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Samstag, 3. November 2018

Spannende Zeiten

Der Radsport im Allgemeinen und der Straßenradsport im Besonderen erlebt gerade eine spannende Zeit. Immer neue Spielarten des sportlichen Radfahrens finden ihre Anhänger. Seit einigen Jahren boomen die Fixed Gear Kriterien, die mit der Red-Hook Serie internationale Bekanntheit erreicht haben (In diesem Zusammenhang hörenswert: Die aktuelle No Brakes Folge des Cycling Podcasts). Die Brevet Szene erlebt eine neue Blüte, die Audax Vereinigungen verzeichnen mehr und mehr Mitglieder und alle paar Wochen kann man über alte und neue spannende Veranstaltungen lesen (TCR, TCR, Three Peaks, PBP). Abseits der Straßen werden die neuen Gravelbikes über Stock und Stein gejagt. Gravelevents von schnell bis langsam, von Spaß bis Sport schießen aus dem Boden. Bei den Veranstaltungen der Jedermann-Szene und den Rad-Marathons in den Alpen stehen regelmäßig Tausende am Start, bezahlen teils horrende Startgebühren und nehmen weite Anfahrten auf sich. Abseits des Sports erlebt das Fahrrad als Fortbewegungsmittel eine Renaissance und der Verteilungskampf um den Platz auf den Straßen der Städte hat gerade erst angefangen.


Auf der anderen Seite musste dieses Jahr mit Quick Step sogar eine der erfolgreichsten Mannschaften der Worldtour lange nach einem neuen Sponsor suchen. Die Lizenzrennen darben seit Jahren unter abnehmenden Teilnehmer- und die Vereine allgemein unter sinkenden Mitgliederzahlen. Rennklassen werden zusammengelegt und Traditionsveranstaltungen eingestellt. Dabei ist der Straßenradsport immer noch das Maß aller Dinge. In keiner anderen Sparte des Radsports stehen so vielen Fahrer, Sportliche Leiter, Mechaniker, Trainer und Betreuer in Lohn und Brot. Während nur einige wenige Top Fahrer vom Mountainbiken leben können, die wenigen Bahnfahrer meist vom Staat alimentiert werden und in anderen Sparten Amateure und Hobbysportler weitgehend unter sich sind, eröffnet der Straßenradsport echte Karrieremöglichkeiten. Auch wenn sicher viele Verträge gerade nur mit dem UCI Mindestlohn vergütet werden, sind es doch Arbeitsverträge mit realem Cash-Flow. Das gilt prinzipiell selbst für den Frauenradsport, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Und wenn man die Leute auf der Straße nach Radsport fragt, enthält die Antwort unweigerlich das Schlagwort “Tour de France”.

Während viele noch über die Gründe und mögliche Lösungen diskutieren, probieren einige Protagonisten neue Dinge aus. Vor einigen Jahren haben sich Worldtourteams zu “Velon”, einer Art Vermarktungsgesellschaft, zusammengeschlossen. Die Onboard Videos waren anfangs ganz interessant, nutzen sich in der jetzigen Form von kurzen Highlight Videos auf Youtube aber schnell ab. Die Hammer Series ist zu gewollt und künstlich und wird schwerlich ein Erfolg werden. Die neuste Wende ist die Zusammenarbeit von Rapha und dem Woldtour Team EF Education First - Drapac pb Cannondale. Die Zusammenarbeit soll weit über das übliche Sponsoring hinausgehen. Einige Fahrer des Teams werden ein alternatives Programm fahren und an Fixed Gear Kriterien, Gravel Events und Ultra Endurance Rennen teilnehmen. All das wird von Rapha medial begleitet. Die Filme und Features werden mit Sicherheit eine großartige Sache sein, der man gespannt entgegen sehen kann. Spannend wird auch sein, wie sich die Profis schlagen werden, ob und wie sich die jeweilige Szene verändern wird und wie dort die unweigerliche Professionalisierung aufgenommen wird. Auf WHATTSBEHIND hat Benjamin vor einigen Tagen über den Rapha - Education First Deal ausführlich und sehr lesenswert geschrieben. Am ersten November hat der Rennstall die Verpflichtung von Lachlan Morton bekanntgegeben, der in der kommenden Saison wieder im Argyle Trikot fahren und einer der Fahrer des alternativen Rennprogramms sein wird. An dieser Stelle habe ich schon öfter über die Arbeit der beiden Morton Brüder geschrieben, die besonders mit der "There About's" Film Reihe bekannt wurden. Das lässt einiges erwarten!

In Deutschland versucht der BDR hingegen mit einer Lizenzreform dem negativen Trend bei den Lizenzrennen entgegenzuwirken. Caro von Ciclista.net hat darüber geschrieben und ich teile ihre Ansicht, dass diese Reform kein Befreiungsschlag ist. Die strukturellen Probleme, mit denen Vereine zu kämpfen haben, wie sinkende Mitgliederzahlen, wegbrechendender Nachwuchs, Auflagen bei Genehmigungen von Radrennen, Überalterung und damit oftmals Probleme bei der Digitalisierung, etc. etc., werden durch die Lizenzreform der männlichen Eliteklasse in keiner Weise adressiert. Es wird von Seiten des BDRs, der Landesverbände und der Vereine beträchtlicher Anstrengungen bedürfen, damit der Vereinssport auch in Zukunft relevant bleibt. Vielleicht sind die Probleme im organisierten Radsport aber auch nur Ausdruck einer größeren gesellschaftlichen Veränderung, die den Kampf um Bestleistungen und Medaillen nicht mehr so hoch wertet wie in der Vergangenheit. Selbst dem Internationalen Olympischen Komitee fällt es neuerdings schwer, Ausrichter für seine Spiele zu finden.

Wie auch immer es weitergeht, die Räder werden sich drehen und es wird weiterhin Rad gefahren werden, nur vielleicht anders und vielfältiger als wir es heute kennen.

