Sonntag, 29. April 2018

Strava's Relative Effort

Strava hat eine neue Metrik für Premium Abonnenten freigeschaltet: Relative Effort. Diese Zahl ersetzt den bisherigen Suffer Score und soll Belastungen unterschiedlicher Länge und Intensität über verschiedene Sportarten und Fitnesslevel hinweg vergleichbar machen. Die einzelnen Belastungen addieren sich zu einem "Weekly Activity Level" auf. Die Daten sind nur für Premium-Abonnenten in der Mobile App zugänglich.


Je nach der Summe der wöchentlichen Trainingsbelastung verfärbt sich der obere Teil des Bildschirm und es wird zwischen verschiedenen Leveln unterschieden. Daran kann man etwa erkennen, ob die Trainingsbelastung im Vergleich zu den vorherigen Wochen zu schnell gestiegen ist. Nützlich finde ich den Hinweis, dass man unter einem bestimmten Level bleiben soll, wenn man eine Erholungswoche auf dem Plan hat (Screenshot unten links). Mit der Zeit sollte dies einen ganz guten (zusätzlichen, siehe letzter Absatz) Ansatz geben, die Belastung zu planen und gleichmäßig zu steigern.


Strava hat hier natürlich nichts grundlegend Neues erfunden, sondern wendet im wesentlichen eine Weiterentwicklung des TRIMP Models von Morton, Fritz-Clark und Banister von 1990 an. TRIMP steht für Trainingsimpuls, die mathematisch recht anspruchsvolle Formel modelliert den Dose-Response Zusammenhang von Fitness und Müdigkeit, der von jedem Training ausgelöst wird und in dem mündet, was weithin als "Form" bezeichnet wird. Der Charme der Methode besteht unter anderem darin, dass sie als Parameter lediglich Herzfrequenz und Zeit benötigt. Damit kann man den Trainingsimpuls im Radsport auch ohne Werte von einem Powermeter berechnen.

Strava bestimmt nun ausgehend von der maximalen Herzfrequenz jedes Nutzers verschiedene Herzfrequenzbereiche. Die Zeit, die in diesen Bereichen verbracht wird, wird mit einem Faktor gewichtet, höhere Bereiche stärker als niedrige. Die Faktoren sind dabei der Dreh- und Angelpunkt des Relative Effort, führen sie doch dazu, dass etwa der Hobbysportler, der bei einem 10km Lauf alles gibt den gleichen Relative Effort bekommt wie der Tour de France Fahrer bei einem 40km Zeitfahren.

Strava kann dazu auf einen riesigen Datenhaushalt von Aktivitäten unterschiedlicher Art zurückgreifen. In einem Artikel auf Medium beschreiben Chris Spada und Will Meyer in "Quantifying Effort through Heart Rate Data" grob, wie man über 10km Läufe (gleichmäßiger, hoher Puls, kein Windschatten wie im Radsport) und Olympischen Triathlon (Radfahren, Schwimmen und Laufen mit etwa gleicher Belastung) zu zwei Sets von Herzfrequenz-Bereichen mit unterschiedlichen Gewichten kam. Dies ist notwendig, da die maximale Herzfrequenz beim Schwimmen etwa niedriger ist als beim Laufen. In einem letzten Schritt wurden allen anderen Sportarten entweder die Lauf- oder die Radbereiche zugeordnet. Alle gewichtstragenden oder zweifüßige Sportarten (Langlauf, Wandern) fallen in die Lauf-, alle anderen in die Radsportkategorie.

Strava ist hier sicher gelungen, die Belastung über verschiedenste Sportarten und Fitnesslevel besser als zuvor vergleichbar zu machen. Von dem Datensatz den Strava analysieren kann, können Sportwissenschaftler wahrscheinlich nur träumen. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Relative Effort genauso wie der Suffer Score vorher und jede andere sportwissenschaftliche Kennziffer zum großen Teil auf statistischen Analysen beruht, die für die normalverteilten Mitte unter einer Reihe von Annahmen valide Aussagen treffen, für alle anderen aber auch irreführend sein können. Der gesunde Menschenverstand und das eigene Körpergefühl sollten daher nie ausser Acht gelassen werden.

Links:
Strava Blog Relative Effort
Quantifying Effort through Heart Rate Data
Modeling Human Performance in Running

Freitag, 27. April 2018

The Holy Week

Auch wenn mit Frankfurt-Eschborn noch ein letztes Rennen aus steht, die Klassiker Saison ist vorbei. Bevor der Giro d'Italia am 4. Mai die Grand-Tour Saison einläutet, kann man sich mit "The Holy Week" nochmal eine knappe Stunde (48 min) beste Radsportunterhaltung ansehen.


Cyclingnews hat hinter die Kulissen geblickt und einige Teams vor, während und nach der Flandern Rundfahrt und Paris-Roubaix mit Kamera und Mikrophon begleitet. Herausgekommen ist ein schöner, kurzweiliger Film mit tollen Bildern, die man so nicht immer zu sehen bekommt.

