer Mensch und habe die meiste Zeit am Meer gelebt. Wie soll man sich in den Bergen frei fühlen? Sie sind so schwer zu überwinden."

Gut, in dem schwer zu überwinden liegt für viele ja gerade der Reiz und was gibt es besseres als eine Kilometer lange Abfahrt mit perfekt geschwungenen Kurven auf makellosen Straßen, wie man sie nur in den Alpen findet? Auf der anderen Seite sind Berge aber vielleicht tatsächlich überbewertet. Radfahren ist nämlich auch ohne Höhenmeter-Orgien eine ganz wunderbare Sache, vielleicht sogar noch viel wunderbarer.

Letzte Woche war ich in den Niederlande. Urlaub am Meer. Sonne, weite Strände, Wind, salzige Luft. Was war das schön! Und ich muss ganz ehrlich sagen, Zeeland ist eine unterschätzte Rennrad-Urlaub Destination. Alle fahren im Sommer in die Berge. Pässe Pässe Pässe. Ich bin dieses Jahr teilweise unter Normal Null gefahren und es war herrlich! Radwege am Strand, lange Alleen, beeindruckende Brücken, nette Städtchen und eine endlose Auswahl an Radwegen und verkehrsarmen Straßen. Wind? Ja, Wind war auch. Klar, das gehört dazu. Aber genauso wie es Spaß macht Berge wieder runter zu brausen macht es Spass mit Rückenwind Rad zu fahren. Also alles halb so wild. Trotz der flachen Landschaft fand ich alle Touren bemerkenswert abwechslungsreich. Man sieht das Meer, fährt durch lichte Laubwälder, am Horizont tauchen Kirchtürme und Orte auf, es geht über Deiche, vorbei an Poldern und endlosen Feldern. 













Auf der Zeeland Tourist Info Seite gibt es eine eigene Sektion für Rennradtouren in Zeeland. Dort finden sich auch einige Tourenvorschläge mit durchaus sportlichen Distanzen von gut über 100 km. Ich habe meine Touren mit dem Strava Routen Planer und der Heatmap geplant und bin die Linie dann mit dem Garmin 520 abgefahren, was für den Anwendungsfall absolut ausreichend war. 

Das es in den Niederlande eine tolle Rad-Infrastruktur gibt, ist ja nichts Neues. Das selber zu sehen und, im wörtlichen Sinne, zu erfahren, war dann aber doch sehr beeindrucken. In den Niederlande haben sie sogar eigene Kontaktschwellen auf den Radwegen, die die Ampeln auf Grün schalten, wenn man mit dem Rad drüber fährt! Im Vergleich dazu ist die Radinfrastruktur hier in meiner Gegend Lichtjahre zurück. Das eigentliche Problem dahinter sind aber nicht schlechte und fehlende Radwege etc., sondern die in Deutschland fehlende Erkenntnis, dass Radfahrer gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer und Fahrräder für einen weiten Anwendungsbereich die besseren Fortbewegungsmittel sind. Hierzulande ist immer noch das Auto der König und zu viele Autofahrer glauben, dass nur ihnen die Straße gehört. Das ist oftmals gefährlich und die Unfähigkeit oder der Unwille der Politiker etwas daran zu ändern macht mich zunehmend wütend und frustriert.


Eine weitere bemerkenswerte Sache in Zeeland war die Auswahl an Craft-Bieren im Supermarkt. Ganze 20 Regalmeter Bier neben Bier! Zu kaufen in einzelnen Flaschen mit Bewertung und Klassifizierung von jedem einzelnen Bier. Ich schätze es gab gut und gerne zwischen 100 und 200 verschiedene Sorten. Eigentlich habe ich es ja nicht so mit Bier. Hier zu Hause schütte ich die Industrieplörre regelmäßig Monate nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weg, wenn wir für eine Feier doch mal einen Kasten gekauft haben. In Deutschland ist es ja so eine Sache mit Craft Bieren und dem Reinheitsgebot, was mir als totaler Quatsch erscheint, denn die Biere waren alle sehr gut und nach den Radtouren sehr erfrischend.

In diesem Sinne: Prost und auf nach Holland zum Radfahren!






Links:

Mittwoch, 4. Juli 2018

RPE - Eine unterschätzte Metrik

Leistungsmesser werden am Rennrad immer mehr zum Standard. Und tatsächlich ist der Powermeter ein Meilenstein in der Quantifizierung der Leistung im Radsport. Diese lässt sich präzise messen und eine ganze Reihe von Metriken werden überhaupt erst möglich. Acute Training Load (ATL) und Chronic Training Load (CTL) ermöglichen etwa eine hervorragende Kontrolle der Trainingsbelastung. Als Anhaltspunkt unterwegs und vor allem als Kontrolle nach dem Training wollte ich das nicht mehr missen. Schneller werde ich mit diesem zusätzlichen Wert im Display zwar nicht unbedingt (siehe dazu auch den vorhergehenden Post Keep it Simple), aber es reizt mich vom Standpunkt der Sportwissenschaft und Trainingslehre und als Gadget.