Donnerstag, 29. Juni 2017

Bundesliga Junioren / Masters, ein Zwischenfazit

Dieses Jahr hat der Bund Deutscher Radfahrer aus der Junioren-Bundesliga eine Junioren/Masters-Bundesliga gemacht. Zunächst durften nur Senioren 2 Fahrer, dann auch Senioren 3 Fahrer an den Start, sowohl als Mannschaft als auch als Einzelfahrer.

Zu diesem Schritt sah man sich beim BDR durch die immer kleiner werdenden Startfelder genötigt. Nachwuchssorgen hat nicht nur der Straßen-Radsport. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und Zeit der Jugendlichen sind die Sportverbände mit einer immer grösseren Anzahl an Mitbewerbern (Internet, Videospiele, neue Sportarten) und einer knapperen Freizeit der Jugendlichen (G8) konfrontiert. Das in dieser Situation der absolute und auch der relative "Marktanteil" der einzelnen Wettbewerber (z.B. Sportverbände) sinkt, ist ein Gesetzt des Marktes. Hinzu kommt, dass es der Radsport in der auf Heldenverehrung fixierten deutschen Sportkultur nach den Doping-Skandalen der 2000er Jahre und dem Sturz von Ullrich und Co. besonders schwer hat.

Zunächst stellt sich aber die Frage, wie klein das Bundesligafeld tatsächlich ist und ob dies ein Problem darstellt. Dazu habe ich die Ergebnisse der vier Rennen 2017 (Frankfurt, Karbach, 2x Ilsfeld-Auenstein) einer kleinen Analyse unterzogen. Die Linien zeigen die Platzierungen und die jeweiligen Rückstände auf den Sieger in Prozent der Siegerzeit. Von der Main-Spessart Rundfahrt abgesehen, bei der eine Reihe von Fahrern das Rennen mit enormen Rückständen beendeten, kamen kaum mehr als 50 Fahrer ins Ziel. Nur etwa 20 Fahrer waren in der Lage auf den schweren Kursen halbwegs in die Entscheidung einzugreifen und unter 5% Zeitrückstand zu bleiben. Bei den vermeintlich einfacheren Rennen kamen etwa 45 Junioren zusammen an. Die Lücken in den Linien sind Masters Fahrer.


Die Daten für diese Grafik wurden etwas bereinigt. Plazierungen werden durchgezählt, auch wenn die Fahrer im offiziellen Ergenis auf dem gleichen Platz stehen. Im Ergebnis von Frankfurt stehen eine Reihe von Fahrern mit einer Zeit von über 16 Stunden im Ergebnis. Ich nehme an es handelt sich um die Gruppe, die nicht mehr auf die finale Runde gelassen wurde, ich habe diesen Fahreren ebenfalls eine Zeit von drei Stunden plus der im Ergebnis gezeigten Minuten gegeben (also 16 gegen 3 ersetzt). Das ändert nichts an der Reihenfolge, die "16 Stunden Gruppe" hat immer noch die langsamste Zeit.

Auch wenn ich keines der Rennen live gesehen habe und mir somit natürlich wesentliche Informationen zu Verlauf und Ausgang fehlen, kann man durchaus festhalten, dass 50 bis 60 klassierte Fahrer wenig ist.

Warum ist das aber überhaupt ein Problem? Ziel der Bundesliga ist es, die Nachwuchsfahrer auf internationale Rennen und den Wechsel in die Elite vorzubereiten. Es geht um Talentsichtung und -Förderung. Die Herausforderung dabei ist, dass der Straßen-Radsport nicht nur aus einer körperlichen Komponente, sondern ebenso aus taktischem Geschick besteht. Rennübersicht, Positionierung, Kräfte sparen, all das kann einen eigentlich schwächeren Fahrer über stärkere Konkurrenten triumphieren lassen. Kleine Felder von 50 und weniger Fahrern beschränken allerdings die taktischen Anforderungen und Möglichkeiten. Reine körperliche Stärke hat es leichter.

Einige Beispiele:
  • Die entscheidende Gruppe geht aus einem 50 Mann Feld und der stärkste Fahrer ist ganz hinten. Kein Problem, der Fahrer fährt nach vorne und setzt nach. Wenn unser Favorit aber ganz hinten in einem 150 Mann Feld fährt, bekommt er wahrscheinlich noch nicht mal mit, dass ein Gruppe wegfährt. 
  • Aus unserem 50 Mann Feld löst sich eine Gruppe von fünf starken Fahrern aus fünf verschiedenen Mannschaften. Wer soll da noch Konterattacken fahren? Im Feld werden schlicht zu wenige Mannschaften ohne Fahrer in der Spitze sein, die ein Interesse an der oder die Fähigkeit zur Nachführarbeit haben. 
  • In einem großen Feld kann sich ein schwächerer Fahrer durch intelligente Fahrweise viel länger schonen und somit am Ende stärkere Fahrer schlagen. Es gibt mehr Windschatten, mehr Fahrer und Mannschaften, die die Verfolgung von Ausreissern organisieren usw. In einem kleinen Feld geht es in erster Linie darum, wer physisch der Stärkste ist.
Es ist also durchaus wichtig für die Talentsichtung Startfelder von deutlich über 100 Fahrern zu haben. Letzten Endes ist dies auch im Sinne der Veranstalter, die den Zuschauern ein interessantes Rennen bieten wollen. Grosse Überlandrennen wie am 1.Mai in Frankfurt sind teuer. Genehmigungen, Absperrungen, Polizei und Streckenposten müssen bezahlt werden. Auch wenn Juniorenrennen wohl kein Geschäft sind und viel Engagement voraussetzen, gibt es sicher eine Grenze, ab der sich solche Veranstaltungen nicht mehr darstellen lassen.

