Sonntag, 30. April 2017

Ein Verteilungskampf

Gerade werden mal wieder besonders verbissen Argumente für und gegen das elektrifizierte Geländefahrrad ausgetauscht, das E-MTB. Vor einigen Tagen hat Ralf Neukirch im Spiegel Online Fahrrad Blog "Radel verpflichtet" über seine Abneigung gegen E-MTB's geschrieben. Er erzählt wie befriedigend es ist, wenn man sich einen Berg ganz alleine aus eigener Kraft hinauf kämpft und wie großartig man sich fühlt, wenn man die entsetzlichen Leiden hinter sich hat. Und wie deprimierend es ist, wenn man dabei von schwatzenden E-Bikern überholt wird, die ihre Zivilisations-annehmlichkeiten die Berge hoch prügeln und diesen kostbaren Moment des Eins-seins mit der Natur zerstören. Der Artikel wurde verbunden mit derart herabwürdigenden Beschimpfungen von E-MTB Fahrern in meiner Timeline geteilt, dass ich mich doch wundern musste und obwohl mich das Thema selber nicht betrifft ein paar Sätze dazu schreiben möchte.

Die grundsätzliche Missbilligung, die Herr Neukirch beschreibt, kann ich dabei durchaus  nachvollziehen. Es ist in der Tat frustrierend, wenn man hart für ein Ziel gearbeitet hat und andere erreichen das Gleiche viel leichter über eine Abkürzung, egal ob im Beruf oder in der Freizeit. Das schmeckt nach Betrug. Der Wanderer, der einen Berg über schmale Stiege erklommen hat, wird missbilligend auf den MTBer blicken, der den Fahrweg genommen hat. Der MTBer wird dann missbilligend auf dem E-Biker blicken, der sich ja gar nicht richtig angestrengt hat. Der E-Biker wiederum wird sich dem Bike-Park Fahrer überlegen fühlen, der gar nicht selber hoch gefahren ist sondern den Lift genommen hat und alle zusammen belächeln die Touristen, die mit der Seilbahn hoch und runter fahren und in leichten Sommerschuhen auf dem Gipfelplateau spazieren gehen.

Allen gemein ist, dass sie ein Naturerlebnis suchen, dass natürlich umso besser und authentischer ist, desto weniger Menschen da sind. So ist es im Kern ein Verteilungskampf um die endliche Resource der Natur. Der technische Fortschritt erlaubt immer mehr Menschen in vormals nur schwer zugängliche Gebiete vorzudringen. Die Liste ist lang:
  • Bessere Straßen in den Bergen und bessere Autos bedeuten auch mehr Verkehr auf den Passstrassen. 
  • Bessere Funktionskleidung, Schuhe usw. erlauben mehr Menschen Wanderungen auch bei nicht mehr ganz so gutem Wetter
  • Klettersteige ermöglichen vielen Menschen ein alpines Erlebnis, dass vorher echten Alpinisten vorbehalten war.
  • Sesselbahnen bringen Menschen auf Gipfel, deren Aussicht vormals nur Bergsteiger genießen konnten
  • Moderne Full-Suspension Bikes lassen auch relativ ungeübten Fahrern schwierige Downhill-Trails fahren
  • und so weiter und so fort
E-MTB's sind da nur die jüngste Errungenschaft. Es erstaunt mich sehr, wenn nun E-Biker von reinen Muskelkraftfahrern auf's wüste beschimpf werden und ihnen ihre Existenzberechtigung abgesprochen wird. Man muss E-MTBs für sich selber ja nicht gut finden (ich für meinen Teil finde das etwa ziemlichen Käse), aber deshalb ist es noch lange nicht zielführend, eine ganze Gruppe pauschal zu verunglimpfen. Das Gefährliche dabei ist nämlich, dass man ganz schnell selber zu einer beschimpften Gruppe gehören kann, z.B. zu den gedopten Strassenfahrern, zu den Rambo-Radlern in der Stadt, zu den Jedermann-Hanseln, den GCC-Möchtegernrennfahrern, zu den RTF-Touris, zu den arroganten Lizenz-Fahrern oder eben zu den E-Bike-Spacken. Am Ende fahren alle Rad. Die Autofahrer und die Wanderer freut es bestimmt, wenn die Radfahrer sich verkloppen statt konstruktiv zur Lösung der in der Tat bestehenden Probleme beizutragen.

Daniel von Coffee and Chainrings hat sich ebenfalls über den Hass, der E-Bikern entgegenschlägt,  gewundert und darüber geschrieben.

Die beste Devise ist wie so oft: Leben und leben lassen.

Links:
Kampf den E-Bikes in den Bergen, NZZ
Argumente gegen E-MTB Rennen, sehr interessant, bringt gut auf den Punkt worum es beim E MTB geht und worum nicht

Mittwoch, 26. April 2017

1. Saar Lux Challenge

Seit Anfang der 80er Jahre richtet der Radsport Club Überherrn ein Straßenrennen aus. Dieses Jahr fand das zurecht als Klassiker bezeichnete Rennen bereits zum 34. Mal statt. Als eines der letzten Rennen im Südwesten Deutschlands wird auf einer grossen Runde von über 10 Kilometer gefahren, mit Berg, mit ekligen Wellen, einer fiesen "Bergauf-Zielgerade", oft mit Wind und manchmal, wie 2016, richtig schlechtem "Klassiker-Wetter". Ein richtiger Renntag, bei dem alle Klassen von den fetten Reifen, über die Nachwuchsklassen bis hin zu den KT-Profis am Start stehen. Bis 2005 befand sich Start und Ziel in Überherrn selber. Eine neue Schnellstraße machte vor gut 10 Jahren eine Verlegung des Rennens auf den Saargau nach Itterdorf notwendig. Der genaue Termin orientiert sich dabei an Ostern und dem weißen Sonntag, also dem Tag der Kommunion in Ittersdorf, diese beiden Tage sind tabu, alles andere ok. Der Termin variiert daher von Jahr zu Jahr etwas.

 

Der Luftlinie nur gute 30 Kilometer entferne Vélo Club Schengen veranstaltet ebenfalls seit vielen Jahren ein Radrennen. Das Rundstreckenrennen findet inzwischen auf einer welligen fünf Kilometer Runde statt. Auf den ersten Blick keine besondere Herausforderung, aber die schmalen Straßen, die winkelige Passage über Feldwirtschaftwege, die ansteigende Zielgerade und nicht zuletzt die Windanfälligkeit fordern von den Rennfahrern allerletzten Einsatz. 2016 änderte man das Format und ergänzte das Rundstreckenrennen um ein Zeitfahren, der Fahrer mit der geringsten Gesamtzeit aus beiden Wettbewerben gewinnt. Um Zeit für den Kampf gegen die Uhr der weiblichen und männlichen Nachwuchsklassen und der Frauen zu schaffen, fiel das Elite Rennen weg, Masters und Junioren starten gemeinsam, werden aber getrennt gewertet.

