Samstag, 31. Januar 2015

Watt Training: FTP und IAS

Seit einigen Wochen habe ich jetzt mit der Infocrank ein Powermeter am Rad, das mir bisher nicht viel mehr als eine weitere Zahl auf meiner Garmin liefert. Höchste Zeit sich intensiver damit zu beschäftigen. Dreh und Angelpunkt jedes Watt gesteuerten Trainings ist die Functional Threshold Power, oder kurz FTP. Der FTP Wert sollte bei der gleichen Belastung erreicht sein an dem ein Sportler auch seine individuelle Aerob/Anaerobe Schwelle (IAS) hat. Beide Werte hängen also zusammen, beziehen sich aber auf unterschiedliche Systeme.

Die IAS ist der Moment, bei dem der Körper so viel Laktat erzeugt, wie er gerade so noch abbauen kann. Die Laktat Konzentration im Blut wird dabei in Millimol (mmol) angegeben. Ein Mol ist die chemische Basiseinheit der Stoffmenge. Die genaue Laktat Konzentration, bei der sich Auf- und Abbau im Gleichgewicht befinden variiert von Sportler zu Sportler und hängt auch vom Trainingszustand ab. Der früher oft verwendete Wert von 4 mmol/l ist dabei lediglich ein Durchschnittswert, tatsächlich kann er zwischen 2,3 und 6,8 mmol/l variieren (Wikipedia).

Der Pulswert an der IAS definiert dann die Trainingsbereiche. Liegt die IAS beispielsweise bei 178 Schlägen pro Minute ist der Ausdauer Trainingsbereich nach Joe Friel zwischen 147 und 159 Schlägen (Zone 2, 82-88% der IAS).

Update: Im eigentlichen Sinn definiert die IAS einen biochemischen Zustand bei einer bestimmten Leistung, nicht bei einer bestimmten Herzfrequenz und wird somit in Watt gemessen. Allerdings hängten Leistung und Herzfrequenz zusammen und die Angabe der Trainingsbereiche in % der Herzfrequenz bei der IAS ist gängige Praxis.

Bestimmt wird die IAS im Radsport in der Regel mit einem Stufentest auf einem Ergometer im Labor. Das ist vergleichsweise teuer und sollte im Idealfall mindestens zwei mal im Jahr durchgeführt werden.

Der FTP Wert bezeichnet die Leistung, die man über eine Stunde aufrechterhalten kann. Wenn man also die Durchschnittsleistung von Jens Voigt bei seinem Stundenweltrekord nimmt, sollte man laut Definition seinen FTP Wert bestimmt haben. Nun ist ein Zeitfahren über eine Stunde eine sehr große Belastung die man mal nicht einfach so zu Test-Zwecken durchführt. Es gibt daher einige Methoden diesen Wert anhand von Ergebnissen kürzerer Tests zu schätzen.

Joe Friel bestimmt die FTP als 95% der Durchschnittsleistung eines 20 Minuten Tests. Alan Couzens sieht diesen Wert als zu hoch an und bezieht in die Berechnung auch das Resultat eines fünf Minuten Tests mit ein. Letzteres ermöglicht auch Aussagen über die Ermüdungsrate eines Sportlers.

Eine niedrige Ermüdungsrate ist durch einen geringen prozentualen Unterschied zwischen der 5 Minuten und 20 Minuten Durchschnittsleistung gekennzeichnet. Ein Wert von 5% entspricht dabei einem Elite Langstrecken Sportler, 20% einem untrainierten Normalo. Ein Bahnsprinter wird hier auch eher einen höheren Wert haben und schneller ermüden aber auch sehr viel höhere Leistungen im Kurzzeitbereich erbringen. Anders bei einem Langstrecken Athleten, der nur langsam ermüdet aber nur eine vergleichsweise niedrige maximale Leistung erreicht.

Der FTP Wert kann dann genauso wie die IAS zur Bestimmung der Trainings Bereiche genutzt werden. Joe Friel gibt den Ausdauer Bereich im Watt gesteuerten Training (Zone 2) mit 55 bis 75% der FTP an.

Soviel zur Theorie. Ich bin beide Tests, 20 Minuten und 5 Minuten, auf der freien Elite e-Motion Rolle gefahren. Diese Rolle hat eine verstellbare Magnetbremse, die für diese Tests mehr als genug Widerstand bietet. Motivationshilfe habe ich dabei von Sufferfest bekommen. Das Rubber Glove Video zielt speziell auf diesen FTP Test ab.