Es steht ausser Frage, dass das eigentliche Ziel sein muss, wieder über 100 oder sogar 150 Junioren in der Bundesliga zu haben. Nur, das passiert nicht von heute auf morgen. Zum Erreichen dieses Zieles wird man gute Ideen, Durchhaltevermögen, günstige Umstände, Glück und vor allem viel Zeit benötigen. Beginnt man heute, wird man frühestens in fünf bis zehn Jahren erste Ergebnisse sehen.

Um die Situation aber direkt zu verbessern, gibt es zwei nahe liegende Möglichkeiten: Öffnung für ausländische Fahrer oder eben Öffnung für die Masters Klassen. Die erste Möglichkeit hat ebenfalls Nachteile, da Mannschaften zum Beispiel aus Belgien oder Frankreich wenig Interesse an den Rennen in Ostdeutschland haben werden, da diese zu weit entfernt sind, dort werden Mannschaften aus unseren östlichen Nachbarländern starten, die aber wiederum nicht in den Westen der Republik fahren. Wenn es aber das Ziel ist, eine zusammenhängende, deutsche Rennserie zu haben mit mehr oder weniger den gleichen Startern in jedem Rennen, dann ist die Masters Variante zu bevorzugen.


Nur leider hat man beim Bund Deutscher Radfahrer die Rechnung ohne den Wirt, bzw. die Masters-Fahrer gemacht. Bei allen vier Rennen zusammen gab es lediglich 13 Senioren-Starts von sieben unterschiedlichen Fahrern. Zwei Fahrer sind je drei mal gestartet, weitere zwei je zwei mal und drei Fahrer haben es bei einem einmaligen Abenteuer belassen. Von diesen 13 individuellen Rennen wurden nur sechs beendet. Das ist eine DNF Quote von über 50%!



Man kann sicher behaupten, dass dies hinter den Erwartungen zurück bleibt. Ein Grund dürfte die späte Freigabe der Bundesliga für die Masters Klasse gewesen sein. Die amtliche Bekanntmachung erschien am 20. März, der offizielle Meldeschluss war am 1. April, das erste Rennen in Frankfurt am 1.Mai. Zehn Tage sind selbst unter besten Vorraussetzungen nicht genug, um eine Mannschaft aufzustellen (Fahrer, Betreuer, Auto, Ausrüstung, etc.) und zu melden. Sicher, einiges kann man auch nach Meldeschluss organisieren und der BDR hätte auch spätere Meldungen akzeptiert, aber eine solch späte Bekanntgabe erweckt eher den Eindruck einer Kurzschlussreaktion statt eines wohlüberlebten Planes.

Meines Erachtens hat man versäumt, die besten deutschen Masters und die existierenden Renngemeinschaften vorab ins Boot zu holen, die Stimmungslage zu eruieren, vielleicht auch Überzeugungsarbeit zu leisten und sicherzustellen, dass in jedem Fall einige Mannschaften teilnehmen werden. Statt dessen hat man der Meinungsbildung entlang der Strecken und in den sozialen Medien freien Lauf gelassen und nach allem, was ich gehört und gelesen habe, ist diese verheerend ausgefallen. Weithin hält man die Öffnung der Junioren-Bundesliga für Masters Fahrer für eine ziemliche Schnapsidee. Das erzeugt neben den durchaus sachlichen Gründen, die gegen eine Teilnahme sprechen, eine gewisse Gruppendynamik, die es potentiell interessierten Fahrern nicht leichter machen dürfte.

Das ist schade. Ich halte die "Masters-Bundesliga" nämlich für eine interessante Möglichkeit, "richtige" Radrennen zu fahren gegen eine Konkurrenz, deren durchschnittliches Niveau dem der Masters Fahrer entspricht. Die einen sind auf dem aufsteigenden Ast, für die anderen geht es abwärts. Als Senior noch mal mit den jungen Kerlen zu fahren, ist das nicht wie ein Rennen gegen das eigene, jüngere Ich? Hängen wir Alten nicht alle ein wenig unserer Jugend nach? Als die Träume von einer Profikarriere noch nicht von der Wirklichkeit zurechtgestutzt waren? Dazu echte Straßenrennen auf großen Kursen und vor einmaliger Kulisse (Frankfurt), echte Mannschaften mit Begleitfahrzeug, günstiges Startgeld und ein vergleichsweise homogenes (=faires) Startfeld.

Was spricht dagegen? Die fehlende Übersetzungsbeschränkung für die Masterfahrer? Ja, das führt zu gewissen Ungleichheiten, auf der anderen Seite kann man die Beine mit 18 Jahren in der Regel auch noch schneller drehen wie jenseits der 40 und es kann für den Junior auch durchaus eine taktische Überlegung sein, den Senioren-Fahrer am Berg eben nicht abzuhängen um von seiner Hilfe im Flachen zu profitieren. Davon abgesehen halte ich den 11er, 12er und den 13er für überbewertet. Ausserhalb der Elite A und Profi Klassen dürfte kaum jemand diese Gänge wirklich treten können.

Was noch, die furchtlose Fahrweise der Junioren? Niemand stürzt gerne, auch nicht die Jungen. Diese mögen zwar eine teilweise riskantere Fahrweise an den Tag legen, auf grossen Straßenkursen halte ich das aber für zu vernachlässigen. Davon abgesehen rappelt es auch bei den Profis alle Nase lang.

Meine eigenen Erfahrungen mit den gemischten Rennen sind durchaus positiv. 