Unglücklicherweise fanden die beiden Rennen in den letzten Jahren mehrmals am gleichen Tag statt. Als ob es nicht schon so zu wenige Rennen in der Region gibt, machen sich zwei der verbleibenden Veranstaltungen gegenseitig Konkurrenz. Für die diesjährigen Austragungen hat man sich auf Initiative des neuen Luxemburger Nationaltrainer für den Nachwuchs, Konstantin Gensow, endlich zusammengesetzt und nicht nur den Termin abgestimmt, sondern gleich den Grundstein einer Doppelveranstaltung gelegt. Das Rennen in Schengen findet jetzt Samstags statt, Überherrn bleibt auf dem Sonntag. Für die Fahrer der U17 und U19 gab es sogar eine Gesamtwertung, die Saar Lux Challenge mit Preisen für die Podiumsplätze.

Das alles ist aber gar nicht so einfach wie man vielleicht annehmen würde. Eine echte, gemeinsame und von beiden Verbänden abgesegnete Generalausschreibung bedarf wohl noch einiger Arbeit. Aber ein grossartiger Anfang ist gemacht und ich bin zuversichtlich, dass die Saar Lux Challenge ein bedeutendes Nachwuchs-Rennen werden wird. In der U17 gewann Jang Leyder vom UC Diekirch die Challenge, in der U19 konnte sich Pirmin Benz von der RSG Offenburg-Fessenbach als Sieger feiern lassen.



Aber es ging nicht nur um den Nachwuchs, die alten Herren durften auch starten. In Schengen sind die Masters zusammen mit den Junioren an den Start gegangen, wurden aber getrennt gewertet. Im Zeitfahren über zwei Runden, also 10 km, habe ich auf den schnellsten Junior knapp über eine Minute verloren und wurde 20., aber immerhin erster der Masters. Alleine meine "überlegene Kurventechnik" hat mich bestimmt 30 Sekunden gekostet. Schnell um Ecken fahren war noch nie meine Spezialität. Der zweite Masters Fahrer, Gary Maher, hatte nur 7 Sekunden Rückstand auf mich, obwohl er nicht mit Zeitfahrrad fuhr. Nicht schlecht.

Das Rundstreckenrennen war dann ein Radrennen aller erster Güte (12 Runden, 60 Kilometer). Von der ersten Runde an folgte eine Attacke der anderen. Die jungen Kerle sind gefahren als ob es kein Morgen gäbe. Zumindest kam es mir so vor. In den Kurven habe ich jedesmal ein paar Meter verloren und musste danach das Loch wieder zufahren. In einer Runde war ich vor einer der 90° Kurven am Hinterrad von Lukas Märkl, nach der Kurve hatte ich 10 Meter. Krass! Trotzdem gelang es mir irgendwie die Spitze zu halten und gegen Ende waren auch die beiden Ausreisser, die zwischenzeitlich mal 45 Sekunden hatten, gestellt und etwa 15 Fahrer gingen in die letzten beiden Runden. Ein Sturz auf gerader Strecke in der vorletzten Runde teilte dann die Gruppe und ich befand mich auf der falschen Seite des Splits. Obwohl wir zu viert alles versuchten, reichte es nicht mehr ganz. Egal, ich war froh mit den Junioren mitgehalten zu haben und konnte sogar die Blumen für den besten Masters Fahrer in der Gesamtwertung aus Zeitfahren und Rennen in Empfang nehmen.


Am nächsten Tag ging es dann mit dem Rad zum Rennen. Der Start ist nur 25 Kilometer entfernt, eigentlich genau richtig um die Beine wieder locker zu fahren. Brrr, aber kalt war es! Ich bin um 7:30 los (HALB ACHT!) um ohne Stress die Nummer abzuholen und um 9:00 am Start zu stehen. Unterwegs fiel die Temperatur auf dem Garmin auf gerade mal 0,1°! Das war wirklich kalt. Und die Beine haben sich gar nicht angefühlt, als ob da noch genug Energie für ein weiteres Radrennen drin wäre. Am Start wurden drei Runden angezeigt, 42 Kilometer, gerade genug für Sonntag morgen 9:00! Unterwegs ging es dann zwar besser als zunächst gedacht, aber am oberen Ende der Fahnenstange fehlen dann doch noch einige Watt. Schnell waren wir eine kleine Spitzengruppe, die aber nicht so richtig laufen wollte, der spätere Sieger und der Zeitplatzierte konnten so nochmal aufschliessen. Es gab verschiedene Ausreißversuche, einmal war ich dabei, dann wieder nicht, es wurde etwas taktisch und im Sprint der Verfolger um Platz vier habe ich, wie sollte es anders sein, wieder fast alle vorbei gelassen und bin Siebter geworden. Der WA hat mich im Ergebnis zwar erst mit über zwei Minuten Rückstand in der nächsten Gruppe auf Platz neun geführt, aber egal, dafür Einspruch einzulegen war es mir nicht wert. Die 10 Euro Preisgeld habe ich dem RSC gespendet, musste ich auch nicht warten und konnte heimfahren.

Insgesamt ein gutes Wochenende mit tollen Rennen. Beide Veranstaltungen waren top organisiert und die Saar Lux Challenge ist eine super Initiative und eine grossartige Gelegenheit für den Nachwuchs, sich in drei Rennen an zwei Tagen zu messen. Da ist in den nächsten Jahren noch einiges zu erwarten.




Bei dem Zeitfahren war teilweise Material vom Feinsten zu bestaunen:




Die Bilder von dem Rennen in Schengen sind von Albert Krier, der mit grossen Einsatz viele Sportereignisse in Luxembourg fotografisch festhält. Mehr Bilder gibt es auf seiner Facebook Seite. Vielen Dank, dass ich die Bilder hier verwenden darf.

Die Bilder des Rennens in Überherrn hat der RSC zur Verfügung gestellt, auch dafür vielen Dank.

