Hochprofil-Carbonfelgen sind ein recht guter Resonanzkörper. Das kann eine ganz furchtbare Sache sein, wenn etwas nicht 100 Prozent in Ordnung ist und knackt oder andere fiese Geräusche von sich gibt. Das kann aber auch ganz fantastisch sein, wenn man im Wiegetritt bergauf fährt und das “Wusch” der Reifen hört. Wusch rechts - Wusch links. Ha, herrlich!
Eigentlich kommt mir ja seit Jahrzehnten nichts anderes als Conti Grand Prix Reifen an’s Rad. “Conti forever” sozusagen. Nun war Vittoria, der traditionsreiche Reifenhersteller aus Italien, einer der Sponsoren der Deutschlandtour, hat dort den neutralen Material Service gestellt und Pressevertretern die Möglichkeit eingeräumt, Reifen zu testen. Da einer meiner Leser mir Fragen über die Reifen und Laufradwahl der Profis aufgetragen hatte, hatte ich gleich zwei Gründe in Trier am Vittoria Truck vorbei zu schauen und ein längeres und interessantes Gespräch mit Andreas Barth zu führen, der den Vertrieb von Vittoria in Deutschland verantwortet. Ein Teil der Informationen finden sich in dem Post “Schlauchreifen: Altmodischer Konservatismus oder Evergreen”.
Danach haben wir uns aber länger über den Vittoria Corsa unterhalten. Vittoria ordnet diesen Reifen qualitativ über dem Conti Grand Prix 4000 S II ein. Dabei stellt Vittoria zwei Merkmale besonders heraus, einmal die Karkasse aus Corespun Garn, eine Kombination aus Baumwolle und Aramid (aka Kevlar) und ein Anteil Graphen in der Gummimischung der Lauffläche. Die Baumwoll-Karkasse soll dabei besonders flexibel und geschmeidig sein und sich so besser der Staße anpassen können. Das Graphen scheint, so verstehe ich Vittoria, das Wundermaterial schlechthin zu sein und ermöglicht die Quatratur des Kreises in der Reifen Produktion, nämlich die gleichzeitige Optimierung von Rollwiederstand, Grip, Pannenschutz und Geschmeidigkeit ohne Laufleistung und Gewicht ganz ausser Acht zu lassen. Wer das genauer wissen möchte, wirft am besten einen Blick in die Wikipedia und liest die Informationen auf der Vittoria Homepage nach.
Nur erzählen all diese Fakten natürlich nichts darüber, wie sich der Reifen fährt. Vor dem Vergnügen kommt aber bekanntlich erst die Arbeit und der Reif muss auf die Felge. Das Gewicht stimmt fast genau mit der Angabe überein. Auf der Homepage sind 255 gr angegeben, ich habe für den 25mm breiten Faltreifen 264 gr gewogen. Weitgehend problemlos und ohne Zuhilfenahme von Reifenhebern habe ich beide Reifen auf meine Reynolds Aeroräder aufgezogen bekommen.
Die hellen Seitenwände veränderten dabei das Aussehen meines Rades deutlich. Nach dem vormals “All-Black” muss man sich daran erstmal gewöhnen. Der Corsa ist aber auch mit einer schwarzen und einer anthrazit farbenen Seite verfügbar.
Mit 6,5 bar hinten und 6,2 vorne ging es auf die auf die ersten Testfahrten. Und was soll ich sagen, der Reif fährt sich prima. Ich konnte zwar keine bahnbrechende Verbesserung zu den Contis feststellen (ohne umfangreiche Testreihen und Probefahrten mit abwechselnder Reifenwahl), aber auch keine Verschlechterung. Für sich genommen rollte der Vittoria sehr angenehm ab und liegt gut auf der Straße. Die Haftungsgrenze der Reifen ist jenseits von Geschwindigkeit und Winkel, die ich mich in Kurven traue. 400 Kilometer auch über teilweise schlechte Straßen habe ich ohne Defekt absolviert und die Reifen zeigen bis jetzt keine nennenswerten Abnutzungsspuren. Optimiere lässt sich das ganze sicher noch mit Latexschläuchen, ich bin etwas leichtere aus Butyl gefahren. Alles gut also? Auf jeden Fall, es wird aber noch besser: Das Geräusch der Reifen im Wiegetritt fand ich dann wirklich besonders nett. Vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet, oder es war weil die Reifen neu waren, oder weil ich extra darauf geachtet habe. Ganz egal, der Sound ist Weltklasse!
Disclaimer:
Die Reifen wurden mir von Vittoria kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Reifen wurden mir von Vittoria kostenlos zur Verfügung gestellt.
Links:
In diesem Zusammenhang interessant: Bicycle Rolling Resistance
Vittoria Homepage: Corsa
Hmm. Also das Aussehen finde ich ja auch schick. Montieren sich auch auf diversen Felgen sehr gut, finde ich. Sie rollen auch nicht schlecht. Bzw. ich finde genau wie du - ohne, dass man jetzt aufwendige Parallelvergleiche machen würde, findet man (also ich zumindest) schwer Unterschiede. Das deckt sich auch im Hinblick auf den Rollwiderstand, schaut man sich die Ergebnisse von https://www.bicyclerollingresistance.com/road-bike-reviews an. Da liegen beide Reifen (Conti und Vittoria) exakt gleichauf. Bzw. bei den Drücken die für mich interessanter sind (leichte Person und beste Komfort/Grip-Kombination) ist sogar der "gute, alte" Conti wieder voraus.
AntwortenLöschenAber sagen wir mal, auch da wären beide Reifen gleich. Alles gut dann für den Vittoria? Nicht, wenn man mich fragt. Mir persönlich (obgleich auch ich den Grenzbereich nicht auslote) geben die Vittoria mit ihrer Bauform, Oberfläche und Profil in den Kurven weniger Zutrauen als die Contis. Nach dem 1600 km Bikepacking von Wien nach Nizza war der neue Corsa G+ hinten ziemlich flach gefahren. Und zu guter letzt kommt ja auch noch der Aero-Aspekt zum tragen, wo ja der Conti GP 4000 S mit seinen Semi-Profil durch bessere Grenzschichtbeeinflussung noch ein Quentchen mehr Aero-Vorteil herausholen soll. Leider kenne ich keine Tests, die so etwas auch im Vergleich quantifizieren. Auch der Schwalbe Pro One hat ja solche Seiten-Semi-Profil-Prägungen. Ob die ähnlich wirkungsvoll sind? Wer weiss. Aber trotzdem macht es ja Spaß, ab und an mal was Neues auszuprobieren. :)