Ob das Experiment für die Saison 2018 fortgesetzt wird? Das bleibt abzuwarten, um es noch zu einem Erfolg zu bringen, wird der Bund Deutscher Radfahrer sich einiges überlegen müssen. Von alleine werden 2018 nicht dutzende Fahrer am Start stehen. Das es sich dabei nur um eine Überbrückungsmaßnahme handelt bis wieder ausreichend Junioren am Start sind, steht wie bereits geschrieben ausser Frage. Aber bis dahin könnte man es seitens der Masters auch als Nachwuchsförderung sehen, frei nach dem Motto: "Jetzt zeigen wir denen mal wie Radrennen gefahren werden!". Gut, so einfach wird es nicht werden, aber die alten Herren haben auch nichts zu verlieren, wir könnten das nur für den Spass machen und hinterher ein Bier trinken. In dem Sinne: Prost! 

Vielen Dank an Birgit Jung, die mir freundlicherweise die Bilder zur Verfügung gestellt hat.

Links:
Lila Logistik Rad-Bundesliga Startseite
Rad-Net Amtliche Bekanntmachungen (nach Bundesliga suchen, die einzelnen Bekanntmachungen lassen sich nicht direkt verlinken)

Samstag, 12. November 2016

Ein Nachspiel. Ende Gut alles Gut?

Das Radmagazin Tour hat diese Woche (genau am 10.11.) gemeldet, dass die beiden BDR-Präsidiumsmitglieder Streng und Schwarz nach der Affäre um die fremdenfeindlichen Äusserungen zurückgetreten sind. Gut so! Fast 1000 Unterzeichner der Online Petition auf Change.org, zahlreiche Blogposts (z.B. bei CyclingClaude oder Coffee and Chainrings), viele Kommentare auf Facebook, Vereine und Landesverbände haben sich laut und deutlich zu Wort gemeldet und Stellung bezogen. Das hat im Bund Deutscher Radfahrer zu einem Umdenken geführt, nachdem man zunächst an den Personen festhalten wollte. Die Rücktritte von Streng und Schwarz wurden sogar von Herr Scharping persönlich bekanntgegeben. Meine Befürchtungen um sein Wohlergehen waren also unbegründet.

Eine gute Woche vor dieser Entscheidung haben der Gesamtvorstand und die Vereinsvertreter des Saarländische Radfahrer Bundes getagt und einen deutlichen Beschluss gefasst. Ich zitiere aus dem Protokoll der Versammlung:
    Im SRB Präsidium besteht uneingeschränkte Einigkeit darüber, dass ein solches Verhalten eines BDR Präsidiumsmitglieds mehr als unangemessen ist und dem BDR und der gesamten Radfahrergemeinschaft großen Schaden zufügt. JA (Jörg Aumann, Präsident des SRB) hat dies auch persönlichen gegenüber Peter Streng bereits zum Ausdruck gebracht und ihn zum Rücktritt aufgefordert.
    Dieser Meinung schließt sich der gesamte Vorstand des SRB geschlossen an!
    Frank Lenhart (St. Ingbert) regt die Einschaltung der BDR Ethikkommission an; leider ist eine solche Einrichtung bisher im BDR noch nicht eingerichtet. Anregung: Beschlussvorschlag an den BDR zum Beschluss in der nächsten BHV (2017) in Regensburg.

    Bis zur BDR Verbandsratssitzung am 26.11.2016 ruhen die Ämter von Peter Streng und Dr. Manfred Schwarz, der ebenfalls mit gleichlautenden Vorwürfen konfrontiert wurde. Der SRB Präsident wurde von der Versammlung gebeten und autorisiert, in dieser Sitzung für den Rücktritt der beiden Herren zu votieren. 
Letzter Punkt ist von der Entwicklung der Geschehnisse überholt worden. Die Einrichtung einer Ethikkommission ist eine gute Idee. Wie eine solche Kommission zusammengesetzt und was die genaue Aufgabe sein soll, muss sicher diskutiert werden. Ein unabhängiges Expertengremium, das Entscheidungen und Vorgänge innerhalb des Bund Deutscher Radfahrer ohne die Brille der Betriebsblindheit beurteilt und zu Rate gezogen werden kann oder muss, wird aber sicher zu besseren Entscheidungen führen. Insbesondere da man durchaus die Frage aufwerfen kann, ob die Meinungsäußerungen von Streng und Schwarz krasse Ausreisser waren, oder ob dies nur vor dem Hintergrund der Salonfähigkeit einer solchen Meinung innerhalb des BDRs möglich war.

Was ist die Lehre aus all dem? Die vielleicht wichtigste ist, dass man für seine Überzeugung einstehen und nicht nur zur schweigenden Mehrheit gehören sollte. Wenn man etwas falsch findet, kann und sollte man das klar benennen, dabei aber immer sachlich bleiben. Heute gibt es viele Mittel und Wege seine Meinung deutlich zum Ausdruck zu bringen. Nutzt diese!

Links:
Dazu vorher auf Unterlenker.com: War ja alles nicht so gemeint
Bericht auf Spiegel Online

Sonntag, 30. Oktober 2016

Wo ist Rudi?

Ich glaube ich bin einem furchtbaren Verbrechen auf die Spur gekommen. Jemand muss unseren Präsidenten entführt haben! "Unser" Präsident natürlich nur wenn ihr noch Mitglied im Bund Deutscher Radfahrer seit. Wie auch immer, Rudi ist weg! Ich verfolge ja recht regelmäßig die nationalen und Internationalen Radsport-Nachrichten. Rad-Bundesliga, Deutsche Meisterschaften, Weltmeisterschaften. Ich habe BRD-Online auf Facebook geliked, den RSS-Feed von Rad-Net abonniert und schaue regelmäßig auf der BDR Homepage nach den neusten Nachrichten. Aber nie sehe ich ein Foto mit Rudi. Nichts!

Hier ist Rudi auf der Jahreshauptversammlung des BDR 2009 zu sehen. 
Quelle: Wikipedia 

Dabei soll der Präsident doch den BDR nach aussen vertreten und repräsentieren. Also die Meistertrikots überreichen. Die deutsche Nationalmannschaft bei der WM unterstützen. Seine Kontakte in die Politik spielen lassen und die BDR-Mitglieder von der Radwege-Benutzungspflicht entbinden. Da müsste er doch mal auf Fotos auftauchen, oder?