Links:
RSC Überherrn Rennen (Ergebnisse, Bilder) 
Meine Strava Aktivitäten: ZeitfahrenRundstreckenrennenStraßenrennen

Freitag, 21. April 2017

Eine Radsport-Wallfahrt

In 27 Kapiteln berichtet Lidwey van Noord von ihrer Wallfahrt zu den historischen Stätten des Radsports in Italien. Sie besucht die Geburts- und Sterbeorte von grossen Champions, die Museen, die zur deren Ehren eingerichtet wurden, legendäre Anstiege, die Geschichte schrieben, sucht die Reliqien der grossen Tragödien des Sportes, trifft pensionierte Radprofis und sucht nach den Geschichten hinter der Geschichte, nach der Seele des italienischen Radsportes.

So erfährt man vieles über Binda, Bartali, Coppi, Pinarello, Nencini und viele andere, was selbst eingefleischten Kennern neu sein dürfte. Etwa die Geschichte des Maglia Nera, des schwarzen Trikots mit dem zwischen 1946 und 1951  der letzte Fahrer des Giro d'Italia ausgezeichnet wurde. Es gab damals obskure "Wettkämpfe" um die langsamste Zeit, in denen Fahrer Defekte vortäuschten, Pausen einlegten und Fans zu Hause besuchten. Das allerletzte schwarze Trikot gewann Giovanni Pinnarello, noch heute kann diese Trophäe in der Firmenzentrale in Treviso bestaunt werden. Das Startkapital zu Pinarellos Werkstatt war übrigens eine Prämie, die er von seinem Team erhielt um nicht (!) beim Giro d'Italia anzutreten und Platz für einen jungen, hoffnungsvollen Fahrer zu machen.

Neben all diesen Radsport Anektoden geht Lidwey van Noord auch immer auf das ein, was Italien ausmacht, auf die Unterschiede zwischen Oben, dem rationalen (für italienische Verhältnisse), geschäftsmäßigen, schweigsamen und reichen Norden, und Unten, dem lauten, herzlichen, chaotischen, armen und zurückgebliebenen Süden. Sie beschreibt die Regionen und Orte mit ihren Charakterzügen, Eigenarten und ihrem Selbstverständniss, in dass natürlich auch die Radsportler eingebettet sind. Erst 2007 gewann mit Danilo di Luca ein Fahrer aus dem Süden den Giro. Alle früheren Giro-Sieger stammten aus dem Norden. Man versteht besser welche Last auf Fahreren wie Marco Pantani gelegen hat, die mit den Erwartungen einer ganzen Nation konfrontiert waren.


Van Noord lässt dabei auch unangenehme Themen nicht aus und spricht mit Eddy Mazzoleni genauso über Doping wie sie Pantanis Drogen Missbrach beschreibt. Dabei verklärt und beschönigt sie nichts, wie man es vielleicht von einem eingefleischten Fan, einem Pilger, erwarten würde. Auf der anderen Seite richtet sie aber auch nicht. Eine wohltuende Abwechslung in der oft schrill geführten Debatte zu diesem Thema.

Ich hätte jetzt gerne geschrieben, dass mir diese oder jene der 27 Geschichten am besten gefallen hat, aber es ist nicht möglich eine einzelne Episode hervorzuheben, wo eine besser als die andere ist.

Das Buch wird abgerundet durch die eindrucksvollen Bilder meist menschenleerer Landschaften und Orte. Die meisten von Robert Jan van Noort, aber auch eine Reihe anderer Fotografen haben Arbeiten beigesteuert, in Radsportkeisen am bekanntesten düfte Gruber Images sein, von denen auch das Umschlagfoto stammt.

Noch ein Wort zu dem Buch selber. Genauso wie die Texte und die Bilder spielt auch die Ausführung auf höchstem Niveau. Das Papier ist herrlich dick, von besonderer Qualität und bringt die Bilder sehr gut zur Geltung. Der gewählte Schriftsatz macht das Lesen leicht. Ein gutes Buch ist doch immer wieder etwas Schönes und mit der kalten Haptik elektronischer Medien nicht im Entferntesten zu vergleichen.


Das Buch hat in der gebundenen Ausgabe 208 Seiten und ist auf Deutsch am 03. April 2017 erschienen. Der Preis beträgt 24,80 Euro. Ein E-Book ist ebenfalls erhältlich

Covadonga hat mir das Buch unaufgefordert als Rezessionsexemplar zugesendet. Dafür vielen Dank, ich habe mich ehrlich gefreut. Meine Meinung und diese Rezension sind davon natürlich trotzdem unbeeindruckt.

Links:
Verlagsseite mit einer Leseprobe
Homepage der Autorin, Lidwey van Noord
Homepage des Fotographen, Robert Jan van Noort

Mittwoch, 19. April 2017

Ein Sattelstützen Desaster

Am Ostersonntag bin ich das erste Rennen für 2017 gefahren. Letztes Jahr konnte ich in Buzy-Darmont noch gewinnen. Mit gehörigem Trainingsrückstand war dieses Jahr nichts vergleichbares zu erwarten, im Feld ankommen und ein paar erste Rennkilometer sammeln waren die einzigen Ziele. Insofern konnte ja eigentlich nichts schief gehen und ich bin recht entspannt nach Frankreich gefahren. Nach einer frühlingshaften Woche mit Temperaturen um die 20 Grad war an Ostern wieder Klassikerwetter angesagt, gerade mal 10 Grad, Wind und dicke Wolken, die aber wenigstens den Regen für sich behielten.

Ankommen, das Auto direkt an der Strecke abstellen, Nummer abholen, umziehen und warm fahren ging ohne Probleme und routiniert von statten. Pünktlich um 14:30 standen etwa 80 Fahrer der Klassen pass'cyclisme open (= 'ne Art Jedermann Klasse), 3e catégorie (=C Klasse) und Junioren am Start. 13 Runden à 8 Kilometer waren zu bewältigen, 104 Kilometer auf einem weitgehend flachen Kurs mit einer Welle am Ziel. Es ging direkt zügig los, aber niemand konnte oder wollte sich in den ersten beiden Runden absetzen.

