Der vielleicht beste Moment in einem Gran Fondo: Eine Gruppe von 50 und mehr Fahrern fährt in einen Berg. Die ganze Straße ist ausgefüllt von Radfahrern, jedes Gespräch verebbt und ausser dem Schnaufen aus zahlreichen Kehlen, dem gelegentlichen Geräusch einer Schaltung und dem "Wuschen" von Carbonfelgen im Wiegetritt ist nichts mehr zu hören. Keine Autos, keine Zuschauer, nur die Natur und ein Haufen Radfahrer, die sich den Berg hochschrauben. Faszinierend wie wenig Lärm ein Fahrrad macht, stellt euch mal 50 Autos vor, die dicht an dicht den Berg hinauf fahren: Krach und Gestank!
Und bergauf ging es beim 3Ballons in den Vogesen zuhauf. Auf der langen Strecke über 210 km standen 6 klassifizierte Anstiege und zwei kleine zum Aufwärmen im Weg, 4.356 Höhenmeter hat mein Garmin aufgezeichnet. Das ist schon mal 'ne Hausnummer. Im Vergleich zu den letzten Jahren hatte die Strecke eine ganze Reihe von Änderungen aufzuweisen. Die wesentlichste war die Bergankunft auf dem Planche des Belles Filles, dort endet dieses Jahr auch die fünfte Etappe der Tour de France. Als Folge dessen waren Start und Ziel nicht wie in den letzten Jahren nur gute 10, sondern ganze 50 Kilometer von einander entfernt! Obwohl die Höhenmeter etwa gleich waren und der Grand Ballons von der leichteren Seite gefahren wurde, fand ich die 2017er Strecke schwieriger. Dieses Jahr hat die Kletterei erst später angefangen, die Höhenmeter haben sich also auf weniger Kilometer verteilt.
Oben 2016, unten 2017
Viel besser als in den letzten Jahren war allerdings das Wetter. Nachdem es am Vortag noch Starkregen und Gewitter gab, strahlte am Samstag den ganzen Tag die Sonne und die Temperaturanzeige kletterte bis auf 28°. Nach Nebel und Regen und Sichtweiten von um die 100 Meter auf dem Grand Ballons 2016, konnte man dieses Jahr eine herrliche Weitsicht genießen. Wettertechnisch haben die Vogesen sich von ihrer besten Seite gezeigt.
Beste Voraussetzungen für ein großartiges Rennen, sollte man meinen. Ich hoffte trotz der neuen Strecke wie 2016 in etwas über 7 Stunden ins Ziel zu kommen. Letztes Jahr hatte das immerhin für Platz 53. insgesamt und Rang 11 meiner Altersklasse gereicht. Nur, es kam anders. Nach einer Nacht mit so gut wie keinem Schlaf (Es lag nicht am Wohnmobil, Stefan!) und vielleicht auch zu viel Training in den Beinen, war kurz vor der Verpflegung am Gran Ballons der Ofen aus. Bis dorthin befand ich mich genau in der sieben Stunden Gruppe. Das weiß ich deshalb so genau, weil dort die schnellste Frau unterwegs war und bergauf meist die Pace vorgab. Ils van der Moeren kam nach 6:58,47 ins Ziel!
Aber was nicht geht, geht nicht und in Erwartung der weiteren Schwierigkeiten, habe ich die Gruppe ziehen lassen und an der Verpflegung auf dem Grand Ballons erstmal in Ruhe angehalten. Bis zum nächsten Berg hatte sich dann wieder eine kleine Gruppe gefunden, die ich aber auch ziehen ließ. Inzwischen fing mein linkes Knie nämlich ziemlich an zu zwacken. Aber nichts ist so schlecht, dass es nicht für etwas anders gut ist. Den Rest konnte ich dann wirklich ohne Stress fahren und habe sogar mehrfach an den Brunnen angehalten für eine anständige Erfrischung.
Unterwegs spielte ich mit dem Gedanken, mir den Schlussanstieg hinauf zum Planche des Belles Filles zu schenken, aber irgendwie kommt man ja doch nicht umhin immer weiter zu fahren, noch ein Stück und noch ein Stück und schon ist man am an Fuß des Anstieges und es sind ja nur fünf Kilometer, also schnell noch hoch. Und das war schon ein sehenswertes Spektakel! Trotz meines eigenen Schneckentempos bin ich an vielen vorbei, die ihr Rad geschoben haben oder noch langsamer waren, auf jeden Fall am Ende ihrer Kräfte. Aber viele sind auch mit grimmigen Gesichtern an mir vorbei, um jede Sekunde kämpfend, alles aus sich herausholend. Ich fand das gemütlich gar nicht so schlecht (von den Knieschmerzen abgesehen), wenn man sich mal damit abgefunden hat und einem das Ergebnis egal ist, ist das doch sehr entspannend.