Und in der aktuellen Causa Streng, da wird an den Generalsekretär Martin Wolf geschrieben, nicht aber an Rudi. Und warum meldet sich Rudi, ein aufrechter Sozialdemokrat, hier nicht energisch zu Wort? 

Und es ist ja nicht so, das Rudi die Öffentlichkeit scheuen würde. Früher ist Rudi immer mit dem Team Telekom Rad gefahren und hat bei der Tour de France im Begleitauto gesessen. Das waren noch Zeiten. Ulle in Gelb und Rudi im Mannschaftswagen. Da hat das auch funktioniert, mit dem Radsport hierzulande. Da ist Deutschland um den Tour Sieg gefahren. Aber seit dieser Brite das Ruder in der UCI übernommen hat, gewinnt Team Sky eine Tour nach der anderen und von Rudi ist nichts mehr zu sehen. Ob es da einen Zusammenhang gibt? 

Ein böser Verdacht: Rudi ist entführt worden oder einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Oder es ist einfach ein tragisches Unglück passiert. Vielleicht hat Rudi sich ja auch einfach nur auf einer Rad-Tour verfahren? Womöglich im Wald? Ein Plattfuß und kein Materialwagen weit und breit? Oder er wird bei der Deutschen Telekom im Keller gefangen gehalten? Vielleicht wollte er alte Doping Geschichten aufdecken? (Gut, dann könnte er auch in Freiburg im Keller sitzen.) 

Daher sind jetzt alle Radfahrer gefragt, jetzt kommt es drauf an, es geht um Leben und Tod: 

Wo ist Rudi? 

Haltet die Ohren und Augen auf! Hinweise gerne in den Kommentaren (geht auch anonym)!

Donnerstag, 20. Oktober 2016

War ja alles nicht so gemeint!

Der Bund Deutscher Radfahrer muss sich derzeit mit einer unschönen Affäre um seinen Vizepräsidenten Peter Streng beschäftigen und bekleckert sich dabei nicht mit Ruhm.

Herr Streng hat über einen längeren Zeitraum auf seiner privaten Facebook Seite fremdenfeindliche und rechtspopulistische Meldungen unter anderem der rechtsextremen Internetseite "Denken macht frei" und des Kopp-Verlages geteilt. Inzwischen sind diese Posts zumindest auf seinem öffentlichen Profil nicht mehr sichtbar. Der BDR wurde seit längerem auf die gravierenden Verstöße seines Vizepräsidenten gegen die Satzung aufmerksam gemacht. In §6 heisst es: "Der BDR ist nach demokratischen Grundsätzen in freien Wahlen aufgebaut. Parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen sind ausgeschlossen."

Meinungsäußerungen wie die des Herrn Streng sind damit nicht in Einklang zu bringen. Eine Unterscheidung zwischen der Privatperson Streng und dem Vizepräsident Streng ist hier nicht zulässig. Persönliche Integrität ist die fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems mit dem eigenen Handeln (Wikipedia). Für einen Amtsträger des BDR bedeutet dies, sich jederzeit dem Wertesystem des BDR entsprechend zu verhalten. Dieses "amtliche" Wertesystem kann aber nicht beim Verlassen des Büros am Empfang gegen ein gegenläufiges, privates Wertesystem getauscht werden. Wenn man sich in das Amt eines stellvertretenden Präsidenten eines nationalen Sportverbandes wählen lässt, muss man bereit sein, sich jederzeit an dieses Wertesystem zu halten. Ist man dazu aus welchem Grund auch immer nicht bereit oder nicht in der Lage, verliert man nicht nur seine persönliche Integrität, sondern auch die Eignung zum Amt.

In dem vorliegenden Fall finden sich in den verschiedenen aktuellen Berichten nur noch wenige Screen-Shot Schnipsel der ehemals wohl umfangreichen Facebook Timeline des Herrn Streng. Das ganze Ausmaß lässt sich nur noch erahnen. Es war aber zumindest so groß, dass es Spiegel-Online eine Meldung wert war, woraufhin sich der BDR genötigt sah, den Fall zu kommentieren, sich von den Äußerungen zu distanzieren und von Herrn Streng eine Entschuldigung zu verlangen. Diese wurde unter anderem mit dem Verweis auf das umfangreiche soziale Engagement des Herrn Streng angenommen.

Das ist nicht genug! Die Entschuldigung des Herrn Streng, die Posts lediglich aus einer Emotion heraus und ohne weitergehende Recherche geteilt zu haben, ist lächerlich und hat den gleichen Gehalt wie die Ausflüchte manch eines überführten Dopingsünders. Sollte diese aber doch der Wahrheit entsprechen, müsste man Herrn Streng die intellektuelle Fähigkeit zur Führung des Amtes absprechen. Das Verhaltensmuster entspricht dem eines jeden Rechtspopulisten: Grenzüberschreitung und anschliessende Relativierung oder Korrektur. Aber gesagt ist gesagt. Die Relativierung kommt bei den eigentlichen Empfängern der Botschaft dann nicht mehr an. So schaukelt sich das, "was man ja wohl mal noch sagen darf" immer weiter hoch. Fakten spielen dabei keine Rolle. Die Lösung von Problemen übrigens auch nicht.

Gerade in einer Zeit, in der die rechtspopulistischen Hetzer der AFD und der Pegida immer lauter werden, erwarte ich vom Bund Deutscher Radfahrer sich solcher Gesinnung in den eigenen Reihen entschieden und kompromisslos entgegenzustellen. Aus diesem Grund habe ich die Online-Petition auf change.org unterzeichnet.