Mir kam es allerdings schon kurz nach dem Start so vor, als ob mein Sattel irgendwie zu tief wäre. Da ich aber seit Monaten nicht mehr an der Sattelstütze gearbeitet hatte, musste es wohl eine trügerische, subjektive Empfindung sein. Am Tag vorher bin ich noch ein paar Meter mit dem Mountainbike gefahren, dort sitze ich etwas anders, andere Schuhe, andere Pedale, das schien mir die einzige Erklärung zu sein. Also weiter. In der dritten Runde war es dann aber nicht mehr zu leugnen: Die Sattelstütze war ins Rutschen geraten und ich habe ungefähr fünf Zentimeter zu tief gesessen. Das ist ja eigentlich der Moment, bei dem man zum Materialwagen zurückfährt, sich festhält, der Mechaniker beugt sich sprektakulär aus dem Fenster und repariert das Rad. Nur, in dem Rennen gab es keine Materialwagen. Mist. Was tun? Einfach weiterfahren? Nein, das war ausgeschlossen. Aussteigen, Rad reparieren und trainieren fahren? Auch doof.
Zum Glück stand mein Auto direkt an der Strecke, also habe ich noch vom Rad aus die Schiebetür aufgemacht (ha, da haben sich die elektrischen, fernbedienten Schiebetüren mal bezahlt gemacht), das Multitool gegriffen, Schraube auf, Sattel hoch, Schraube zu (was mit dem blöden Multitool ewig dauert, da nur für eine viertel Undrehung Platz ist), Auto zu und weiter ging es.

Leider war es mit die schnellste Runde, die erste Hälfte des Feldes mit vl. 25 Mann auf und davon und auch die zweite Gruppe war vorbei. Einige Kilometer später am Ende des welligen Windkantenstückes war ich wieder dran. Kurz später machte sich der Sattel schon wieder auf den Weg nach unten. Ich versuchte das während der Fahrt zu richten, aber an einem weiteren Stopp führte kein Weg vorbei. Zweite Gruppe weg, Nachzügler auch vorbei. Mist. Wieder hinterher. Diesmal hat es fast eine Runde gedauert bis ich wieder dran war. Die sechste und siebte Runde habe ich dann in der Gruppe verbracht, die vielleicht als Hauptfeld zu bezeichnen war. Irgendwie hat sich das aber mehr nach Training und weniger nach Rennen angefühlt. Die letzten sechs Runden bin ich dann alleine vor der Gruppe gefahren. Hatte sich zwar immer noch nicht nach Radrennen angefühlt, war aber ein gutes Schwellentraining und am Ende war ich redlich müde.




Stellt sich natürlich die Frage warum die Sattelstütze auf einmal zu rutschen anfängt, wo sie Monate lang gehalten hat. Das Canyon Aerod hat eine integrierte Klemmung, eigentlich kein Problem. Seit einiger Zeit habe ich aber auch einen neuen Montageständer (diesen hier), bei dem das Rad an einem Rohr geklemmt wird, vorzugweise an der Satteltütze. Dadurch bekommt die Stütze und die Klemmung eine Zug- statt wie sonst eine Druckbelastung. Scheinbar hat das gereicht um die Klemmung minimal zu lockern und die Sattelstütze hat angefangen nach unten zu rutschen. Was kann man da machen? Die Schraube mit einem Drehmomentschlüssel und genau den maximalen 5nm anziehen ist eine Lösung oder auch das Aeroad doch wieder auf den alten Montageständer stellen, bei dem die Gabel geklemmt wird und das Rad auf dem Tretlager steht. Das Rad am Rahmen zu klemmen scheint mit hingegen die schlechteste Option zu sein.



Hier ein Blick auf die Daten:


Montag, 17. April 2017

Strava Timeline Verschlimmbesserung


Strava hat begonnen mit einer neuen Timeline zu experimentieren. Statt wie bisher chronologisch nach dem Beginn der Aktivität geordnet soll die Timeline wichtige und interessante Posts bevorzugen. Mit der Zeit, so ist im Stava Blog zu lesen, wird das System dann basierend auf den  Vorlieben der User die Anzeige individuell optimieren. Auch in Zukunft werden immer noch alle Aktivitäten angezeigt werden, nur manche eben weiter unten in der Timeline. 

In gewisser Weise eine Facebook-isierung von Strava. Ein schlauer Algorithmus will wissen was interessant ist und was nicht. Da kann man durchaus skeptisch sein, das Feed-back unter der entsprechenden Ankündigung ist weitgehend ablehnend. 

Viel besser wäre es, bestimmte Posts einfach ausblenden zu können. Ich möchte zum Beispiel keine Arbeitswege, keine Indoorfahrten und vor allem keine Challenge-Updates sehen. Und alles was nichts mit Radsport zu tun hat interessiert mich auch nicht. Den Rest dann bitte chronologisch anordnen. 

Wenn man hunderten von Usern folgt, mag eine nach "Wichtigkeit" geordnete Timeline durchaus hilfreich sein, allerdings wird man auch in diesem Fall Aktivitäten verpassen. Der Unterschied ist nur, dass nun Posts durch den "Wichtigkeits-Filter" statt durch den chronologischen Filter fallen. Die entscheidende Frage wird nämlich sein, nach welchen Kriterien die Aktivitäten in der Timeline nach oben oder nach unten geschoben werden. Das Konzept der Relevanz belohnt in der Regel User mit vielen Followern, die vielen Kudos bekommen. Populäre Post werden populärer, andere tauchen nur selten auf. Eine solche Anordnung hat natürlich auch durchaus Vorteile, insbesondere wenn User ihre Aktivitäten verspätet hochladen oder ihre Strava-Timeline nur ab und an checken. Daher wäre es wünschenswert, wenn man zwischen den beiden Anzeigemöglichkeiten wechseln kann, chronologisch oder nach "Wichtigkeit".

Ein nach Relevanz geordneter Feed lässt in einem zweiten Schritt aber auch viel leichter bezahlte Posts zu. So wie man auf Facebook dafür bezahlen kann, dass mehr Leute die eigenen Beiträge sehen. Das könnte ganz neue Möglichkeiten etwa für Marken-Botschafter eröffnen, die mit super-coolen Aktivitäten und entsprechenden Bildern enorme Wirkung erzielen könnten. Für den Moment kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass Strava so weit geht, aber ein Relevanz Feed würde das meines Erachtens nach zumindest ermöglichen.

Was haltet ihr davon? Begrüßt ihr die neue Timeline oder bevorzugt ihr eine chronologische Anordnung? Die Kommentarspalte freut sich auf eure Anmerkungen. Und natürlich könnt ihr euch auf der  Support Seite auch an der Diskussion beteiligen und auf die Entscheidung Einfluss nehmen. Schliesslich seit ihr als Strava User zuallererst Kunde und (hoffentlich) nur zum untergeordneten Teil Ware.

Links:
Coffee and Chainrings haben das Thema ebenfalls besprochen

Samstag, 8. April 2017

Radfahren im Hochwald

Vor einer Weile bin ich über eine Anzeige für das 1. Hunsrücker Rennradcamp powered by Canyon gestolpert. Ein Rennradcamp, zwar nicht ganz vor meiner Haustür aber doch in meinem liebsten Trainingsgebiet? Tolle Sache, bin ich doch gleich mal bei einer der nächsten Touren vorbei gefahren und habe ein paar Erkundigungen eingezogen.

