Betreuer: "Fahr an dem vorbei!"
Kind (das letzte in der Reihe, also auf Platz vier): "Der lässt mich nicht vorbei."
Betreuer, schreit fast: "Dann fahr ihm in's Schaltwerk!"
Keiner der beteiligten Buben war meiner, der sollte erst Minuten später kommen, in der Hinsicht war ich nicht involviert. Trotzdem ist mir die Kinnlade runter gefallen und ich kam nicht umhin darauf hinzuweisen, dass es zu weit geht solch eine Aufforderung ins Rennen zu rufen. Daraufhin kam der Betreuer die 10 Meter zu mir rüber gestiefelt und ich war mir wirklich nicht sicher, ob die Situation jetzt eskaliert und ich Handgreiflichkeiten zu befürchten habe. Soweit kam es zum Glück nicht, aber wie nicht anders zu erwarten, fühlte er sich absolut im Recht, denn schließlich wäre es unfair andere Fahrer nicht vorbei zu lassen und natürlich würde sein Schützling das nie tatsächlich tun, aber jetzt wüsste der andere Fahrer, dass es Ernst sei. Ein weiterer Zuschauer meinte, es ginge doch nur um den Spass, er solle aufhören sich so aufzuregen, worauf der Betreuer wutschnaubend erwiderte, dass es gar nicht um den Spaß ginge sondern Lizenz-Sport sei. Aha!
Das ist auf so vielen Ebenen falsch, da kann man sich nur an den Kopf fassen:
- Natürlich macht man sich auf einem Trail breit, was denn sonst? Warum sollten die vorderen Fahrer den hinteren vorbeilassen? Niemand kann erwarten, dass sein direkter Konkurrent ihn einfach so auf Zuruf überholen lässt. In der Situation ging es um die Plätze zwei und drei, die Fahrer waren etwa gleich stark, sonst wären sie nicht Rad an Rad unterwegs gewesen. Wenn ein Fahrer es nicht schafft auf entsprechend breiten Passagen zu überholen, war er ganz einfach nicht stark genug. Im Gegenteil ist es eine absolut legitime taktische Möglichkeit als führender Fahrer in einem Trail das Tempo etwas rauszunehmen, um zu Luft zu kommen und Kräfte für den Zielsprint zu sparen ohne dabei seine Position einzubüßen. Etwas anderes ist es natürlich im Falle von Überrundungen oder wenn ein Fahrer auf der Zielgerade nicht seine Linie hält.
- Ein Aufruf zur Sachbeschädigung mit der implizierten Billigung eines dadurch provozierten Sturzes des Kontrahenten ist eine grobe Unsportlichkeit. Dabei spielt es keine Rolle, was an Unstimmigkeiten zwischen den Fahrern eventuell vorausgegangen ist. Jeder Fahrer, der zu solchen Mitteln greift, muss ohne Ausnahme disqualifiziert werden und weitere sportrechtliche Sanktionen fürchten. Zuletzt wurde etwa Javier Moreno beim Giro d’Italia für eine vergleichbare Aktion (Schubsen) bestraft (Cyclingweekly). Zu Beginn des Jahres zog eine grobe Aktion gegen Marcel Kittel die Disqualifikation und eine 45 tägige Sperre von Andriy Grivko nach sich (DailyMail). Die Sportordnung schließt übrigens explizit die Möglichkeit ein, auch Betreuer zu disqualifizieren, wenn sich diese ungebührlich benehmen, tätlich gegen Teilnehmer oder sonstige Personen vorgehen oder andere Teilnehmer gefährden (Sportordnung, 3.3.2 Bestrafungen durch das Kommissärskollegium, Absatz 6)
- Zu guter Letzt offenbart solch eine Aussage eine „Gewinnen um jeden Preis“-Mentalität. Wenn es legitim erscheint, Konkurrenten durch absichtliche Beschädigung des Rades aus dem Weg zu räumen, nur um einen Platz bei einem absolut unbedeutenden, schwach besetzten, landesverbandsoffenen Provinzrennens der U15 gut zu machen, dann ist der Weg zu weit gröberen Unsportlichkeiten nicht weit. Gewinnen wollen um jeden Preis ist die vielleicht größte Gefahr hinsichtlich einer Doping-Karriere. Insofern: Wehret den Anfängen!
Der Betreuer machte auf mich einen solch aggressiven Eindruck, dass ich von einer weiteren Diskussion abgesehen habe. Das erschien mir ernsthaft sicherer, denn wie heißt es so treffend: Die Mutter der Idioten ist allzeit schwanger! Kann man nur hoffen, dass der U15 Fahrer einen eigenen, intakten moralischen Kompass hat und er diese verbalen Übergriffe übersteht, ohne den Spass am Sport zu verlieren.
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