Interessanterweise gibt es immer wieder Studien, die den engen Zusammenhang zwischen dem Belastungsempfinden RPE (Rating of Perceived Exertion) und der tatsächlichen Leistung belegen.  Klar, wenn man sich die Augen vor den Kopf fährt ist man am Anschlag, da braucht es keinen Powermeter, um das fest zu stellen. Fahrer mit langjähriger Erfahrung und gutem Körpergefühl wissen darüber hinaus ganz genau, welche Leistung sie für eine Stunde aufrecht erhalten können und über welchen Punkt sie besser nicht gehen.

Es gibt sogar viele Situationen, in denen die Trainingssteuereung per RPE dem per Leistungszonen vorzuziehen ist. Nach einem harten Tag im Beruf etwa wird man weniger Watt tretet können als ausgeruht am Wochenende. PRE kann das berücksichtigen. Versucht man nach dem Arbeitstag Intervalle stur nach Watt Vorgabe zu fahren, wird man sich eher kaputt machen als den gewünschten Trainingsreiz zu erzielen.

Leistungsmesser sind keineswegs unnötig und ich bin, wenn sie richtig angewendet werden, ein großer Fan dieser Wunderwerke der Elektronik. Bei all der Technik sollten die Grundlagen aber nicht vernachlässigt werden, wozu definitiv das Belastungsempfinden gehört. Ein Training kann nur mit RPE und ohne Leistungsmesser gesteuert werden, umgekehrt hingegen nicht. Beides sind zwei Seiten der gleichen Medaille, der Leistung auf dem Rad, gemessen mit unterschiedlichen Systemen.

Nate Dunn von Data Driven Athlete hat ein sehr gutes Video zu dem Thema veröffentlicht. Die 20 Minuten sind gut investierte Zeit. Nate erklärt die Grundlagen des Belastungsempfindens und die sinnvolle Anwendung im Training mit und ohne Leistungsmesser.



Links:
Data Driven Athlete USING RPE TO GET STRONGER ON THE BIKE
CTS / Train Right: Is Perceived Exertion Accurate or Meaningful to Your Training?
Cycling Performance Tips: RPE

Dienstag, 3. Juli 2018

Keep it simple!

Alle Monate auf's neue findet sich in fast jedem Radsport-Magazin eine Strecke mit Trainingsplänen: Sechs Wochen bis zum Jedermann-Rennen, Training bei Hitze, Polarized Training für Hobbysportler, Nüchterntraining, Intervalle und dazu Crossfit, Gewichtheben, Coretraining, Stretching und und und. Das gleiche findet sich in vielfacher Ausfertigung im Internet. Dazu kommt ein ganzes Heer an Experten und Gurus, die auch noch dem gemütlichsten Hobbysportler eine Leistungsdiagnostik verkaufen und einen ausgeklügelten Trainingsplan mit vielen Zonen und fiesen Drills gleich mit dazu.

Nur, eigentlich ist das alles egal. Vor einigen Wochen habe ich auf einer Trainingsfahrt einen Fahrer getroffen, der an dem ein oder anderen Jedermann Rennen teilnimmt, ansonsten meist RTF's fährt und sich in der Vergangenheit auch mal an Lizenzrennen der Amateurklasse probiert hat. Das ganze durchaus mit dem Anspruch seine beste Leistung abzurufen und sich stetig zu verbessern. Wie wir so nebeneinander fahren kamen wir kurz auf Training und Leistungsdiagnostik zu sprechen und er erzählte, dass er es letztes Jahr wissen wollte und ein richtig fettes Paket von einer der führenden deutschen Trainingsfirmen gekauft hat, mit mehreren Leistungstests und detailliertem Training und was man sonst noch für wahrscheinlich ziemlich viel Geld bekommt. Die Verbesserung blieb leider weit hinter seiner Erwartungen zurück. Der gemessene FTP Wert war auch am Ende des Jahres ungefähr dort, wo er zu Beginn war.

In dem Zusammenhang kam mir nochmal ein Artikel von Steve Magness in den Sinn. Steve Magness ist ein Leichtathletik Trainer aus den USA und dürfte nur wenigen im Radsport bekannt sein. Sein Fachgebiet ist in erster Linie die Ausdauerseite des Laufens auf der Bahn, Cross Country und Marathon. Er hat von Olympioniken, Weltmeisterschaftsteilnehmern und Top 10 Marathonern bis hin zu Nachwuchssportler alle Klassen trainiert. Dazu hält er Vorlesungen und publiziert Bücher. Sehr empfehlenswert ist sein Podcast "Science of Running" und der wöchentliche Newsletter, sofern man sich für Trainingslehre und Coaching interessiert.