An der Postküche in Kell am See bin ich nämlich schon oft vorbei gekommen. Das Hotel und Restaurant liegt direkt an der alten Bahntrasse der ehemaligen Ruwer-Hochwald Bahn, heute ein toller Radweg, auf dem man von Ruwer an der Mosel bis rauf nach Hermeskeil im Hochwald fahren kann. Im Sommer habe ich mir schon öfter gedacht, dass man auf der Terrasse doch mal eine Pause einlegen könnte, aber Training is Training, Kilometer, Kilometer, Kilometer, da wird nicht anhalten, Schnitt nicht versauen und so. Eigentlich bekloppt. Egal.



Dieses Mal habe ich angehalten, bin ja extra zum Anhalten hingefahren und bin auch direkt Michael Krämer, dem Inhaber des Hotels zur Post, über den Weg gelaufen. Das war sehr nett und ich habe so alle Details aus erster Hand erfahren. Die Veranstaltung beginnt am Freitag, dem12. Mai mit der Anreise, Samstags und Sonntags stehen dann Touren von um die 100 km auf dem Plan, wieviel genau und wie anspruchsvoll wird natürlich von den Teilnehmern und dem Wetter abhängen. Wer das volle Paket mit Übernachtung, Halbpension und Radverpflegung bucht bezahlt 149,- Euro. Wer keine Übernachtung benötigt bezahlt 69,- Euro für 2 Tage Halbpension und Radverpflegung. Für die Heimschläfer stehen in der Radstation natürlich Duschen zur Verfügung. Der Clou sind die Testräder von Canyon, die im Preis inbegriffen sind. Es stehen so ziemlich alle aktuellen Straßenmodelle von Canyon zur Auswahl, mit Di2, mit Scheibenbremsen, das Aeroad, das Ultimate und das Endurance Rad. Genaue Liste gibt es hier. Noch sind einige Plätze frei.




Der Hunsrück ist eine weithin unterschätze Radsport Destination. Unzählige Kombinationen aus ruhigen Straßen mit teils sehr anspruchsvollem Profil laden zu sportlichen Touren ein. Aber keine Angst, es gibt auch moderate Strecken. Nur ganz flach wird schwierig, aber Saar oder Moseltal sind auch nicht weit, falls es doch mal keine Berge sein sollen. Probleme mit Autofahrerin sind übrigens sehr selten, ganz einfach alleine schon deshalb, weil der Verkehr dort oben sehr überschaubar ist.
Ich habe schon öfter über Touren durch den Hochwald geschrieben, etwa hier oder hier. Es gibt wirklich viel zu entdecken!

Aller Voraussicht nach werde ich an den beiden Touren des Rennradcamps teilnehmen und kann dann aus erster Hand berichten, wie es war. Vielleicht sehen wir uns?


Links:
1. Hunsrücker Rennradcamp powered by Canyon

Mittwoch, 5. April 2017

Garmin Daten Monster

Der Monat ist ja noch nicht alt. Am 31.03. habe ich die Statistik der mobilen Daten auf meinem portablen Telefon zurückgesetzt. Heute musste ich mit Erschrecken feststellen, dass mein Datenbudget bereits zur Hälfte verbraucht ist. Ein Blick in die Statistik hat offenbart, dass Garmin Connect in den fünf Tagen 400 MB! verbraucht hat.

Heute habe ich ein 55km Runde gedreht, nicht ganz zwei Stunden. Davor stand der Zähler bei 340 MB, danach bei 400 MB. 60 MEGAByte!! Was versucht der Edge 520 da zu übertragen? Ein Update? Strava Beacon Daten? Obwohl keine Live Aktivität gestartet war? Die FIT Datei der Aktivität hat gerade mal 343 KB, also 0,3 MB. Sehr seltsam. Habe Beacon erstmal deaktiviert und Connect den Mobile Data Zugriff entzogen.

Habt ihr schon mal ähnliches beobachtet bei euren Garmin Geräten?

Dienstag, 4. April 2017

Ein Ausflug nach Ostbelgien

Trotz bestem Wetter habe ich einen der vergangenen Samstage im Auto und auf einem Stuhl in einem Sitzungssaal verbracht. Zum ersten Mal überhaupt war ich in Ost-Belgien, bei der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Diese umfasst etwa 80.000 Personen, das sind weniger als die 110.000 Einwohner des Landkreises Merzig-Wadern. In dem Zusammenhang interessant: Der Wikipedia Artikel über Belgien und über die Deutschsprachige Gemeinschaft, oder kurz DG. Die Vielfalt an Verwaltungsstrukturen und Sprachgemeinschaften ist beeindruckend, übrigens genauso wie die Landschaft der Eifel und des hohen Venn, durch die wir von Trier aus kommend gecruised sind (A60, E42, N629). Da könnte man durchaus mal zum Urlaub und zum Radfahren hin!

Aber zurück zu dem Grund der Reise. In Eupen fand der dritte Mediprosport Kongress statt. Fünf Vorträge zu Themen des Sports standen auf dem Programm. Mediprosport ist ein Sportkompetenzzentrum, in dem Trainer, Sportwissenschaftler, Ernährungsexperten, Osteopathen, Physiotherapeuten und Sportärzte zusammen arbeiten, um Sportlern jeder Leistungsklasse ein optimales Umfeld und Unterstützung zu bieten. Tolles Projekt. Wow. Details hier.


Die Veranstaltung fand im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft statt. Die Grußworte sprach Kurt Rahmes, der Fachbereichsleiter Sport, Medien und Tourismus der DG.

Die Vorträge dauerten jeweils rund eine Stunde, gefolgt von einer kurzen Fragen und Antwort Session. 

