Dienstag, 3. Juli 2018

Keep it simple!

Alle Monate auf's neue findet sich in fast jedem Radsport-Magazin eine Strecke mit Trainingsplänen: Sechs Wochen bis zum Jedermann-Rennen, Training bei Hitze, Polarized Training für Hobbysportler, Nüchterntraining, Intervalle und dazu Crossfit, Gewichtheben, Coretraining, Stretching und und und. Das gleiche findet sich in vielfacher Ausfertigung im Internet. Dazu kommt ein ganzes Heer an Experten und Gurus, die auch noch dem gemütlichsten Hobbysportler eine Leistungsdiagnostik verkaufen und einen ausgeklügelten Trainingsplan mit vielen Zonen und fiesen Drills gleich mit dazu.

Nur, eigentlich ist das alles egal. Vor einigen Wochen habe ich auf einer Trainingsfahrt einen Fahrer getroffen, der an dem ein oder anderen Jedermann Rennen teilnimmt, ansonsten meist RTF's fährt und sich in der Vergangenheit auch mal an Lizenzrennen der Amateurklasse probiert hat. Das ganze durchaus mit dem Anspruch seine beste Leistung abzurufen und sich stetig zu verbessern. Wie wir so nebeneinander fahren kamen wir kurz auf Training und Leistungsdiagnostik zu sprechen und er erzählte, dass er es letztes Jahr wissen wollte und ein richtig fettes Paket von einer der führenden deutschen Trainingsfirmen gekauft hat, mit mehreren Leistungstests und detailliertem Training und was man sonst noch für wahrscheinlich ziemlich viel Geld bekommt. Die Verbesserung blieb leider weit hinter seiner Erwartungen zurück. Der gemessene FTP Wert war auch am Ende des Jahres ungefähr dort, wo er zu Beginn war.

In dem Zusammenhang kam mir nochmal ein Artikel von Steve Magness in den Sinn. Steve Magness ist ein Leichtathletik Trainer aus den USA und dürfte nur wenigen im Radsport bekannt sein. Sein Fachgebiet ist in erster Linie die Ausdauerseite des Laufens auf der Bahn, Cross Country und Marathon. Er hat von Olympioniken, Weltmeisterschaftsteilnehmern und Top 10 Marathonern bis hin zu Nachwuchssportler alle Klassen trainiert. Dazu hält er Vorlesungen und publiziert Bücher. Sehr empfehlenswert ist sein Podcast "Science of Running" und der wöchentliche Newsletter, sofern man sich für Trainingslehre und Coaching interessiert.


In dem Newsletter vom 13. März schreibt er unter der Überschrift "Don't Split Hairs" über einen Freund, der für die Detroit Pistons (Basketball) arbeitet und aufgrund des Rates des Fitness Coaches angefangen hat Gewichte zu heben. Denn, so der Coach, Gewicht-Training hat einen "Nachbrenneffekt" und verbraucht daher mehr Fett als Cardio-Training. Es geht Magness dabei aber nicht darum ob diese Aussage stimmt, sondern dass es überhaupt keine Rolle spielt. 99% der Leute trainieren um gesund zu sein und sich gut zu fühlen, inklusive der "Hobby-Leistungssportler". Nur für die Allerwenigsten, die tatsächlich ihr Haupteinkommen mit dem Sport erzielen und auf einem Weltklasseniveau antreten, gelten andere Regeln.

Für die Mehrheit aber ist das beste Training dass, das einen hart arbeiten lässt und das man konsequent verfolgt. Das ist alles. Just move, and move regularly.

Weiter schreibt er, dass der Stoffwechsel in erster Linie eine Funktion der Kalorien Zufuhr versus des Kalorienverbrauches ist. Der Bewegungsapparat kann durch Laufen genauso gut wie durch Gewichtheben oder Cross-Fit (oder viele andere Aktivitäten) trainiert werden. Das Herzkreislaufsystem wird durch jede Aktivität verbessert, die den Puls nach oben bringt und einen schwitzen lässt.

Das einzige was demnach zählt ist, dass man regelmäßig trainiert, bei einem einmal gefassten Plan bleibt und mehr Tage genießt als dass man es leid ist. Das ist alles. Ganz einfach. Wenn man ein paar grundlegende Dinge berücksichtigt, spielt nichts anderes mehr eine Rolle.

And therein lies the lesson of this rant. For so many things in which there are multiple approaches—for example: fitness, nutrition, and learning style—once you've ticked off a few basics, nothing else matters. Consider diet. The best predictor of success is adherence. Not amount of carbohydrates. Not amount of fat. Not amount of eating after 8 PM. Just whether or not you sticked to your plan.

Das Einhalten eines Planes wird umso einfacher, je mehr Spass man dabei hat. Eine Diät mag noch so gut sein, wenn es nicht schmeckt, wird man sich nicht dauerhaft dran halten. Ein Trainingsplan kann noch so große Verbesserungen versprechen, wenn man sich nicht dran hält (weil die Drills eine Qual sind), hilft er gar nichts. Man sollte nicht ein Training dem anderen wegen eines "Nachbrenneffektes" vorziehen, oder weil die "Kinetische Kette besser ausbalanciert" wird. Man sollte trainieren, was und wie es einem Spass macht, was einen hart arbeiten läßt und was sich gut anfühlt. Für die meisten Leute in den meisten Fällen ist dass das einzige was zählt.

Hier geht es zu dem originalen Artikel in Englisch

Was bedeutet dass nun für Radsportler? Zuerst die Basics:
  • Ausreichend Schlaf
  • Gesunde, ausgewogene Ernährung
  • Etwas Ausgleichssport: Schwimmen, Laufen, Gewichte heben, Stabi oder was auch immer der eigenen Vorliebe entspricht
  • Dehnen
Das Radfahren selber sollte in erster Linie Freude machen. Wer gerne Berge hochfährt soll Berge fahren, wer gerne flach fährt bleibt im Tal. Wie schon Eddy Merckx gesagt hat: "Fahre so viel oder so wenig, so weit oder nicht so weit wie du willst, Hauptsache ist du fährst". Wer dann etwas zielgerichteter trainieren will, legt die kurzen, intensiven Einheiten in die ersten Tage der Woche und die langen, ruhigen Fahrten ans Ende. Es sollte immer genug Regeneration eingeplant werden, lieber mehr als weniger. Nach drei bis vier anstrengenderen Wochen sollte eine ruhige Woche folgen. Alles darüber hinaus ist nur noch marginal. Ob man 30/30 oder 20/40 Intervalle fährt, Over/Under Einheiten, Tempo, Sweet Spot oder ein polarized Training  absolviert, alles egal. Sportwissenschaftlich und trainingsmethodisch ist das Alles reizvoll und hat ohne Frage seine Berechtigung, nur bei der RTF, dem nächsten Jedermann- oder Lizenz-Rennen wird es keinen oder kaum einen Unterschied machen.

Daher, geht raus und fahrt euer Rad wie auch immer ihr gerade Lust habt und nicht wie es der neueste Trainingsplan vorschlägt. Aber immer mit Style! ;-)

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