In dem Newsletter vom 13. März schreibt er unter der Überschrift "Don't Split Hairs" über einen Freund, der für die Detroit Pistons (Basketball) arbeitet und aufgrund des Rates des Fitness Coaches angefangen hat Gewichte zu heben. Denn, so der Coach, Gewicht-Training hat einen "Nachbrenneffekt" und verbraucht daher mehr Fett als Cardio-Training. Es geht Magness dabei aber nicht darum ob diese Aussage stimmt, sondern dass es überhaupt keine Rolle spielt. 99% der Leute trainieren um gesund zu sein und sich gut zu fühlen, inklusive der "Hobby-Leistungssportler". Nur für die Allerwenigsten, die tatsächlich ihr Haupteinkommen mit dem Sport erzielen und auf einem Weltklasseniveau antreten, gelten andere Regeln.

Für die Mehrheit aber ist das beste Training dass, das einen hart arbeiten lässt und das man konsequent verfolgt. Das ist alles. Just move, and move regularly.

Weiter schreibt er, dass der Stoffwechsel in erster Linie eine Funktion der Kalorien Zufuhr versus des Kalorienverbrauches ist. Der Bewegungsapparat kann durch Laufen genauso gut wie durch Gewichtheben oder Cross-Fit (oder viele andere Aktivitäten) trainiert werden. Das Herzkreislaufsystem wird durch jede Aktivität verbessert, die den Puls nach oben bringt und einen schwitzen lässt.

Das einzige was demnach zählt ist, dass man regelmäßig trainiert, bei einem einmal gefassten Plan bleibt und mehr Tage genießt als dass man es leid ist. Das ist alles. Ganz einfach. Wenn man ein paar grundlegende Dinge berücksichtigt, spielt nichts anderes mehr eine Rolle.

And therein lies the lesson of this rant. For so many things in which there are multiple approaches—for example: fitness, nutrition, and learning style—once you've ticked off a few basics, nothing else matters. Consider diet. The best predictor of success is adherence. Not amount of carbohydrates. Not amount of fat. Not amount of eating after 8 PM. Just whether or not you sticked to your plan.

Das Einhalten eines Planes wird umso einfacher, je mehr Spass man dabei hat. Eine Diät mag noch so gut sein, wenn es nicht schmeckt, wird man sich nicht dauerhaft dran halten. Ein Trainingsplan kann noch so große Verbesserungen versprechen, wenn man sich nicht dran hält (weil die Drills eine Qual sind), hilft er gar nichts. Man sollte nicht ein Training dem anderen wegen eines "Nachbrenneffektes" vorziehen, oder weil die "Kinetische Kette besser ausbalanciert" wird. Man sollte trainieren, was und wie es einem Spass macht, was einen hart arbeiten läßt und was sich gut anfühlt. Für die meisten Leute in den meisten Fällen ist dass das einzige was zählt.

Hier geht es zu dem originalen Artikel in Englisch

Was bedeutet dass nun für Radsportler? Zuerst die Basics:
  • Ausreichend Schlaf
  • Gesunde, ausgewogene Ernährung
  • Etwas Ausgleichssport: Schwimmen, Laufen, Gewichte heben, Stabi oder was auch immer der eigenen Vorliebe entspricht
  • Dehnen
Das Radfahren selber sollte in erster Linie Freude machen. Wer gerne Berge hochfährt soll Berge fahren, wer gerne flach fährt bleibt im Tal. Wie schon Eddy Merckx gesagt hat: "Fahre so viel oder so wenig, so weit oder nicht so weit wie du willst, Hauptsache ist du fährst". Wer dann etwas zielgerichteter trainieren will, legt die kurzen, intensiven Einheiten in die ersten Tage der Woche und die langen, ruhigen Fahrten ans Ende. Es sollte immer genug Regeneration eingeplant werden, lieber mehr als weniger. Nach drei bis vier anstrengenderen Wochen sollte eine ruhige Woche folgen. Alles darüber hinaus ist nur noch marginal. Ob man 30/30 oder 20/40 Intervalle fährt, Over/Under Einheiten, Tempo, Sweet Spot oder ein polarized Training  absolviert, alles egal. Sportwissenschaftlich und trainingsmethodisch ist das Alles reizvoll und hat ohne Frage seine Berechtigung, nur bei der RTF, dem nächsten Jedermann- oder Lizenz-Rennen wird es keinen oder kaum einen Unterschied machen.

Daher, geht raus und fahrt euer Rad wie auch immer ihr gerade Lust habt und nicht wie es der neueste Trainingsplan vorschlägt. Aber immer mit Style! ;-)