Das erste Thema war Medikamentenmissbrauch und Doping - Zusammenhang und Präventionsstrategien in Sportverbänden. Ohne Frage ein wichtiges, interessantes und vielschichtiges Sujet. Leider war der Vortrag das genaue Gegenteil - ungenau, undifferenziert und nichtssagend. Frau Rogowski, eine langjährige Doping-Kontrollerin und in der Doping-Prävention engagiert, kam zwar nicht umhin mehrmals zu erwähnen wieviel Ahnung sie von der Materie hat und dass sie den ganzen Tag darüber referieren könnte, hat sich aber darauf beschränkt, ihre handwerklich schlechten Power Point Folien vorzulesen. Ab und an gab es eine Folie mit "Beispielen", das waren Zeitungsausschnitte mit Schlagzeilen oder Bildern überführter Dopingsünder. Bis auf eine einzige Leichtathletik Schlagzeile wurden ansonsten nur Radsportler genannt. Das war voreingenommen und verzerrend. Als ob das alles noch nicht schlecht genug gewesen wäre, wurden auch noch wesentliche Informationen verschwiegen. 
1982 fragte der US Amerikanische Arzt und Publizist Goldmann erstmals Hochleistungssportler, ob sie Medikamente nehmen würden, die ihnen eine olympische Goldmedaile sichern, im Gegenzug aber ihre Lebenserwartung um fünf Jahre reduzieren würde. Die Studie wurde bis in die 90er Jahre mehrmals wiederholt und hat als Goldman-Dilemma Eingang in die Literatur gefunden. Das Ergebnis war immer gleich: Etwa die Hälfte der Athleten würde dopen. Dies bewegt sich etwa auf gleicher Höhe wie das Resultat einer anonymen Umfrage der WADA 2011 bei den Leichtathletik Weltmeisterschaften und den Pan-Arab Spielen: 29 bis 45 Prozent der Sportler gaben zu gedopt zu haben (NYTimes). Im Vergleich dazu sind 2% positiven Proben natürlich lächerlich und werfen viele Fragen über die Dopingprävention und -Kontrolle auf. Frau Rogowski hat zwar die Fragestellung von Goldman erwähnt, erweckte jedoch den Eindruck, dass es darauf keine Antwort gibt. Schade. An dieser Stelle hätte man die vielfachen Abhängigkeiten und Zwänge des Leistungssports aufzeigen können, statt wohlfeil auf Etik und Moral zu verweisen. 
Gegen Ende wusste ich dann nicht, ob ich lachen oder weinen sollte: Ein Fussballer meinte doch tatsächlich, das Doping in seinem Sport nichts bringt (Taktik, unterschiedliche Anforderungen, Schnelligkeit, blablabla) und dass sowieso das Risiko viel zu hoch wäre einen Spieler, der zig Millionen wert ist, zu dopen. Denn wenn dieser auffällt, so seine Argumentation, wäre zu viel Kapital "futsch". Ahhhh ja. Diese Phase des Leugnens hatt der Radsport ja zum Glück überwunden. Und noch eines zum Schluss, Frau Rogowski, die Sportart heisst Radsport, nicht Fahrradfahren!

Der Rest des Tages war dann aber umso besser. Als nächstes sprach Dr. med Ursula Hildebrandt von der Deutschen Sporthochschule in Köln. In ihrem Vortrag ging es um Infektanfälligkeit und plötzlicher Herztod im Sport. Zunächst wurden verschiedene krankhafte Veränderungen des Herzens erklärt und gegen das Sportlerherz abgegrenzt. Letzteres ist eine durchaus anzustrebende Veränderung, nimmt doch das Schlagvolumen zu, der Puls sinkt und das Herz wird allgemein kräftiger. Krankhafte Veränderungen des Herzens sind bei ansonsten gesunden und Leistungssport betreibenden Personen gar nicht so einfach zu diagnostizieren und können schnell lebensgefährlich werden. Frau Dr. Hildebrandt konnte anhand einiger Beispiele aus der Praxis die Gefahren von übergangenen Erkältungen deutlich aufzeigen. Man muss sich immer vor Augen führen, dass sich das Herz nie ausruhen kann. Tag und Nacht, Jahr ein Jahr aus muss es Blut durch unseren Körper pumpen. Mal schneller, mal langsamer, aber immer ohne Pause. Umso wichtiger ist es, dem Herz bei Infekten keinen zusätzlichen Stress zuzumuten. 
Unser Körper kämpft ständig gegen Eindringlinge wie Viren oder Bakterien und muss nach körperlicher Anstrengung wieder "aufräumen". Das alles wird von unserem Immunsystem erledigt, dessen Ressourcen nicht unbegrenzt sind. Wenn sich mehrere Fronten auftun, sagen wir ein Virusinfekt und die Belastung durch körperliche Anstrengung, kommt die Abwehr an einer der beiden Fronten oder sogar an beiden zu kurz. Viren haben dann freie Fahrt und das Herz kann Schaden nehmen. Diese Schäden können schwerwiegend sein und unter Umständen lebenslange Beeinträchtigungen nach sich ziehen oder sogar zum plötzlichen Herztot führen.
Aus dem Vortrag von Dr. Hildebrandt habe ich zwei Dinge mitgenommen. 
Erstens: Niemals trainieren oder sogar Wettkämpfe bestreiten wenn man krank ist! Man wird weder eine Leistungssteigerung noch gute Resultate erzielen. Darüber hinaus verliert man bei einem Trainingsausfall von einigen Tagen, und nicht länger dauert ein normaler Infekt, nur wenig Form. Krank trainieren lohnt niemals!
Zweitens: Hausärzte können die Anforderungen an Sportler nicht immer abschätzen. Es ist ein großer Unterschied ob ein Arzt einmal im Monat einen Leistungssportler vor sich hat oder ausschliesslich solche behandelt. Das gilt auch für niedergelassene Sportärzte, die auch, aber nicht nur Sportler behandeln. Daher empfiehlt es sich unbedingt Sportmediziner an den Universitäten zu konsultieren. Im Gegensatz zu niedergelassenen Ärzten können sich diese auch mal eine Stunde mit dem Patient unterhalten und dann natürlich bei weitem bessere Diagnosen stellen.