Zu sehen auf Vimeo OnDemand für 1,61 Euro zum ausleihen oder 4,04 Euro im Download.




Mittwoch, 18. April 2018

New Bike Day - In Klein

Vor einigen Wochen habe ich darüber geschrieben, wie ich den Rennrad Rahmen meiner Tochter lackiert habe. Aus Gelb wurde Pink Metallic. Für einen ersten Versuch war ich mit dem Ergebnis ganz zufrieden. Ein Rahmen macht aber noch lange keine Rad, da gehören ja noch ein paar Teile dran.

Für ein Kinderrad gestaltet sich dass aber gar nicht so einfach. Auch wenn die meisten Komponenten an dem Rad kindgerecht waren, gab es zwei gravierende Schwachstellen: Die NoName Bremsen mit dem Branding des Rad-Herstellers Gepida waren schwergängig, wackelig und nicht wirklich gut zu dosieren und die Shimano Bremsschaltgriffe waren für Kinderhände viel zu groß und schwierig zu bedienen, sowohl beim Bremsen als auch beim Schalten. Es ist schon einige Jahre her, dass mein Sohn das Rad fuhr. Um auf das große Kettenblatt zu schalten, hat er manchmal die rechte Hand genommen und von innen an dem Hebel gezogen, statt von aussen mit der Rechten Hand zu drücken! Soweit zu Ergonomie.

Als Alternative habe ich daher ganz klassisch Rahmenschalthebel montiert. Da muss man zwar je eine Hand vom Lenker nehmen und im Sitzen schalten, durch die Indexierung (der Schalthebel rastet bei jedem Schritt) gestaltet sich das aber recht simpel, mit ein bisschen Übung wird das gut funktionieren. Dadurch wurde auch der Weg frei für spezielle Bremshebel für Kinder. Das einzige Model, dass ich finden konnte, war der Tektro RL 320, dessen Griffkörper sogar noch etwas kürzer sein könnte. Zusätzlich habe ich noch Zusatzhebel für den Oberlenker gekauft, aber vorerst nicht montiert, wahrscheinlich wird es aber notwendig sein. Meine Tochter fühlt sich mit den Rennrad-Bremsgriffen sehr unwohl, entsprechend langsam und unter Dauerbremsen ging es jeden Hügel hinab. Mal sehen ob dies einfach eine Übungssache ist. Ein, zwei Versuche geben wir der Sache noch. Zusätzlich habe ich die NoName Bremsen gegen Shimano 105 Modelle getauscht. Ansonsten gab es neue Züge, frisches Lenkerband und eine neue Kette und fertig war der kleine Renner.

Jetzt kann der Sommer kommen und ich kann mit beiden Kindern echte Unterlenker Touren drehen!



Ein paar technische Fakten:
Gewicht: 9,6 Kilo // Sattelrohr 71°, 40 cm (Mitte, Oberkante) // Oberrohr Mitte Mitte 40 cm // Laufräder 24" // Lenker 36 cm Mitte Mitte // Kurbel 155 mm





Das Rad würde eigentlich viel besser zu dem pinken Unterlenker Kit passen!

Mittwoch, 11. April 2018

Schönheitsideale

Instagram ist eine einzige, riesige Realitätsverzerrungs- und Filterblasenverstärker-Maschine, die mit der Zeit die Wahrnehmung von "Normal" verschiebt und die Wirklichkeit nur noch schwer ertragen lässt. Wer ein Faible für Mode und Design hat und gleichzeitig Rad fährt, dessen Feed wird bald von mehr und mehr dieser wunderbaren Bildern durchzogen, die sich alle überbieten und doch immer gleich sind. Schöne Menschen mit perfekten Radfahrer-Proportionen fahren auf auf edlen Rädern durch atemberaubende Traumlandschaften. Die Bilder wirken spontan und sind wohl doch bis ins Detail inszeniert. Meist sieht man Räder mit 56er oder kleineren Rahmen, gerne aus Stahl und von begnadeten Rahmenbauern. Jedes Teil des Kits passt wie zufällig zueinander, Hose zu Trikot zu Brille zu Helm zu Socken zum Rad und in die Landschaft. Alles ist neu und fehlerlos. Die Räder glänzen und blitzen wie frisch aus dem Laden. Und wenn Rad oder Kit mal nicht perfekt sind, dann weil die Protagonisten gerade von einer heroischen Tour unter widrigsten Bedingungen zurückgekommen sind oder sich, noch besser, mitten im Nirgendwo befinden. Auch wenn vieles Werbung ist, ist es nicht minder schön. Mit der Zeit besteht überhaupt gar kein Zweifel mehr: So muss Radfahren aussehen! Wie auch sonst?