Darüber hinaus hatte ich einen kurzen Kontakt zu dem Thema mit dem Saarländischen Radfahrer Bund und erwarte, dass hier auch von den Landesverbänden noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Links:
Detailliertere Infos und Screen Shots finden sich auf:
Ruhrbarone
FC St. Pauli
Winkelsicht
Die BDR Stellungnahme auf Facebook

Dienstag, 4. Oktober 2016

Jedermann und jeder Mann (Update)

Das Jedermann Rennen im Rahmen des deutschen Radklassikers "Eschborn-Frankfurt Rund um den Finanzplatz", die Skoda Velotour wird 2017 nicht mehr Teil des German-Cycling-Cups sein. Durch die zunehmende Professionalisierung des GCC passe dieser nicht mehr zu dem klassischen Jedermann Sport, wie der Veranstalter Ende September bekanntgegeben hat.

Mir ist der GCC ja schon seit Jahren suspekt. Diese Serie ist in meinen Augen das Sinnbild des Versagens des Bund Deutscher Radfahrer, wenn es darum geht, von der aktiven Begeisterung für den Radsport zu profitieren und diese in die Verbandsstrukturen einzubinden.

Zunächst stellt sich die Frage nach der Definition von Jedermann. Im sprichwörtlichen Sinn, "jeder Mann" oder auch "jede Frau" bedeutet es einfach nur Alle oder auch ausnahmslos. Man sollte also annehmen, das bei Jedermann-Rennen, und ein solches ist der GCC ja, auch tatsächlich Alle starten dürfen, vom Novizen bis zum Weltmeister. Eine offene Klasse, in der der Beste gewinnt. Weit gefehlt, wer auch Lizenz-Rennen fährt und in die B-Klasse aufsteigt oder sogar A-Fahrer ist, darf nicht starten. Fahrer aus Kontinental-Sportgruppen und darüber müssen auch draußen bleiben. Das Leistungsniveau der Spitze sollte also höchstens gleich auf mit der C-Klasse sein. Was ja ganz gut zu einer Hobby/Freizeitklasse passen würde.

Start 150 km Jedermann Rennen Rad am Ring 2016, Bild: Markus Stera

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Um ein GCC Rennen zu gewinnen bedarf es eher des Leistungsniveaus eines A-Fahrers.

Warum fahren die Spitzenleute des GCC dann aber GCC und nicht in der A-Klasse? Ganz einfach, es gibt keine Aufstiegsreglung und für viele Fahrer ist es einfach attraktiver bei GCC und "Jedermann"- Veranstaltungen zu starten. Denn, das kann man schon so sagen, die GCC Rennen machen Spaß. Grosse Runden, große Startfelder, professionelle Organisation, lange Distanzen. Wenn man Lizenz-Rennen fährt, ist es schon etwas besonderes mal ein Straßenrennen auf einer 10 Kilometer Runde zu fahren. Darüber hinaus tummeln sich in der GCC Szene inzwischen viele Mannschaften, die hinsichtlich Material und Unterstützung der Fahrer den etablierten Amateurmannschaften sicher nicht nachstehen oder sogar mehr bieten.

Die im GCC erbrachten Leistungen sind ohne Frage beachtlich und ich schmälere das auch in keiner Weise. Als problematisch sehe ich es aber an, dass hier eine Rennserie und Szene neben dem Lizenzsport entsteht, nicht darunter, der eine offene Konkurrenz zu den Verbandsstrukturen darstellt. Mir ist es ein Rätsel wie der BDR das sanktioniert, auf der anderen Seite aber Reuegelder wegen nichtiger Auslandstarts oder Teilnahme an Spassrennen verhängt. Bis 2015 wurde im Rahmen des GCC ja sogar ein Deutscher Jedermann-Meister ausgefahren. Mit Meister Trikot und allem Pipapo. Dazu musste man noch nicht mal Mitglied des Bundes Deutscher Radfahrer sein und sich damit auch in keiner Weise den Anti-Doping Regularien und der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Das ist ungefähr so, wie wenn die katholische Kirche einen Ungetauften zum Bischof ernennen würde.

Ob die Leistungen der Top 100 Fahrer des GCC mit dem klassischen Jedermann-Gedanken im Sinne von Freizeit und Hobby Sport in Einklang zu bringen sind, sei mal dahingestellt. Falls nicht ist es vielleicht trotzdem nicht weiter schlimm. Bei jedem Rad-Marathon in den Alpen stehen Profis und Hobbysportler gemeinsam am Start, kein Problem. Warum werden dann aber B-Fahrer aufwärts vom GCC ausgeschlossen? Wer soll denn hier geschützt werden? Die "Jedermänner"?

Für die Fahrer des GCC ist das vielleicht genauso unbefriedigend, sich entscheiden zu müssen und im Zweifelsfall auf der Zielgerade eines C-Klasse Rennens die Handbremse anzuziehen um bloß nicht zu gewinnen und in die B-Klasse aufzusteigen. Es gibt Fahrer, die seit Jahren auf vordere GCC Plätze abonniert sind, aber auch genauso lange knapp am Aufstieg vorbei schrammen, ein echter Jammer, so ein Pech. Was ist das für eine künstliche und beliebige Trennung? Auf der einen Seite macht die Serie auf großen Sport, mit Leadertrikot (in gelb!), Teams, Betreuern, tollen Siegerehrungen etc., dann aber die besten Rennfahrer aussen vor lassen. Heisst es nicht, Konkurrenz belebt das Geschäft? Aber dann wäre es ein "richtiges Radrennen" und keine Jedermann-Veranstaltung! Oder doch nicht? Ich bin verwirrt.
Update: Der vorhergehende Absatz enthielt den Namen eines GCC Fahrers, um die Problematik, auch gerade für die Top Fahrer, deutlich zu machen und zielte in keiner Weise darauf die sportliche Integrität dieses Fahrers in Frage zu stellen. Da meine Formulierung aber scheinbar als ehrverletzend empfunden wurde und mir umgehend rechtliche Schritte angedroht wurden, habe ich dieses Mal den Text geändert.