Danach sprach Dr. Phil. Sabrina Skorski von der Universität des Saarlandes über Regenerationsmanagement im Leistungs- / Spitzensport: Verletzungsprophylaxe und Nachsorge, Maßnahmen und Wirkungsweisen. Die Schwierigkeit im Regenerationsmanagement besteht bereits darin, die Ermüdung überhaupt erst zu quantifizieren. Alle Versuche der Sportwissenschaften einen Bio-Marker zu finden, anhand dessen Vorkommen oder Höhe man sicher den Grad der Ermüdung bestimmen kann, führen meist zu mehrdeutigen Ergebnissen. Im besten Fall gibt es für Teilbereiche statistisch leicht positive Zusammenhänge. Aber keiner der diskutierten Werte (z.B. Harnstoff, CK, Entzündungsparameter, Hormone) lässt eine eindeutige Messung der Ermüdung zu. 
Interessanterweise ist der zuverlässigste Wert immer noch die subjektive Einschätzung des Athleten. Zentral ist dabei der RPE Wert (Rate of perceived exertion), gemessen in der Regel nach der Borg (6-20) oder Foster (0-10). Gewichtet man diese mit der Trainingsdauer erhält man den Session RPE, ein sehr valider Wert, wenn nachhaltig erfasst. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Fragebögen (EBF nach Kellmann, Hooper Index) mit denen sich das Empfinden der Sportler standardisiert erfassen lässt. Ein Leitsatz den Dr. Skorski dabei zitiert hat und der auf viele Bereiche im Sport und im Leben zutrifft war: "Do it simple - But do it well!"
Im zweiten Teil des Vortrages ging es um verschiedene Regenerationshilfen, insbesondere um die gerade sehr populäre Eistonne. Auch hier sind Effekte oftmals individuell. Bei manchen Sportlern wirkt es, bei anderen nicht. Ein genereller Trend ist nicht auszumachen. Wenn ein Sportler eine Maßnahme für sich als positiv bewertet, kann das durchaus an einem Placebo Effekt liegen, wogegen aber nichts einzuwenden ist. Denn auch Placebo wirkt, wenn auch auf andere Art und Weise.
Wenn es um Regeneration geht, darf Schlafen natürlich nicht fehlen. Das Thema wird ziemlich gehypt und alle möglichen Gadgets versprechen Hilfe und besseren Schlaf. Dr. Skorski hat eindringlich versichert, dass das alles Quatsch ist, vor allem Smartphone Apps, die irgendwelche Schlafphasen messen wollen. Denn auch hier gilt: "Do it simple, but do it well". Regelmäßige Schlafenszeiten in dunkler und kühler Umgebung, viel mehr braucht es nicht. 

Nach der Mittagspause hat Dr. Patrick Wahl von der Deutschen Sporthochschule Köln mit dem Vortrag Ausdauertraining - Dauer versus Intervallmethode für einige Denkanstöße in der Trainingsgestaltung gesorgt. Der übliche Trainingsaufbau folgt einer Pyramide. Viel Grundlage, weniger Tempo, wenig Schwelle, ein bisschen Spitzenbereich. Rücklickend hat man aber herausgefunden, dass viele Topathleten einem eher polariserten Ansatz folgen: 70 % Grundlage, 10% mittlere Intensität und 20% HIT. Wobei HIT Intervalle nicht länger als fünf Minuten dauern. 
Diese zunächst erstaunliche Trainingsverteilung begründet sich wissenschaftlich folgendermaßen: Sportliche Leistung kann durch verschiedene Faktoren limitiert sein. Im Radsport zum Beispiel durch die Muskulatur oder das Herz-Kreislaufsystem (neben anderen). Die Muskulatur und der ganze Bewegungsapparat passt sich der Radsport spezifischen Belastung am besten durch lange Grundlageneinheiten an. Das Herz-Kreislauf System wird aber ideal dadurch trainiert, indem man ihm richtig Arbeit gibt und es auf vollen Touren laufen lässt. Eine sehr intensive Belastung nahe des persöhnlichen Maximums lässt sich natürlich nur kurz aufrechterhalten, zuwenig für ein effektives Training. Eine kurze Pause reicht aber bereits um ein weiteres Intervall zu fahren usw. Ein "beliebtes" Muster ist etwa 20 x (30''on/30''off). Am Ende dieser 10 Minuten wird der durchschnittliche Puls deutlich über dem Wert liegen, den man über 10 Minuten konstanter Belastung erreichet hätte. Der große energetische Stress dieser Übung führt zu hohen Anpassungsreaktionen zum Beispiel des Schlagvolumens des Herzenz und des VO2max Wertes. HIT verbessert somit nicht nur die Leistungsfähigkeit in eben diesen Bereichen sondern auch gerade die Ausdauer- und Schwellenleistung.



Den Abschluss des Tages übernahm Martin Zawieja von Langhantelathletik.de. Dabei ging es um Krafttraining - Begründung, Durchführung, Risiken. Herr Zawieja hat ausführlich erklärt warum gerade das Training mit der Langhantelstange für viele Sportarten von grossem Nutzen ist. Genau wie HIT das Herz-Kreislaufsystem in besonderer Weise fordert und durch den hohen Stress  effektiv ist, führt ein Kraftraining mit hohen Belastungen zu ausgeprägten Anpassungen des Bewegungsapparates: Knochen werden fester, Sehnen und Bänder stabiler. Der Körper kann Fehlbelastungen besser auffangen oder gar nicht erst entstehen lassen. Der komplexen Bewegungsausführung in der Langhantelathletik kommt dabei besondere Bedeutung zu, da hier nicht einzelne Muskeln, sondern ganze Bewegungsketten trainiert werden und zusätzlich hohe motorische Anforderungen bestehen. Von herausragender Bedeutung ist dabei die korrekte Ausführen der Übungen (Kniebeuge, Kreuzheben etc.), ansonsten kann es schnell zu schwerwiegenden Verletzungen kommen.
Martin Zawieja plädiert eindringlich dafür, mit dem Erlernen der Bewegungsabfolge mit der Langhantelstange schon im Kindertraining anzufangen. Am Anfang wird das nur ein Besenstiehl sein, später können dann minimale "Gymnastik-Gewichte" hinzukommen. Das alles soll spielerisch erfolgen und besonders aufgebaut sein, denn natürlich sind Kinder keine kleinen Erwachsenen, denen man einfach ein kleines Erwachenenprogramm verpasst.
Aber auch im späteren Leistungs- und Hochleistungstraining geht es natürlich nicht darum, aus jedem Sportler einen Gewichtheber zu machen, sondern einen funktionalen Beitrag zu dem jeweiligen Sport zu leisten.
Der Vortrag von Herrn Zawieja war auf jeden Fall sehr interessant, anregend und kurzweilig, wenn sich in Zukunft nochmal eine Gelegenheit ergibt ein Langhantelathletik Seminar zu besuchen, werde ich wohl nicht zögern.

Die Veranstaltung war ohne Fehl und Tadel organisiert. Es gab Kaffee, Getränke, Kekse und für fünf Euro ein Mittagessen. Gekostet hat der ganze Spaß 40 Euro (incl. Mittagessen), was in Anbetracht der wirklich hochkarätigen Vorträge und der überschaubaren Teilnehmerzahl unbedingt als Schnäppchen zu bezeichnen ist. Ich hoffe auf eine weitere Veranstaltung im nächsten Jahr und vielleicht ergibt sich dann die Gelegenheit, den Aufenthalt auf ein paar Tage mehr auszuweiten und  Ostbelgien mit dem Rad zu erkunden.





