Freitag, 17. März 2017

Flash Back Friday - Desaster und Combine


Gestern habe ich über Domestik berichtet, die Biografie von Charly Wegelius. Ziemlich am Anfang erzählt er von seinem letzten Rennen als Juniorenfahrer, dem Grand Prix des Nation 1996 am Lac de Madine. Die Geschichte dieses Rennens geht zurück bis 1932 und war lange Zeit die inoffizelle Weltmeisterschaft oder zumindest das wichtigste Zeitfahren des Jahres. Die Teilnehmer wurden von der Society du Tour de France eingeladen und die Anzahl der Plätze war streng limitiert. Fahrer wie Hinault haben sich darauf minutiös vorbereitet und ein Sieg hatte enormes Prestige. Wegelius gewann das Rennen über 35 Kilometer in einer Zeit von 48:06 und war 33 Sekunden schneller als Christian Roland aus Deutschland. In dem Buch steht zwar ein Vorsprung von 1:20, aber hey, ich habe die Original Ergebnisliste:


Ich war an diesem Tag nämlich auch am Lac de Madine und bin Radrennen gefahren. Genauso wie Wegelius hatte ich eine Runde über 35 Kilometer zu fahren, nur bin ich bei den Espoirs gestartet.

Ein unvergessliches Erlebnis. Die Teilnahme an diesem Rennen hatte ich meinem Trainer zu verdanken, Christian hat damals einfach mal Bewerbungsunterlagen für einen Startplatz an die Societé de Tour de France gesendet. Meine Palmarés waren scheinbar ausreichend um eingeladen zu werden. In Ermangelung eines Zeitfahrrades bin ich den GP des Nations dann mit meinem normalen Straßenrad gefahren. Das einzige Zugeständnis an den Kampf gegen die Uhr bestand aus einem Spinacci Lenkeraufsatz, einem geborgten Scheibenrad und einem Uvex "Calimero" Zeitfahrhelm.


Die Anreise am Tag vor dem Rennen war irgendwie schon viel zu spät und ich bin nicht mehr so auf das Rad gekommen wie ich wollte. Ich war nervös und gestresst. Nicht gerade die besten Vorraussetzungen. Aber egal, wenigstens das Wetter war am Tag des Rennens prima, sonnig, warm und wohl auch wenig Wind. An der Nummernausgabe gab es sogar ein Schild für das Auto mit meinem Namen. Wie bei der Tour! Und 1000 Franc Startgeld für Hotel und Sprit. Die Startrampe war genau die gleiche bombastische Anlage, die einige Wochen vorher bei der Tour im Einsatz war. Ich höre heute noch das Zählen des Starters und sehe vor meinem geistigen Auge wie die Finger immer weniger werden. Dix, ... cinq, quatre, trois, deux, un, TOP.

Unterwegs war es eine einzige Quälerei. Ich kam nie ins Rollen und war viel schlechter als ich es von mir selber erwartet hatte. Mich konnte noch nicht mal das Wissen beflügeln, dass meine Freundin im Auto hinter mir saß. Der bitterste Moment kam, als mich der vier Minuten nach mir gestartete Australier Nathan O'Neill einige Kilometer vor dem Ziel einholte und förmlich an mir vorbei flog. Da wäre ich am liebsten abgestiegen. Boah, das waren Welten! Immerhin wurde der bei der Weltmeisterschaft in Lugano zwei Wochen später vierter hinter Andreas Klöden.

Am Ende entsprach das Ergebnis meinem Gefühl auf dem Rad: rabenschwarz! Ich wurde Allerletzter. 4:57 hinter dem Sieger, 50 Sekunden hinter dem Vorletzten und als Einziger über 50 Minuten. Ich war wirklich enttäuscht. Wegelius war fast zweieinhalb Minuten schneller. Und als Anekdote am Rande sei noch erzählt, dass Christian im Ziel um ein Haar Bjarne Riis über den Haufen gefahren hätte. 


