So erfährt man vieles über Binda, Bartali, Coppi, Pinarello, Nencini und viele andere, was selbst eingefleischten Kennern neu sein dürfte. Etwa die Geschichte des Maglia Nera, des schwarzen Trikots mit dem zwischen 1946 und 1951 der letzte Fahrer des Giro d'Italia ausgezeichnet wurde. Es gab damals obskure "Wettkämpfe" um die langsamste Zeit, in denen Fahrer Defekte vortäuschten, Pausen einlegten und Fans zu Hause besuchten. Das allerletzte schwarze Trikot gewann Giovanni Pinnarello, noch heute kann diese Trophäe in der Firmenzentrale in Treviso bestaunt werden. Das Startkapital zu Pinarellos Werkstatt war übrigens eine Prämie, die er von seinem Team erhielt um nicht (!) beim Giro d'Italia anzutreten und Platz für einen jungen, hoffnungsvollen Fahrer zu machen.
Neben all diesen Radsport Anektoden geht Lidwey van Noord auch immer auf das ein, was Italien ausmacht, auf die Unterschiede zwischen Oben, dem rationalen (für italienische Verhältnisse), geschäftsmäßigen, schweigsamen und reichen Norden, und Unten, dem lauten, herzlichen, chaotischen, armen und zurückgebliebenen Süden. Sie beschreibt die Regionen und Orte mit ihren Charakterzügen, Eigenarten und ihrem Selbstverständniss, in dass natürlich auch die Radsportler eingebettet sind. Erst 2007 gewann mit Danilo di Luca ein Fahrer aus dem Süden den Giro. Alle früheren Giro-Sieger stammten aus dem Norden. Man versteht besser welche Last auf Fahreren wie Marco Pantani gelegen hat, die mit den Erwartungen einer ganzen Nation konfrontiert waren.
Van Noord lässt dabei auch unangenehme Themen nicht aus und spricht mit Eddy Mazzoleni genauso über Doping wie sie Pantanis Drogen Missbrach beschreibt. Dabei verklärt und beschönigt sie nichts, wie man es vielleicht von einem eingefleischten Fan, einem Pilger, erwarten würde. Auf der anderen Seite richtet sie aber auch nicht. Eine wohltuende Abwechslung in der oft schrill geführten Debatte zu diesem Thema.
Ich hätte jetzt gerne geschrieben, dass mir diese oder jene der 27 Geschichten am besten gefallen hat, aber es ist nicht möglich eine einzelne Episode hervorzuheben, wo eine besser als die andere ist.
Das Buch wird abgerundet durch die eindrucksvollen Bilder meist menschenleerer Landschaften und Orte. Die meisten von Robert Jan van Noort, aber auch eine Reihe anderer Fotografen haben Arbeiten beigesteuert, in Radsportkeisen am bekanntesten düfte Gruber Images sein, von denen auch das Umschlagfoto stammt.
Noch ein Wort zu dem Buch selber. Genauso wie die Texte und die Bilder spielt auch die Ausführung auf höchstem Niveau. Das Papier ist herrlich dick, von besonderer Qualität und bringt die Bilder sehr gut zur Geltung. Der gewählte Schriftsatz macht das Lesen leicht. Ein gutes Buch ist doch immer wieder etwas Schönes und mit der kalten Haptik elektronischer Medien nicht im Entferntesten zu vergleichen.
Das Buch hat in der gebundenen Ausgabe 208 Seiten und ist auf Deutsch am 03. April 2017 erschienen. Der Preis beträgt 24,80 Euro. Ein E-Book ist ebenfalls erhältlich
Covadonga hat mir das Buch unaufgefordert als Rezessionsexemplar zugesendet. Dafür vielen Dank, ich habe mich ehrlich gefreut. Meine Meinung und diese Rezension sind davon natürlich trotzdem unbeeindruckt.
Links:
Verlagsseite mit einer Leseprobe
Homepage der Autorin, Lidwey van Noord
Homepage des Fotographen, Robert Jan van Noort
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