Radsport war schon immer reich an Etikette. Um dazu zugehören muss man wissen was man wann wie anzieht und kombiniert. Die Länge der Socken und der Hosenbeine, die Farbe der Hose und die Kombination von Arm- und Beinlingen sind genauestens geregelt, ebenso wie unzählige andere Details. Seit einigen Jahren sind all diese Regeln auch in gebundener Form in der Buchhandlung zu erwerben und werden nicht nur vom Meister zum Novizen weitergegeben. Natürlich gibt es auch im Radsport Moden die kommen und gehen, aber das Ideal des zeitlos eleganten Helden bleibt. Fausto Coppi wird immer ein Ikone sein. All das macht Radsport aus, die Historie, die Details, die Schönheit (neben der sportlichen Leistung natürlich).

Die sonntägliche Vereinsausfahrt holt einen dann aber schnell und gnadenlos zurück in die modischen Abgründe des Radfahrens. Die gerade aktuellen Gruppenbilder einiger "Trainingslager" zeugen von einer Wirklichkeit, die so ganz anders aussieht als der Instagram Feed. Die Sünden-Liste ist lang: Abgenutzte, halbtransparente Hosen, nicht zueinander passendes Kit, Bündchen, die so ausgeleiert sind, das sie lustige Wellen schlagen, keine oder Sneaker-Socken oder auch mal Wollstrümpfe, Kompressionsstulpen, lange Hosen und kurze Arme, Profi Trikots und die unvermeidlichen haarigen Beine. So geht es endlos weiter. Die Räder sehen nicht besser aus und die Piloten lassen die Eleganz und Leichtigkeit der Instagram Models gänzlich vermissen.

Ist das die Normalität? Ist das Coppi Ideal nur ein ferner Gedanke, unerreichbar oder sogar belanglos? Kommt es darauf gar nicht an? Nein! Denn wenn dem so wäre, könnte man genauso gut in Jogginghose in die Oper oder mit dem alten Lieblingspulli in's Büro gehen. Sich einigermaßen gut und dem Anlass angemessen anzuziehen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Warum nicht auch im Sport? Also gebt euch mal ein bisschen Mühe und sortiert ein paar der ganz alten Sachen aus, rasiert euch die Beine, putzt das Rad und ölt die Kette! Der Frühling kommt, höchste Zeit sich chic zu machen!

Update: Ein Leser hat, vielleicht zu Recht, angemerkt, dass er nicht erkennen kann worauf ich hinaus will. Ob ich mich über die Instagram Blase oder die "Gammler" lustig mache. Die Wahrheit liegt wie so oft in der goldenen Mitte. Zwischen Fashion-Victim und Gammler gibt es eine Goldene Mitte, ich würde sogar sagen einen goldenen Schnitt, der näher näher an dem Fashion Ende der Skala denn an dem Gammel Ende liegt. Die nachfolgende Liste ist daher nur das, als was ich sie bezeichnet habe, eine Inspiration, aber kein Mode-Diktat!

Eine Liste hübscher Instagram Feeds zur Inspiration:

Sonntag, 1. April 2018

Park Tool wird Komponenten-Hersteller

Der amerikanische Fahrrad-Werkzeug Gigant Park Tool steigt in das Komponenten-Geschäft ein! Die Werkzeuge mit dem weißen Schriftzug auf  ikonischem blauen Grund sind bekannt für ihre überragende Qualität. Es gibt wahrscheinlich keine Aufgabe und kein Problem am Fahrrad, für deren Lösung Park Tool nicht das passende Werkzeug hat. Man begibt sich sicher nicht auf Glatteis, wenn man sagt, dass die Experten aus St. Paul in Minnesota wissen wie Fahrräder funktionieren.

Nach fast 60 jähriger Erfolgsgeschichte ist es nicht mehr als logisch, dass Park Tool nun auch den Komponenten-Markt in Angriff nimmt. Als erstes Produkt der neuen Firmensparte wird ein revolutionäres Pedal auf den Markt kommen. Unterlenker.com ist es gelungen erste Bilder eines Vorserienmodells zu schiessen. Das Pedal hat bisher noch keinen Namen und wird intern als PT-P-01 (Park Tool Pedal 01) bezeichnet. Das Design kann getrost als bahnbrechend bezeichnet werden. Durch die Konzentration auf das wesentliche ist es Park Tool gelungen das Gewicht auf sensationelle 95 Gramm zu senken, wohlgemerkt bei einem Vorserienmodell!

Schwachpunkt ist bisher der Verbindungsmechanismus zum Schuh. Eingefädelt wird nicht wie bei anderen Herstellern von oben, sondern von der Seite. Laut Park Tool soll dies nach kurzer Eingewöhnung bedeutend einfacher sein. Allerdings sind die "Cleats" abseits des Rades etwas umständlich. Aber schliesslich liegt der Zweck im Radfahren und nicht im Laufen.

Offizieller Product-Launch soll im Rahmen der IFMA in Köln am 11.November sein. Bis dahin werden die Park-Tool Entwickler noch kräftig an Verbesserungen arbeiten. Ich hoffe ein Paar dieser Pedale vorab zum Testen zu bekommen und werde dann berichten.






Links:
Homepage Park Tool