Über die 20 Minuten hatte ich eine Durchschnittsleistung von 301Watt und einem Puls von 178.
Über die fünf Minuten erzielte ich 374 Watt.

Nach Friel ergibt dies folgendes:

FTP: 301 Watt x 0,95 = 286 Watt
IAS: 178 Schläge

Nach Alan Couzens:

FTP: 301x(1-0,75x((374-301)/374)) = 257 Watt
Ermüdungsrate: (374-301)/374/2 = 9,76%


Das stellt jetzt natürlich ein Problem da. Nach welchem FTP Modell soll ich mein Training ausrichten? Wer hat Recht? Um das herauszufinden, werde ich mich im März einer Leistungsdiagnostik im Institut für Sportmedizin der Universität des Saarlandes unterziehen. Den Test kann ich auf meinem eigenen Rad mit Powermeter fahren und so auch die Infocrank mit den Daten aus diesem Test vergleichen können.



Weiterführende Informationen:
Alan Couzens Blogposts auf der Power2Max Seite
Alan Couzens eigener Blog
Joe Friel, Quick Guide to Training With Heart Rate, Power and Pace

10 Kommentare:

  1. Als Alters-Sportler ohne Wettkampfambitionen verfolge ich dennoch diese Thematik mit Interesse und dabei festgestellt:

    dass der "Standard" der FTP Messung nach Friel der gebräuchlichste ist
    dass es Stimmen und Tests wie o. a. gibt, dass dieser Wert um bis zu ca. 10% zu hoch liegt
    dass je nach Streckendesign (Flach, Berg, Ergometer) unterschiedliche Ergebnisse festgestellt werden
    dass Laktatschwelle und FTP zumindest bis 5000 Km/Jahr defacto gleich sein sollen?

    Wenn man bedenkt, dass einerseits im oberen Belastungsbereich Trainingsvorgaben
    auf den Prozentpunkt genau gemacht werden und andererseits die FTP - Ermittlung gleich bis !0% abweichen kann,
    ist einiges zu hinterfragen !!

    Daher erscheint es mir sinnvoll und notwendig dass sich jemand seriös mittels eines professionellen Vergleichstests
    des Themas annimmt. Auf das Ergebnis bin ich gespannt.

    Danke im voraus,
    Sherry
    ,

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    1. Hallo Friedrich,
      da stellt du einen sehr wichtigen Punkt heraus, dass man nämlich all diese Empfehlungen und Testergebnisse immer kritisch hinterfragen muss und für den einzelnen Fall bzw. Sportler den richtigen Test oder auch die richtige Interpretation finden muss. Was dabei nämlich vielfach übersehen wird ist die Differenzierung zwischen den Sportwissenschaften und der Trainingslehre. Ersteres basiert (verkürzt) auf Statistiken, Durchschnitten und Verallgemeinerungen und stellt lediglich eine Handlungsempfehlung dar. Die Trainingslehre muss diese Erkenntnisse dann an den individuellen Fall anpassen und da jeder Mensch anders ist, wird auch die Auswahl des richtigen Tests und die anschließende Interpretation jedesmal anders ausfallen.
      Zu dem Vergleich IAS und FTP habe ich hier http://www.unterlenker.com/2016/02/science-ftp-versus-ias.html etwas geschrieben. Die Studien fallen denke ich unzweifelhaft in die "Seriös" Kategorie.
      Beste Grüße
      Boris

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  2. Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage: wonach richte ich meine Ausdauer (GA2)? Nach HF oder Watt?
    Bisher (ohne Wattmesser) habe ich meine GA2 nach maxHF ausgerichtet. Und das halte ich für „falsch“, logischer ist die LSHF. Aber ist es nun besser GA2 nach Watt auszurichten? Diese Vorgehensweise scheint mir auch logischer zu sein!
    Was meint ihr? Danke für die Tipps!
    Viele Grüße
    Serge

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    1. Hallo Serge,
      Nach beidem! Gerade bei einem intensiveren Ausdauertraining (GA2 / Tempo) unterliegt die HF einem Drift, d.h. bei gleicher Leistung steigt die Herzfrequenz an. Wenn du nun strikt nach Leistung (Output) fährst, wird sich dein Input (HF) am Ende deiner Einheit über deiner LSHF / FTP befinden. Dann trainierst du nicht mehr das energetische System dass du trainieren wolltest. Für ein Tempo Training sollte die HF als primärer Parameter dienen, die Leistung als Kontrollparameter. Interessant dazu vl. dieser Post: http://www.unterlenker.com/2017/01/airhub-ein-trainingswiderstand-dings.html, dort insbesondere die Kommentare.
      Beste Grüße
      Boris

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  3. Hi,
    ich greife hier kurz dieses Satz auf:
    Um das herauszufinden, werde ich mich im März einer Leistungsdiagnostik im Institut für Sportmedizin der Universität des Saarlandes unterziehen.

