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Ich bin skeptisch, schließlich wissen wir alle dass "ohne Schweiß kein Preis" zu gewinnen ist. Ich habe mir daher die auf der Altium Homepage zitierte Studie mal etwas genauer angesehen und darüber hinaus das Interweb befragt und feststellen müssen, dass die Wirksamkeit des intermittierenden Höhentrainings in Ruhe nur sehr eingeschränkt belegt werden kann.
Aber zunächst ein paar Worte zum Höhentraining allgemein. 1968 fanden die Olympischen Sommerspiele in Mexiko auf einer Höhe von über 2200 m statt. Die Vorbereitung auf diese Wettkämpfe gaben den Anstoß zu einer ersten systematischen Entwicklung von Methoden des Höhenanpassungstrainings als Vorbereitung für Leistungen in mittlerer Höhe. (Wikipedia) Schnell wurde aber klar, dass ein solches Höhentraining auch nach der Rückkehr auf Meereshöhe Vorteile verspricht. Je höher man sich befindet, umso geringer ist der Sauerstoffanteil an der Atemluft. Um das Leistungsniveau zu halten, finden eine ganze Reihe von Anpassungsreaktionen im Körper statt. Der vielleicht bekannteste ist die vermehrte Ausschüttung von Erythropoetin (EPO) und als Folge der Anstieg der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff aus unseren Lungen in die Muskeln transportieren. Andere Effekte reichen bis hinunter auf molekukare Ebene mit einer effizienteren Produktion von ATP, dem Energieträger in unseren Zellen.
Die gängige Methode für Höhentraining bestand dabei lange aus "Live high train high" (LHTH). Diese Methode hat aber einige Nachteile, so ist zunächst eine Akklimatisationsphase einzuplanen, erst danach kann das eigentliche Training aufgenommen werden. Trotz Akklimatisation können ungewollte Effekte wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und verminderte Leistungsfähigkeit auftreten. Problematisch ist auch der Zeitpunkt der Rückkehr auf Meeresniveau, um in vollem Umfang von den Anpassungseffekten zu profitieren. Darüber hinaus sind, um optimalen Nutzen ziehen zu können, mehrere dieser zwei bis vierwöchigen Höhentrainingslager im Trainingsjahr unterzubringen. All diese Schwierigkeiten haben zur Entwicklung von alternativen Höhentrainingsprotokollen geführt.
"Live high train low" (LHTL) versucht dabei die allgemeinen Vorteile des Höhenklimas mit dem Training unter uneingeschränktem Leistungsvermögen in tieferen Gebieten zu kombinieren. Nachteilig ist hier unter anderem das ständige Pendeln zwischen dem "Ruheort" in der Höhe und dem Trainingsort im Tiefland.
Ein vergleichsweise neuer Ansatz ist das intermittierende Höhentraining. Dabei wird der Athlet über eine relativ kurze Zeit einer künstlich simulierten Höhe ausgesetzt (Hypoxie). Man unterscheidet Höhensimulation während Ruhe ("Intermittent Hypoxic Exposure" / IHE) oder während des Trainings ("Intermittent Hypoxic Training" / IHT). Die Simulation erfolgt über eine Reduzierung des Sauerstoffgehaltes in der Atemluft und im besten Fall in einer Höhenkammer incl. der Anpassung des Luftruckes. Gebräuchlicher ist die Verwendung einer Atemmaske, die an einem Gerät zur Herstellung des entsprechenden Luftgemisches angeschlossen ist. In diesem Fall werden andere Höheneffekte wie der verminderte Luftdruck und die höhere UV-Strahlung nicht berücksichtigt. Die Geräte zur Reduzierung des Sauerstoffgehaltes schlagen dabei mit einigen tausend Euro zu Buche und können sowohl für IHE, IHT und eingeschränkt auch zu LHTL (Höhenzelt, Schlafen unter Hypoxie) eingesetzt werden. Der Altium i-10 ist mit 499 GBP vergleichsweise günstig, in der Anwendung aber auf IHE beschränkt.
Kommen wir also zur Frage der Fragen: Welche Effekte sind von IHE im allgemeinen und dem Altium im Besonderen zu erwarten? Auf der Altium Homepage ist zu lesen "Compared to an equivalent training session last year my cycling power is 20% up, +4% increase in VO2max, +11% increase in Lactate Threshold, +4% increase in Lactate Turnpoint, +6% increase in Maximum Power, +7.5% increase in mechanical Efficiency". Die Werte beruhen auf der durchschnittlichen Verbesserung von 13 Hobby-Triathleten und Radsportlern nach 28 Tagen "Training" mit dem Altium. Die Details zu der Studie sind sehr spärlich und auch auf Nachfrage habe ich keine weiteren Einzelheiten oder sogar einen wissenschaftlichen Bericht bekommen. Zu kritisieren ist hier zunächst der Zeitpunkt der Studie im Januar. Die übliche Periodisierung vorausgesetzt liegt die Trainingspause erst wenige Wochen zurück und das Leistungsniveau sollte sich noch auf vergleichsweise niedrigem Nivau befinden. Somit wird jedes Training, egal wie "schlecht", eine gewisse Verbesserung bringen. Normalerweise wird die Leistungssteigerung aufgrund des Trainings und aufgrund der zu testenden Anwendung über eine Vergleichsgruppe getrennt. Diese sollte das gleiche Training durchlaufen, nur ohne die zu testende Anwendung. Bei Medikamenten gibt man Placebos, hier wäre es denkbar gewesen mit einem "Fake-Device" zu arbeiten. Darüber hinaus ist die Gruppe mit dreizehn Sportlern relativ klein und wir wissen nicht, ob der reklamierte Durchschnitt durch Ausreißer nach oben beeinflusst wurde. Üblicherweise werden die besten und schlechtesten Resultate gestrichen, zumindest wenn diese Ausreißer darstellen. So wie diese Studie durchgeführt wurde, sind die Ergebnisse mit äußerster Vorsicht zu behandeln.
