Ich habe ja erwartet dass es schlimm sein wird über Kopfsteinpflaster zu fahren, das berühmte Pavé, dass Paris-Roubaix zur Hölle des Nordens macht, l'enfer du Nord. Holprig, uneben, unbequem, vielleicht sogar rutschig, es war Regen vorhergesagt. Wieviel schlimmer als das Stück mit der kaputten Straße auf der Trainingsrunde kann es schon sein? Viel schlimmer, unendlich viel schlimmer! Keine Fernsehbilder, keine Onboard-Videos, keine Fotos und keine Berichte können einen auf den brutalen, unbarmherzigen Schlag vorbereiten, der einen trifft wenn man die Passage durch den Wald von Arenberg in Angriff nimmt.
Die Anzahl der Sterne gibt an wie schlimm es ist. Es gibt nur eine Passage mit einem Stern, der letzte Sektor vor dem Velodrom mit den Pflastersteinen der Sieger-Namen, ein reines Show-Stück und von der Beschaffenheit wie jede ordentliche Kopfsteinpflaster Straße in einer beliebigen Innenstadt. Zwei Sterne ist aber nicht nur ein bißchen schlimmer sondern gleich so, dass man da eigentlich nicht mehr mit dem Rad drüber fahren möchte. Aber noch nicht so lang.
Fünf Sterne ist einfach nur noch krank. Es gibt drei Passagen, neben dem bereits erwähnten Trouée d'Arenberg fallen auch Mons-en-Pévèle und Carrefour de l'Arbre in diese höchste Kategorie.
Es heisst immer, dass man auf Pavé so schnell wie möglich fahren muss, weil man dann über die Unebenheiten drüber "gleitet". Das ist natürlich totaler Quatsch. Von Gleiten kann keine Rede sein. Das Rad springt und bockt, man kann kaum den Lenker halten und alles fängt an zu wackeln. Vielleicht war ich aber auch einfach nicht schnell genug. Das Pavé "stiehlt" gut und gerne 150 Watt. Wenn man da kein gestandener Weltklasse Profi ist bleibt einfach nicht genug über um schnell zu fahren.
Der zweite wichtige Punkt ist die richtige Linie zu finden. Ohne jeden Zweifel eine Frage der Erfahrung. Fährt man besser in der Mitte? Oder in den Fahrspuren? Auf dem Randstreifen? Oder gar auf der Wiese? Wie bei den Profis nützt einem die beste Linie aber nichts wenn diese mit Verkehr (=langsameren Fahrern) verstopft ist. Ausweichmanöver bringen einen schon mal schnell zu Fall, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Im Wald von Adenberg habe ich meinen Paris-Roubaix Einstand vervollkommnet und unmittelbare Bekanntschaft mit dem Pflaster gemacht. Aber wie man jedes Jahr sieht, selbst die Besten stürzen bei Paris-Roubaix, da war ich in guter Gesellschaft.
Als ob das alles noch nicht genug wäre, kommen noch unzählige Richtungswechsel hinzu und damit auch eine ständig wechselnde Windrichtung. Rückenwind in einen Moment, Gegenwind im nächsten und Kantenwind danach.
Das hört sich nach "Einmal und nie wieder" an? Da scheiden sich die Geister. Bei den Profis gibt es Fahrer die Paris-Roubaix nie im Leben freiwillig fahren würden und solche, für die es das Höchste ist dort zu starten, für die es das wichtigste Rennen des Jahres ist. Ich falle ohne Zögern in die zweite Kategorie. Was für ein geiles Rennen! Was für ein Spektakel! Was für ein Erlebnis. Ich fand Paris-Roubaix schon immer toll und dieser Ausflug auf die Cobbles hat dem keinen Abbruch getan. Es kann gut sein, dass ich mir 2017 die volle Drönung gebe und die lange Strecke mit allen 27 Sektoren fahre. Das wird ein Spaß!
Ein Wort zum Material, ich bin mit meinem Focus Mares AX 4.0 gefahren. Als einzige Tuning-Maßnahme habe ich die Schutzbleche abgeschraubt und eine zweite Schicht Lenkerbank gewickelt, was ich sehr angenehm fand. Bei den Reifen habe ich nichts extra gemacht, sondern bin wie immer die 35mm breiten Conti Cyclocross Speed Reifen mit etwa 4,5 und 4,2 bar gefahren. Das war recht hart, etwas weniger hätte das Pavé sicher angenehmer gemacht, aber so hatte ich auch keinen Platten zu beklagen. Sehr wichtig ist übrigens ein guter Flaschenhalter, der Elite Ciussi hat meine 0.75 Liter Flasche ohne Fehl und Tadel gehalten. (Auf der Strecke lagen hunderte an Trinkflaschen, bei jeder Rapha oder Camelback Flasche habe ich nur gedacht, arg, da liegen wieder 10 Euro auf der Straße, aber die konnte man unmöglich alle einsammeln)
Räder müde
Fahrer müde.
Das sind alle Nachwehen, kann ich mich nicht beschweren.
Zur Challenge: Wie von der ASO nicht anders zu erwarten, war die Veranstaltung sehr gut organisiert. Die Strecke war hervorragend ausgeschildert und an den wichtigen Punkten standen zusätzliche Posten mit Fahnen, die den Verkehr geregelt haben. Die Verpflegung war top. An den Verpflegungspunkten waren Toiletten aufgestellt.
Rapha war auch da und es gab kostenlosen Espresso und Kekse. Vielen Dank dafür!
Eine Anekdote zum Schluss: Am Anfang, lange vor dem ersten Pflasterstück, hat uns eine Gruppe Italiener überholt, wir haben die Gelegenheit genutzt und uns reingehängt. Schwarze Trikots, gelbes Rückenpanel mit dem Löwen von Flandern drauf. Zuerst habe ich gedacht das wären Belgier. Die sind ordentlich schnell gefahren und haben sich sogar spasseshalber attakiert. Man konnte sehen, dass die radfahren konnten. Einer der Kerle, recht groß und stabil gebaut, hatte ein Canyon Aeroad der ersten Generation, in weiss und sogar Mavic Aeroräder drin mit normalen 25er Reifen. Mir ist das Rad aufgefallen weil ich eine Weile an dem Hinterrad war. Später im Velodrom wurde dann Andrea Tafi interviewt, Sieger von Paris-Roubaix '99. Das Rad das Tafi hielt kannte ich, das weisse Canyon Aeroad!! Bin ich mit einem Sieger von Paris-Roubaix gefahren und habe es nicht gemerkt. Einen anderen mehrmaligen Fast-Sieger habe ich aber erkannt. Juan Antonio Flecha! Wir habe ein paar Wort gewechselt und ich habe sogar ganz ungeniert ein Selfie gemacht. Sehr nett!
Andrea Tafi im Interview, mit Canyon Aeroad
Juan Antonio Flecha und ich, leider war die Linse beschlagen und ich habe mein übliches Fotogesicht aufgesetzt.
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