    Mich würde interessieren was daraus geworden ist =)
    LG Marc

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    1. Hallo Marc,
      da ist leider gar nichts draus geworden. Ich wollte den Test in Saarbrücken auch nutzen um den BSX Insight zu verifizieren, aber der Liefertermin hatte sich verschoben und verschoben und somit habe ich auch die Leistungsdiagnostik abgesagt und später hat es dann nicht mehr gepasst.
      C'est la vie!
      Beste Grüße
      Boris

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  4. Ich analysiere gerade auch mehrere FTP und Laktat-Stufentests. Es ist schon extrem auffällig, dass die FTP höher ausfällt, als die IANS (berechnet aus Dmax Hochrechnung). Die Dmax Hochrechnung finde ich gegenüber der 4mmol fixen Grenze und anderen Berechungen deutlich überlegen. Aber man scheint sich hier nie einig geworden zu sein, mittels Laktattest die IANS korrekt zu berechnen. Also würde ich auch davon Abstand nehmen. Was ich aber sehr zutreffend finde, ist das Ergebnis der aeroben Schwelle, da diese physiologisch auch zutreffend begründbar ist. Wieso dann nicht das beste aus beiden Welten nehmen und den GA1 Bereich bis knapp über der aerobe Schwelle ziehen und die restlichen Bereiche 4-7 nach Hunter Allen&Coggan und FTP definieren? Was hälst du davon?

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    1. Meines Erachtens sind die verschiedenen Schwellen und davon abgeleiteten Trainingsbereiche grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten. Die Werte dürfen keinesfalls als Fixum betrachtet werden, da die Übergänge zwischen den verschiedenen Stoffwechselvorgängen fließend sind und von Tag zu Tag schwanken können. Im Radsport stellt sich auch die Frage, ob die IANS in Abhängigkeit der Herzfrequenz oder den Leistungswerten gemessen wird. Beide Werte reagieren unterschiedlich auf Vorbelastung (HF-Drift), was bei der Trainingsgestaltung oder beim Pacing im Rennen berücksichtigt werden muss. Ich halte keinen der Werte (FTP versus IANS versus MLSS etc.) für grundsätzlich überlegen. Vielmehr muss man die Schwellenleistung (welche auch immer), die Herzfrequenz und vor allem das Belastungsempfinden als Einheit betrachten. RPE ist übrigens ein erstaunlich präziser Wert. (Etwa hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5673663/
      oder hier: https://www.unterlenker.com/2018/07/rpe-eine-unterschatzte-metrik.html)

      Die Laktatmessung an sich ist inzwischen eigentlich wissenschaftlich überholt, dazu sehr interessant hier: https://www.germanjournalsportsmedicine.com/fileadmin/content/archiv2008/heft12/editorial_roecker_12_2008.pdf

      Die fixe 4mmol Schwelle trägt den unterschiedlichen Physiologien (Ultra Endurance Athlet versus Bahnsprinter) nicht genug Rechnung und ist daher abzulehnen.

      In dem Zusammenhang:
      http://cyclingtimetrialpodcast.libsyn.com/110-coach-tim-ramsden-the-value-of-threshold-testing

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  5. Interessanter Artikel - vielen Dank! Ich war kürzlich bei einer Leistungsdiagnostik und habe interessanterweise festgestellt, dass meine IAS deutlich höher liegt als mein FTP-Test. Im Selbsttest habe ich eine FTP von 252 (95%) errechnet. In der Leistungsdiagnostik hatte ich eine IAS von 290, d.h. theoretisch müsste ich das ja eine Stunde lang fahren können.

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    1. Alle Tests liefern dir nur einen Anhaltspunkt. Letztendlich hängt vieles von der Tagesform und äußeren Einflußfaktoren ab. Ob du also tatsächlich eine Stunde mit 290 Watt fahren kannst, zeigt sich dann nur auf der Straße. Die Laborwerte geben dir einen Anhaltspunkt. Daher behalten "altmodische" Dinge wie der Puls und das Belastungsempfinden auch immer noch ihre Gültigkeit. Wie auch immer ist ein hoher 200er Wert schon sehr anständig! Thumbs up!!

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