Dienstag, 29. November 2016

Vorsprung durch Essen

Der bekannte Audi Slogan ist ja "Vorsprung durch Technik". Bei Team Sky scheint es "Vorsprung durch Essen" zu sein. Heute hat das Peloton Magazin einen Artikel veröffentlicht in dem sie uns tatsächlich weiß machen wollen, die Erfolge von Team Sky seien auf besonders ausgeklügelte Ernährung zurück zuführen.


Ich kann gar nicht aufhören mich darüber zu wundern was für ein schlechtes Stück Journalismus uns da aufgetischt wird. Boaaahhh. Unglaublich. Wollen die ihre Leser für dumm verkaufen? Oder geht es darum Team Sky zu veralbern?

Auf Einladung von Science in Sport (SiS) besucht der Peloton Reporter Ben Edwards den Team Sky Enährungsexperten Dr. James Morton. In dem Artikel lesen wir so tolle Dinge wie dass
  • der Focus auf Ernährung liegt und diese vom Trainingsplan und den Zielen im Rennen abhängt,
  • Dr. Morton von ausserhalb der Radsport Szene kommt, ohne den Ballast der Tradition, die im Radsport ja so schwer zu überkommen sei,
  • seine Methoden direkt von seinen Studien abgeleitet sind, die (Überraschung) zum größten Teil von SiS bezahlt wurden,
  • SiS auch tatsächlich Produkte im Programm hat, die auf diesen Untersuchungen beruhen und
  • nicht zu vergessen der Hinweis, dass SiS der Pülverchen Nahrungsergänzungsmittel-Sponsor von Sky ist.
Weiterhin lernen wir, dass alles damit anfängt zu verstehen, was ein Athlet wann zu sich nehmen muss. (Wow, sollte die Rennwurst vor dem Start vielleicht doch nicht so gut sein?) Und dass Athleten meist zwei Energiequellen nutzen, Kohlenhydrate und Fett. Aber jetzt kommt .. (Posaunen bitte) .. die große Erkenntnis: Kohlenhydrate werden in erster Linie bei hochintensiven Einheiten oder Rennen benötigt. Bei geringer Intensität kann der Körper auch Fett und Eiweiß verarbeiten. (Wer hätte das für möglich gehalten?) Und dann kommt der Hammer: Team Sky Fahrer nehmen während der ersten Stunde jedes Rennens eine Flasche mit SiS Rego zu sich, einen Eiweiß-Regenerationsdrink. Wahnsinn! (Wahrscheinlich sind die deshalb auf der 15. Etappe bei der Vuelta 2016 direkt am Start abgehängt worden)

Einen Absatz weiter berichtet Ian Boswell, dass er am Ruhetag der Vuelta 2015 1,5 Kilo zunehmen sollte, da Dr. Morton den Eindruck hatte seine Glykolen Speicher seien leer. Sehr spitzfindig beobachtet, dass hätte wahrscheinlich auch niemand sonst rausgefunden, dass eine Grand Tour die Energiereserven aufzehrt. Chapeau! Leider ist nicht erwähnt was für 1,5 Kilo zugenommen werden sollen? Glycogen? Der Körper kann insgesamt nur etwa 500 gr speichern. Fett? Das wären 14.000 kcal was etwa 10 Kilo gekochten Nudeln entspricht. Wasser? Was soll das nutzen? Wie auch immer, die Idee am Ruhetag die Speicher aufzufüllen ist natürlich bahnbrechend, dass muss schon man eingestehen.

Natürlich kratzt all das nur an der Oberfläche von dem was Team Sky macht (mit Sicherheit!) und um es voll und ganz zu verstehen, braucht man einen Doktor Titel und eine Menge Charts (Charts! fancy!). Dann folgt noch ein Hinweis auf das neuste Produkt von SiS.

Der Bericht endet mit dem Hinweis, dass dies alles ganz und gar nicht marginal ist und Team Sky und Chris Fromme so lange weiter die Tour de France gewinnen, wie der Rest des Pelotons in der Tradition hängen bleibt statt Ernährung endlich wissenschaftlich anzugehen.

Man möchte hinzufügen: Oder dass Team Sky keine TUE's für Kortikosteroide kurz vor der Tour beantragt (Ach so, das war ja Wiggins und nicht Froome)

Dieser Artikel ist aus zwei Gründen ganz besonders bemerkenswert: 
Erstens zeigt er exemplarisch wie allem Anschein nach Werbung als redaktioneller Inhalt ausgegeben wird ohne dies explizit zu kennzeichnen. Ein, in meinen Augen, eklatanter Verstoss gegen journalistische Wohlverhaltens-Richtlinien. Das Ganze ist dabei so plump und offensichtlich, dass mich das als Leser beleidigt.
Der zweite Punkt ist ein weiterer Image Schaden für Team Sky. Für den Preis eines netten Artikels für den Sponsor steht das Team ein weiteres Mal als Lügner und arroganter, selbstgefälliger Augenwischer da. Letzteres deshalb, weil die Behauptung andere Teams würden die Ernährung nicht ernst nehmen eine bodenlose Frechheit und durch nichts zu belegen ist. Halten die alle Anderen wirklich für Idioten, so wie es der Text suggeriert? Und als Lügner deshalb, weil dieses Werbegeschreibsel konträr zu einer Aussage von Brailsford während der Tour 2015 steht:

2 Kommentare:

  1. Hihi, der Artikel hat es dir ja wirklich angetan. :) Um fair zu sein, mit der Tiefe der Erkenntnisse (die ironischen Einwürfe a la wow, ach nee, is ja ganz was Neues) bewegt sich der Artikel auf ganz normalen Web- unf Print-Niveau. Das mag man bedauern, das ist sicher aber auch davon geprägt, das man selbst in diesem Feld halt schon so viel weiss. Aber nach diesem Maßstäben müsste man über ganze Ausgaben vom tour magazin, von road bike, cycling plus und wie soe alle heissen, ähnlich her ziehen.

    Ich glaube, sie wollten den Part der "Marginal gains" aufbrechen und sagen, das manche Gains halt ganz und gar nicht zu marginalisieren sein, sondern tatsächlich "huge" sind. Ernährung gehört sicherlich dazu. Das ist natürlich an anderen Teams nicht vorbei gegangen. Das da fast jeder seinen Food Truck und Chef mitschleppt, ist nichts Neues.

    Das Thema Protein ist jetzt auch nicht sooo furchtbar neu, aber immerhin im Zusammenhang mit der Energiebereitstellung im Rennen vielleicht noch gar nicht so verbreitet. Ich selbst lese und überlege dazu noch gar nicht so lange.

    Ich glaube, der Part mit den 1,5 kg Gewichtszunahme über den Ruhetag hat dich in einem sich bei dir schon entwickelten Meinungstrend erwischt und dich auf eine falsche Fährte gelockt. Da steht nirgendwo 1,5 kg lean mass oder so, sondern einfach nur 1,5 kg Gewicht. Also der Unterschied, ob ich auch am Ruhetag versuche, nicht sonderlich Gewicht zuzulegen bzw. sogar noch versuche, Gewicht weiter zu reduzieren (die Berge drohen und man wähnt sich eh noch zu schwer) oder ob ich einfach nur gut esse und die Glycogen-Speicher wieder komplett voll bekomme (was mir an den harten Tagen trotz Unmengen Pasta nicht zur Gänze gelingt) und die mit dem Glycogen verbundene Wasserspeicherung macht den Rest. Dafür braucht es keine Kalorien-Berechnung.

    Diesen Part fand ich damit auch am interessantesten. der Aussage wegen, dass es tatsächlich Anektdotischen Hinweis auf solche Gewichtsabnahme-Praxn am Ruhetag gibt.

    Klar, der Rest alles auf SiS bezogen. Geschenkt. Ich glaube es gibt keinen einzigen Leser, der nicht den Querbezug zu Produkten anderer Supplement-Lieferanten herstellen kann, wenn er einen Eiweissriegel oder Recovery-Drink mitnehmen möchte.

    Das Tatsächliche Fundstück ist in meinen Augen der Querbezug zwischen den zwei Aussagen mit dem 2 x wiegen Einerseits und dem "kannte das Gewicht nicht". wobei ich mir eine potenzielle Antwort von Brailsford schon jetzt vorstellen kann: Das mit dem zweimal wiegen ist recht neu, 201x hatten wir das noch nicht gemacht. Mag sogar stimmen? Ich würde jetzt aber keinen Zusammenhang zwischen TUEs und SiS-Werbung herstellen.

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    1. Ich habe nichts gegen niederschwellige Angebote. Die haben ganz ohne Frage ihre Berechtigung und natürlich muss man für wissenschaftliche Artikel woanders suchen. Das Ernährung immer noch unterbewertet wird und richtiges Essen ganz und gar nicht marginal ist, unterstreiche ich auch. Ebenso dass es ein komplexes Thema ist. Die Information zur Gewichtszunahme am Ruhetag ist so wie im Text geschrieben natürlich wertlos, das ist schade, das hätte in der Tat interessant sein können.
      Das Ausmaß mit dem der Autor aber jedwede kritische Distanz vermissen lässt finde ich erschreckend. Der Verweis darauf, das Sky hier so viel besser sei wie alle anderen, würde ja, um stichhaltig zu sein, voraussetzen, dass man weiß was alle anderen machen. Das ist einfach nur arrogant. Dass sich das Peloton Magazin dafür hergibt, ... ich wiederhole mich. Genug geschimpft, jetzt brauche ich erst mal Kaffee.

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