Zurück zum Bund Deutscher Radfahrer: Statt von der Begeisterung Radrennen fahren zu wollen, von den scheinbar ausreichend vorhandenen Sponsorengeldern und den tollen Rennen zu profitieren und dem darbenden Lizenz-Sport wieder Leben einzuhauchen lässt der BDR eine parallele Szene in direkter Konkurrenz zum "Kerngeschäft" entstehen. Finde ich sehr erstaunlich. Vielleicht gibt es auch ein Strategie dahinter, die ich nicht verstehe.

Es wird auf jeden Fall spannend sein wie es in den nächsten Jahren weiter geht, ob andere Veranstalter nachziehen und vom GCC zurücktreten, ob der BDR bessere Regelungen im Umgang mit dem Jedermann Sport findet und insbesondere ob das kürzliche Urteil der EU-Kommision zum Monopol der Sportverbände Auswirkungen hat.

Cycling Claude schreibt zu diesem Thema aus Sicht der "echten" Jedermänner hier und hier und vertritt dabei eine sehr explizite Meinung.

Weitere Links:
Veloton ohne GCC
Reglement GCC

Freitag, 13. Mai 2016

Ein Abwärtstrend? (Update)

Nach den Landesverbandsmeisterschaften im Zeitfahren am vergangenen Samstag fand einen Tag später die Meisterschaft im Straßenrennen in Wolfhagen in Nordhessen statt. Seit einigen Jahren werden die Meisterschaften des Saarlandes, von Rheinland-Pfalz und Hessen gemeinsam ausgerichtet. Aufgrund einer kurzfristig versagten Genehmigung gesellten sich dieses Jahr auch die Radfahrer aus Niedersachsen dazu. Gleich vier Landesverbände bestimmten ihre Meister. Da sollte man eigentlich davon ausgehen, dass mal so richtig anständige Startfelder die Rennen in Angriff nehmen würden. Leider war es immer noch vergleichsweise übersichtlich. Insgesammt waren zwar immerhin 500 Fahrer gemeldet, aber so manch ein Sieger-Podest war nicht voll besetzt und die Medaillen blieben ungenutzt.

Basierend auf den Meldelisten habe ich mal ein bißchen Statistik gemacht. Erwartungsgemäß war die saarländische Fraktion die kleinste, der saarländische Radfahrerbund ist ja auch der kleinste Verband der vier. Das aber über alle Klassen nur 29 saarländische Fahrer gemeldet waren, davon nur ein einziges Mädchen und lediglich 14 Jungen in den männlichen Nachwuchsklassen ist natürlich schade bis traurig. Der Straßen-Radsport im Saarland (wie in anderen Verbänden auch) stand wirklich schon mal besser da. Inzwischen reicht es schon aus, überhaupt eine Lizenz zu lösen und sich auf dem Rad zu halten um in die Landeskader aufgenommen zu werden. Die Trainer haben gar nicht mehr die Möglichkeit auszuwählen. Es wird höchste Zeit, dass der Bund Deutscher Radfahrer und die Landesverbände dem entgegen wirken und endlich von der allgemeinen Popularität des Radfahrens profitieren. Der Abwärtstrend bei den Starterfeldern im Straßenrennsport ist insbesondere im Vergleich zu der lebendigen Jedermann-Szene erstaunlich.

Und erstaunlich auch weil Radrennen Spass machen. Mann trifft viele Gleichgesinnte, es gibt Rennen für alle Altersklassen, hinterher eine Rennwurst und guten hausgebackenen Kuchen, Startgeld kostet maximal 15 Euro und kommt ehrenamtlich arbeitenden Vereinen zu Gute, Rennen sind in der Regel hervorragend organisiert, den sportlichen Wettkampf kann man, muss man aber nicht ganz so bierernst nehmen, wenn man aussteigt, ist das auch nicht schlimm. Für Erwachsene, die mit dem Radsport anfangen ist die C-Klasse natürlich schon 'ne Hausnummer, aber für den Nachwuchs, hallo? Gerade mal 219 Starter aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen in allen Nachwuchsklassen zusammen? Bei den Landesmeisterschaften? Jungs und Mädchen?

Vom Bund Deutscher Radfahrer vermisse ich etwas wie der Australische Verband vor einigen Tagen bekanntgegeben hat: Einen Fahrplan für die nächsten Jahre, dort nennt sich das Strategy 2020. Einen Plan mit einem klaren Ziel, nicht nur auf olympische Medaillen abzielend, sondern auch auf den Breiten- und Freizeitsport und Lobbyarbeit. Gut, es kann sein dass der BDR so was auch hat, vielleicht in den Tiefen von rad-net.de versteckt. Herr Scharping (ist der überhaupt noch Präsident? schon so lange nix mehr von dem gehört) hat sicher einen Masterplan.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob die Landesmeisterschaften in ein paar Jahren nicht gleich durch Süd- und Norddeutsche Meisterschaften abgelöst werden, weil mehr und mehr Landesverbände ihre Rennen zusammenlegen oder ob wir mal wieder eine exklusive Saarlandmeisterschaft sehen, wie "zu meiner Zeit".




Update 20.05.2016:
Gestern ist in den Radsportnachrichten aus Mittelhessen ein Kommentar von Jan Traub von der RVG Rockenberg über die Landesmeisterschaft in Wolfhagen erschienen. Herr Traub schildert die zunehmenden Schwierigkeiten für die Veranstalter Radrennen auszurichten.

Montag, 18. April 2016

Kleiner Grenzverkehr

Wie so Vieles im (Lizenz-) Radsport sind auch Starts im Ausland genauestens geregelt. Wo kämen wir da hin wenn jeder deutsche Rennfahrer einfach so im Ausland an den Start gehen würde?!