In den FAQs wird eine Studie genannt, die die Wirksamkeit der Methode bzw. des Devices belegen soll. Tatsächlich geht es bei der Studie "Tissue Oxygenation and Mitrochondrial Respiration under different Modes of Intermittent Hypoxia" von Serebrovskaya, Nosar, Bratus, Gavenauskas und Monkovska (2013) nur darum, das beste unter fünf verschiedenen IHE Protokollen zu finden. Dazu wurde die Veränderung des Sauerstoffpartialdruckes in der Muskulatur (PmO2) und die Respiration der Mitochondrien in der Leber und des Herzmuskeln von Ratten untersucht. Das Protokoll, dass dem Altium Protokoll am ähnlichsten ist, zeigte dabei tatsächlich die besten Ergebnisse. Allerdings wird weder eine Aussage über die Vergleichbarkeit bzw. Effektivität der unterschiedlichen Hypoxie Methoden (LHTH, LHTL, IHT, IHE), noch über die Auswirkungen der IHE Protokolle auf die physische Leistungsfähigkeit getroffen.
Eine andere Studie die sich sehr ausführlich dem Thema Höhentraining widmet ist von Millet, Roels, Schmitt, Woorons und Richalet, "Combining Hypoxic Methods for Peak Performance" (2010). Diese Metastudie untersucht die Praxis-Relevanz der unterschiedlichen Hypoxie-Ansätze hinsichtlich der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Sportlern. Die Autoren geben einen hervorragenden Überblick über die Methoden, wie diese angewendet werden, was dabei zu beachten ist und welche Ergenisse aufgrund der Studienlage zu erwarten sind. Unter 3. Intermittent Hypoxic Exposure, 3.3 Performance heisst es im letzten Absatz: "Recently the inefficiency of IHE has been demonstrated again in a double-blind study: after 15 days of IHE (1h/day of 6 minutes of breathing10-11% O2 gas mixture alternated with 4 minutes of breathing room air), neither the aerobic performance (VO2max) nor the anaerobic variables (peak or mean power during a Wingate test) differed from those of the control group. Overall, in studies with control groups, IHE does not induce any substantial change in either haematological parameters or in endurance performance." Das genannte Protokoll entspricht ziemlich genau dem Altium Protokoll. In dem Fazit zu dem kompletten Paper heisst es unter anderem ".. IHE is inefficient for performance enhancement. .."
Zu einer etwas besseren, aber trotzdem verhaltenen Einschätzung kommt Prof. Dr. med Burtscher vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck in dem 2005 erschienenen Artikel "Intermittierende Hypoxie: Höhenvorbereitung, Training, Therapie". Unter 2. IH in Ruhe mit einer Zykluxdauer von 2-10 Minuten für 1-2 Stunden pro Tag über 2-4 Wochen heißt es u.a. "Wir konnten nach einer 3-wöchigen Anwendung dieses IH-Protokolls eine gesteigerte Belastungstoleranz am Fahrradergometer bei älteren, untrainierten Menschen ... beobachten". Und weiter: "Ob diese kurzzeitigen IH-Expositionen jedoch zur Leistungssteigerung bei Athleten führen können, ist noch relativ wenig untersucht und wird kontrovers diskutiert." Dann werden verschiedene Studien genannt, die sowohl positive Effekte wie auch keine Verbesserung feststellten. Das Fazit des Artikel lautet. " Zusammenfassend wird festgehalten, dass aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines IH-Trainings und individuell unterschiedlicher Reaktionen bei unterschiedlichem Trainingszustand und unterschiedlichen Begleitmassnahmen derzeit protokollabhängige IH-Effekte nur vermutet werden können. Allerdings scheinen sich für verschiedene IH-Protokolle bei verschiedenen Personengruppen zumindest Trends der Möglichkeit einer gezielten Leistungsbeeinflussung abzuzeichnen."
Alle zitierten Studien wurden vor mehreren Jahren veröffentlicht. Es ist natürlich gut möglich, dass aktuellere Forschungsergebnisse zu einer anderen Einschätzung kommen. Auch eine größer angelegte Studie mit Kontrollgruppe mit dem Altium wäre interessant. Die Ergebnisse sollten in einem korrekten wissenschaftlichen Paper veröffentlicht werden.
Was bedeutet das nun für den Altium i-10? Nach der Lektüre der oben genannten Studien scheint mir der Nutzen fraglich und in keinster Weise in Relation zu der Investition von rund 500 GBP zu stehen. Würde ich ihn kaufen? Nein.
Wer sich für intermittierendes Höhentraining (IHT) interessiert, dem empfehle ich mal im Blog von Jürgen Pansy vorbeizuschauen, der dies im Selbstversuch angewendet hat und in einer vierteiligen Serie darüber schreibt.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Ich habe weder Sportwissenschaften noch Medizin studiert und nehme daher bestenfalls die Position eines interessierten Laien ein. Natürlich habe ich mir bei der Recherche zu diesem Post alle Mühe gegeben, sollten euch Ungenauigkeiten auffallen, andere, neuere Erkenntnisse zum intermittierenden Höhentraining vorliegen oder wenn ihr gar eigene Erfahrungen vorweisen könnt, freue ich mich über Hinweise in den Kommentaren oder via Email an Boris@unterlenker.com
Links:
Hypoxic Homepage , ein Anbieter von Höhentrainingszubehör (Höhenkammer, Zelte, Pumpen etc.)
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