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Samstag, 1. April 2017

Ein Interview mit Amy Luegner von CadenZ

Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit mit Amy Luegner, der Produkt-Entwicklungsmanagerin von CadenZ Training zu sprechen, über deren bahnbrechendes Traingsprogramm ich vor einigen Monaten erstmals berichtet habe.


Unterlenker: Hallo Amy, die Ankündigung von CadenZ Training Ende 2016 hat für einige Begeisterung in der Indoor Cycling Gemeinschaft gesorgt. Kannst du nochmal kurz beschreiben, worum es dabei geht?

Amy Lügner: Seit einigen Jahren erfreuen sich Trainingssimulationen wie Zwift, Bkool, Sufferfest oder Trainerroad steigender Beliebtheit. Man kann eigentlich von einem regelrechten Boom sprechen. Wir von CadenZ glauben aber, dass das besser geht und haben daher ein super realistisches Produkt entwickelt und sind uns sicher, die Cycling-Experience auf ein ganz neues Level heben zu können.

UL: Was benötigt man fuer CadenZ Cycling?

AL: Das ist das Tolle, man benötigt nur ein Rad. Das Programm funktioniert auch in den abgelegensten Gebieten,  ohne Strom, ohne Internet, ohne Handy und Computer. Wir starten mit On-the-Road Modulen, ein Rennrad ist daher von Vorteil. Funktionieren tut CadenZ aber mit jedem Rad. Das bedeutet: Jeder kann mitmachen! Später wird es auch Off-the-Road Module geben, aber das ist erstmal noch Zukunftsmusik.

UL: Ihr habt das Programm seit einigen Monaten in einer Beta-Version getestet, seit ihr auf Schwierigkeiten gestossen?

AL: Unsere Zielgruppe hatte Anfangs gewisse Vorbehalte ihre Räder von ihren Trainern zu demontieren. Um die Sicherheit zu gewährleisten, beginnen wir mit einem Technik-Modul. Das ist für alle Teilnehmer verpflichtend. Wir zeigen wie man das Hinterrad montiert, die Funktion der Bremsen prüft und diese korrekt einstellt. Danach erklären wir grundlegende Funktionen und Verhaltensweisen. Manche unserer Beta-Tester mussten zum Beispiel erst verstehen, dass in CadenZ Richtungswechsel durch aktive Lenkbewegungen eingeleitet werden und man vor Kurven die Geschwindigkeit durch Gebrauch der Bremse reduzieren muss. User die bis dahin vornehmlich in Multi-Player Simulationen unterwegs waren, mussten lernen, dass sie anderen Fahrern ausweichen müssen und nicht einfach durch diese hindurch fahren können.

UL: Kam es zu Zwischenfällen oder sogar Verletzungen?

AL: Die Sicherheit unserer Kunden ist uns ganz besonders wichtig. Je nach Level treffen wir unterschiedliche Vorkehrungen, dass kann eine besondere Schutzkleidung sein oder sogar eine innovatives Balance Support Device. Hier haben wir übrigens mit dem bekannten Deutschen Hersteller Puky zusammengearbeitet. Erfahrungsgemäß sind die User nicht lange auf diese Maßnahmen angewiesen. Am Ende zeichnet sich unser Produkt aber gerade dadurch aus, dass sich die User einem gewissen Risiko aussetzen. Diesem zu trotzen und die Anforderungen der CadenZ Umgebung zu meistern hat bisher noch bei allen Usern einen wahren Endorphin-Kick ausgelöst, den heute keiner unserer Beta-Tester mehr missen möchte.

Impression während eines CadenZ Trainings

UL: Das hört sich wirklich fantastisch an. Gibt es auch User für die euer Programm eher ungeeignet ist?

AL: Nein, hier gibt es keine Grenzen. Wir können fast alle Parameter von CadenZ an den jeweiligen Sportler anpassen. Lediglich einige externe Faktoren liegen außerhalb unseres Einflusses. Allerdings haben haben wir festgestellt, dass unsere Beta-Tester, allesamt sportlich orientierte Fahrer aus den diversen Radsport Simulations-Umgebungen, ab einem gewissen Level nicht mehr auf unsere Hilfe angewiesen sind. Auch alte Hasen aus der CITRW (ausgesprochen: SZIT-AR-Dabbl-U) Bewegung werden mit CadenZ zunächst wenig anfangen können. Aber auch für diese und die Level 10 User von CadenZ sind für einen späteren Zeitpunkt Angebote geplant.

UL: Kannst du noch was zu den unterschiedlichen Leveln sagen?

AL: Auf Level 1 fangen alle User an die bisher keinerlei CITRW Erfahrungen gesammelt haben und nur mit Zwift, BKool etc. gefahren sind. Sobald die ersten Schritte gemacht bzw. die ersten Meter gefahren sind geht es in Level 2 hinaus in die eigentliche CadenZ Umgebung, ins Real Live sozusagen. In den höheren Leveln kommen dann Witterungseinflüsse wie Regen, Wind, Hitze und Kälte hinzu. Unser derzeit höchstes Level 10  besteht aus einer Reise nach Europa zu den mystischen Strecken des Radsports. Innerhalb einer Woche stellen sich die User der Herausforderung einer Mini-Tour und fahren einige Pavée Sektoren von Paris-Roubaix, die berühmtesten Anstiege der Flandern Rundfahrt, den Mt. Ventoux und einige der bekanntesten Anstiege in den Alpen. Wer dann noch erfolgreich an einem Mass-Start Event seiner Leistungsklasse teilnimmt, bekommt das CadenZ-Gold Zertifikat.

UL: Was bedeutet CITRW?

AL: CITRW ist eine grössere Bewegung, als deren Teil und Botschafter sich CadenZ versteht und für die wir auch Aufklärungsarbeit leisten. Zielgruppe sind sowohl Kinder wie Senioren und alle dazwischen, die Freude an Bewegung in frischer Luft haben und etwas für Gesundheit und Umwelt tun möchten. Insbesondere sollen mit Lobbyarbeit aber auch Menschen von den Vorzügen des CITRW überzeugt werden, die damit bisher noch nicht in Kontakt gekommen sind. CITRW ist ein Akronym und bedeutet Cycling In The Real World.

UL: Wann wird euer Programm offiziell starten und kommerziell verfügbar sein?

AL: Wir sind in den letzten Vorbereitung für den Public Launch am ersten April 2017. Danach kann CadenZ Training gebucht werden. Wir stehen an der Startlinie.

UL: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit diesem bahnbrechenden Programm. Ich drücke euch die Daumen!