In der Sportordnung des Bund Deutscher Radfahrer heisst es dazu:

4.4.3 Teilnahme an Wettbewerben im Ausland 
(1) Vor einem beabsichtigten Auslandsstart ist eine Genehmigung einzuholen: 
- beim BDR bei allen Veranstaltungen, die im Internationalen Kalender stehen. Hierbei ist das BDR-Meldeformular zu benutzen 
- beim LV für alle übrigen Veranstaltungen

Mir ist nicht klar, warum das so strikt reglementiert ist, gerade in einem vereinigten Europa ohne Grenzkontrollen, dafür mit Freizügigkeit erscheint das ein Relikt aus der Vergangenheit zu sein. Aber vielleicht gibt es ja einen guten Grund. Falls ihr einen wisst, freue ich mich wie immer über einen Hinweis in den Kommentaren.

Allerdings, auch das muss man sagen, ganz so praxisfern wie es manchmal den Anschein hat sind die Sportverbände dann ja doch nicht. Der Bund Deutscher Radfahrer hat verschiedene Abkommen zum "kleinen Grenzverkehr" zum Beispiel mit dem FFC (Frankreich) und dem FSCL (Luxembourg) geschlossen, die es Sportlern ermöglichen grenzüberschreitend zu starten, ohne jedes Brimborium.

Der kleine Grenzverkehr mit Luxembourg gilt nur für Sportler aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Von dem Abkommen mit Frankreich (Elsass und Lothringen) profitieren auch Fahrer aus Württemberg und Baden. Ein Fahrer aus Hessen benötigt demzufolge eine Genehmigung zum Auslandsstart, wenn er in Luxembourg fahren möchte. Das gleiche gilt für mich, wenn ich in Belgien an den Start gehe. Mal spontan in den Ardennen Rennen fahren fällt somit aus, wenn man sich an das Reglement halten möchte. Auf der anderen Seite, wo kein Kläger, da kein Richter. Solange man nicht an einen grimmelwiedischen (saarländisch für chronisch schlecht gelaunt) Funktionär gerät, sollte so schnell eigentlich nichts passieren.

Abkommen zum kleinenGrenzverkehr gibt es auch mit der Schweiz und Österreich. Letzteres bezieht sich dabei ohne Einschränkung auf Fahrer aus ganz Deutschland. Das Abkommen mit der Schweiz scheint nur mit Bayern zu bestehen.

Ähnliche Abkommen gibt es mit Sicherheit auch mit Polen und Tschechien. Dazu konnte ich nur nichts finden.

Um das Ganze aber erst richtig kompliziert zu machen, sind noch die unterschiedlichen Alters- und Leistungsklassen zu berücksichtigen. In Deutschland gibt es C, B und A-Fahrer, in Luxembourg nur Elite und in Frankreich Pas Cycliste (so 'ne Art Jedermann Lizenz), Catégorie 3, 2 und 1. Die deutsche C-Klasse entspricht dabei Cat. 3, B-Fahrer starten in Cat. 2 und A-Fahrer in Cat. 1.

So weit so gut. Kommen wir zur Auf- und Abstiegsreglung für die Elite Klasse. Um in Deutschland von der C in die B oder von B in die A-Klasse aufzusteigen, benötigt man einen Sieg oder fünf Platzierungen. Relevant sind aber nur Rennen in Deutschland (weitgehend)!

In den Wettkampfbestimmungen Straße heißt es in Artikel 2.4 Absatz 5

Für den Auf- und Abstieg zählen alle Erfolge bei Rennen der Kategorien Elite und U23 mit Vorziffer 3 – 6 in Deutschland (siehe Ziffer 3.3.1 der WB), die über mindestens 60 km bzw. 25 km bei Einzelzeitfahren ausgeschrieben sind. 
Weiterhin zählen alle Erfolge bei Straßenrennen die im Internationalen Kalender der UCI stehen. Hierbei hat der Sportler die Berücksichtigung der Erfolge in der aktuellen BDR-Liste der A- bzw. B-Fahrer selbst sicherzustellen. Generell zählen auch die Erfolge bei Halbetappen und Etappen bei entsprechen- den Rundfahrten

Das bedeutet aber auch, dass ein deutscher C-Fahrer noch so viele Catégorie 3 Rennen in Frankreich gewinnen kann, er steigt nicht auf. Es kann natürlich sein, dass der französische Verband oder der Kommissär dem irgendwann Einhalt gebietet, aber prinzipiell kann man als Deutscher mit den Erfolgen in Frankreich unter Aufstiegsgesichtspunkten nix anfangen. Je nach dem welcher Intention man folgt, kann das gut oder schlecht sein.

Umgekehrt gilt das Gleich natürlich auch für französische Fahrer die deutsche C-Klasse Rennen gewinnen.

Ein Wort noch zur Versicherung, die Sportversicherung gilt nur in der Bundesrepublik Deutschland. Da die Landesverbände aber eigene Verträge mit verschiedenen Versicherern abschließen, kann das durchaus im Einzelfall anders aussehen. Für wen das wichtig ist, der sollte sich bei seinem Verein oder Verband erkundigen.

All das soll jetzt aber niemanden davon abhalten im Ausland Rennen zu fahren. Ganz im Gegenteil, warum das schon mal erfrischend anders ist und was unter einer französischen Dusche zu verstehen ist, dazu mehr im nächsten Blogpost!

Links:
Radsportverband Rheinland-Pfalz Abkommen mit dem FSCL, FFC und Altersklassen
Bayrischer Radsportverband, Abkommen mit der Schweiz und Österreich
Radsportverband Nordrhein-Westfalen, Abkommen mit den Niederlande (bestimmte Bezirke)
Bund Deutscher Radfahrer, Sportordnung und Wettkampf Bestimmungen
Federation Francaise de Cyclisme
Cyclisme Alsace
Lorraine Cyclisme
Fédération du Sport Cycliste Luxembourgeois