Der Artikel in der Zeitung hat dann einiges durcheinander gebracht. Der Redakteur hat es entweder sehr gut gemeint mit mir oder hatte absolut keine Ahnung. Auf jeden Fall sehr schmeichelhaft.




In Wegelius Buch wird deutlich, dass man im Radsport auch ohne Siege erfolgreich sein und aus der Aufgabe des Domestiken gehörige Befriedigung ziehen kann. Als Wasserträger kann man sich die Seele aus dem Leib fahren, über sich hinauswachsen und damit Achtung und Respekt im Feld gewinnen. Ich war nie gut genug um irgendwo in der Republik oder im Ausland in einer großen Mannschaft zu fahren, mit einem Kapitän, der eine Mannschaftsleistung in irgendetwas nennenswertes hätte umsetzen können. Vielleicht hatte ich aber auch nur keine Ahnung und niemanden der es mir erklärt hätte. Oder auch alles zusammen.

Nach seinen Anfangsjahren als Profi bei Mapei fuhr Wegelius Anfang der 2000er Jahre für die kleine italienische deNardi Mannschaft, für die ich auch mal genau einen Tag als Wasserträger unterwegs war. Im Gegensatz zum Grand Prix des Nation war das einer meiner besten Tage auf dem Rad.

Die Flèche de Sud ist eine viertägige Rundfahrt für Amateure in Luxembourg. 1997 bin ich dort als Gastfahrer für einen Luxemburger Verein gestartet: LP 07 Schifflange. Wir waren alle mehr oder weniger froh wenn wir das Rennen überleben würden. In einer zusammengewürfelten Mixte Mannschaft starteten unter anderem zwei deNardi Fahrer. Joachim Benoit, ein Luxembourger der später Profi bei US Postal werden sollte und Davide Dante. Dante übernahm am vorletzten Tag mit einem Sieg auf der schweren Burscheid Etappe die Führung in der Gesamtwertung. Das Gelbe Trikot in der Mixte Mannschaft! Leider hatte Dante auf der letzten Etappe nur noch zwei Kollegen um sein Trikot zu verteidigen. Was macht man in einer solchen Situation? Man kauft sich Unterstützung ein. Combine nennt sich das und ist natürlich gegen das Reglement, aber trotzdem gängige Praxis.

Ich war in meinem Element. Die letzte Etappe, ich würde auf jeden Fall ankommen und hatte vor dem Start mit fast 10 Minuten Rückstand auf dem 25. Platz auch nichts mehr zu verlieren. Als das Signal kam, um das Tempo des Hauptfeldes hochzuhalten und den Ausreissern nicht zu viel Raum zu geben, gab es kein Halten mehr. Ich weiss nicht mehr wieviel und wie schnell ich vorne gefahren bin, aber an diesem Tag ging es endlos. Ich bin geflogen. Erst in der Schlussrunde musste ich die vordere Reihe des Hauptfeldes räumen. Die Arbeit war getan, die 15 Ausreisser sollten ankommen, aber der Vorsprung war zu klein um Dante zu gefährden.  Ich war so gut, dass die Betreuer von Dante freiwillig deutlich mehr bezahlten als vereinbart war. Was führ ein Gefühl. Grosses Hallo in der Dusche.

Dante gewann die Rundfahrt mit 23 Sekunden Vorsprung auf den Niederländer Jacques Peeters, einen der Ausreisser. Auf dem siebten Platz der Gesamtwertung war übrigens ein gewisser Andreas Klöden. Zwei Plätze vor mit Joachim Benoit. Ich mit 9:23 auf Platz 25 und zwei Plätze hinter mir Denis Menchov, der später unter anderem die Vuelta und den Giro gewinnen sollte.

2 Kommentare:

  1. Sehr coole Geschichte! Da warst Du ja schon auf dem Sprung in andere Sphären :)

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    1. Vielleicht ist es besser dass es nicht gereicht hat!

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