Meine Zeit von 7:33 war für den 200. Platz insgesamt und den 49. meiner Altersklasse gut. Scrollt man durch das Ergebnis, fällt wieder einmal die Dominanz der Belgier auf. Interessanterweise ist der Medio Fondo über 125 km fest in französischer Hand gewesen.
Nach einer Pause im Ziel und dem Zuführen der Kalorien, die es für den Pasta-Gutschein gab, machte ich mich auf den Weg zurück zum Auto. 50 km! Nach der Abfahrt ging es nochmal bis zur Hälfte des Col des Chevrères hinauf, dann aber immer leicht bergab über kleine französische Departementstraßen. Trotzdem war das mit dem schmerzenden Knie und dem Gran Fondo in den Beinen kein Spaß. Wieder am Auto hatte ich 260 km. Ein Allzeit Distanz Rekord für mich.
Stellt sich natürlich die Frage, woran es gelegen hat, dass die Luft nach 100km raus war und das Knie zu schmerzen anfing? Nach der unfreiwilligen Pause in der zweiten Jahreshälfte 2016 habe ich das Training im Januar bei einem Allzeit-Tief des Chronic Training Loads (CTL) wieder aufgenommen. Ich konnte mein geplantes Training ganz gut umsetzen und bin auch tatsächlich gut in Form gekommen. Zur Landesverbandsmeisterschaft, dem "Ende der Frühjahrskampagne" war der CTL bereits wieder bei knapp 60. Danach ging es wie geplant weiter und nach dem Gran Fondo Schleck hat Golden Cheetah den höchsten ATL meiner Trainingsaufzeichnungen berechnet.
Trotz regelmäßiger leichterer Wochen mit reduziertem Trainingsload, ging der CTL doch konstant weiter nach oben und erreichte zum 3Ballons einen Wert von 84. Das ist absolut immer noch nicht besonders hoch (wirklich viel fängt bei über 100 an), aber immerhin fast so hoch wie 2015 vor der Deutschen Bergmeisterschaft.
Die Kunst des Trainings besteht nun darin, dass es sich eben nicht nur anhand von Kennzahlen und Wattwerten berechnen lässt und sich die Gründe für eine gute oder auch schlechte Leistung nie ganz genau bestimmen lassen. Obwohl ich meine Trainingsinhalte, -abfolge und Pausen grundsätzlich immer noch als richtig ansehe, war es rückblickend vielleicht doch etwas viel. Denn neben dem Trainingsstress muss man auch den Stress durch das "echte Leben" (Beruf, Familie) berücksichtigen. Dieser beeinträchtigt nämlich meist eine ganz entscheidende Komponente des Trainings: Die Regeneration! Und gerade die benötigt im Alter etwas mehr Zeit. Am Ende kann man dies vielleicht doch in Zahlen ausdrücken, der Anstieg der CTL Kurve war, zumindest für meine individuellen Umstände, zu steil. Oder, auch das kann sein, es war einfach nur ein schlechter Tag mit zuwenig Schlaf in der Nacht zuvor.
Zum Knie: Eine Röntgenaufnahme hat eine leichte Arthrose offenbart, nichts Dramatisches, aber natürlich nichts, was man hören möchte. Dass sich diese während des 3Ballons bemerkbar gemacht hat, obwohl die Belastung bis dorthin an diesem Tag gar nicht so hoch war und ich in der Woche davor kaum gefahren bin, kann auch mehrere Gründe haben: Langzeit-Wirkung des Unfalls im letzten Jahr, kumulierter Trainingsreiz über Wochen oder auch ein viel zu kurz gekommenes Core-Training (=instabile Position auf dem Rad = Fehlbelastung).
Seit dem 3Ballons habe ich daher nicht mehr auf dem Rad gesessen. Statt dessen war ich etwas schwimmen und habe verstärkt Core Training gemacht. Dieses Wochenende geht es wieder auf's Rad und ich hoffe dann, dass am kommenden Sonntag Form und Knie für den Dreiländergiro in Nauders nochmal in Ordnung sind.
Links:
Grand Trophée 3Ballons Homepage
Toller Bericht und nicht irgendwie der verbissene Radsportler der nur Zeiten kennt. Die Fotos hast Du während der Fahrt gemacht. Du hast ja die Ruhe weg :-)
AntwortenLöschenIch selbst bin öfter im Jahr in dieser Region. Die Berge dort haben es in sich.