Das ist schon 'ne ganze Weile her, dass ich so über eine Ziellinie gefahren bin:
Ich weiss gar nicht wann ich das letzte Straßenrennen gewonnen habe. Es muss annähernd 20 Jahre her sein, als U23 Fahrer, vor der "großen Pause". Mein Stil Rennen zu fahren ist ja nicht unbedingt der vielversprechendste, wenn man auf eine bestmögliche Chancenauswertung abzielt. Da ich aber weder schnell um Ecken fahren kann, noch auch nur ein halbwegs anständiger Sprinter bin, bleibt mir eigentlich nur die Flucht nach vorne. Das geht selten gut, denn natürlich ist ein Feld immer schneller als ein einzelner Fahrer. Deshalb gehört auch immer ein gutes Stück Glück dazu, den richtigen Moment zu erwischen wenn sich alle anschauen und niemand die Nachführarbeit leisten möchte.
Gestern habe ich genau solch einen Moment erwischt. In Polch fand das zweite Griesson - de Beukelear Radrennen auf einem welligen, windanfälligen 9km Rundkurs statt. Die alten Herren mussten 5 Runden fahren, also gut 45 km. Senioren 2 und 3 sind in einem Rennen gestartet, gemeldet waren fast 100 Fahrer, am Start standen etwas weniger. Vom Frühling war noch keine Spur, frostige 2°, merklicher Wind und eine dicke Wolkendecke erzeugten eine echte Frühjahrsklassiker Stimmung.
Direkt in der ersten Runde habe ich mein Glück an dem zweiten und längeren der beiden Anstiege versucht und tatsächlich hat sich eine kleine Gruppe gelöst. Leider konnten oder wollten nicht alle fahren und das Feld hat uns auch nicht ziehen lassen. Nach wenigen Kilometern war wieder alles zusammen. Eingangs der dritten Runde mit 27km to go habe ich dann nochmal angetreten und fand mich alleine vor dem Feld. 'Na super', dachte ich mir, 'noch fast 30 km bei dem Wind, mal wieder so eine Kamikaze Aktion, du kannst es einfach nicht lassen'. Aber wo ich schon mal vorne war, bin ich dann einfach weitergefahren. Und was soll ich sagen, es hat gereicht!
Ich muss an meinem Race Face arbeiten. Entspannungsübungen bei Puls 180 oder so.
Links Stefan Wittwer, RSV Gütersloh 1931, rechts Hardy Zimmermann, Squadra Ciclisma Colonia
In der Mitte ich mit Keks im Mund!
Ein Blick in die Daten zeigt schön die Attacke und das anschliessende "Zeitfahren" an und über meiner Schwelle. Interessant insbesondere die anaerobe Arbeitskapazität W'bal und das Verhältnis zwischen rechtem und linkem Bein, das für die Zeit in der ich alleine war genau 50/50 ist! W'bal ist die Energiemenge die ich über meiner Schwelle zur Verfügung habe, komme ich unter die Schwelle, erholt sich der Energiespeicher noch mal etwas, komme ich drüber nimmt er ab. Hier sieht man, dass ich mich ganz gut eingeteilt habe und nach dem ersten Abfall am Anfang der Attacke fahre ich immer nah am Minimum, überziehe aber nie und kann dadurch das Tempo bis zum Schluss einigermaßen halten. Die Rundenzeiten sind 1.R 14:26 / 2.R 14:51, dann alleine: 3.R 14:10 / 4.R 14:33 / 5.R 14:42.
Beinahe hätte ich es vergessen: Vielen Dank an den VfB Polch für dieses top Radrennen! Gute Strecke, super abgesperrt, super organisiert. Weiter so!!
Vielen Dank an Holger und Miggo für die Bilder!
Links:
Strava Fly-By des Seniorenrennens
Holger Radsportfotos und der Film des Rennens
VfB Polch Internetseite / Facebook mit vielen Bildern und den Ergebnissen
Super Flickr Fotostream von Ludwig Christ, sehr schöne Bilder.
Glückwunsch! Reife Leistung! Gib die Kekse an die Kiddies weiter - und heb mir einen auf ;-)
AntwortenLöschenHi, toller Blog...und super Rennergebnis....
AntwortenLöschenHätte ein paar Fragen zu den Daten...Stammt das aus WKO+? Woher weisst du während dem Rennen oder überhaupt dein W'bal? Hängt das nicht von der Tagesform, Ernährung, dem Speichervermögen usw. ab? Ich hätte gedacht, wenn Du deine FTP kennst und mit PM fährst wüsstest du immer ob du unter deiner Schwelle fährst oder dich überlastest...
Gruss
Der Print Screen stammt aus Golden Cheetah. W'bal ist natürlich nur ein Model, wie schnell sich dieser Tank tatsächlich entleert und vor allem wie schnell es sich wieder auffüllt ist individuell und hängt, wie du schreibst von vielen Faktoren ab. Aber es ist ein guter Anhaltspunkt, wie intensiv ein Rennen ist und eine hervorragende Möglichkeit zu sehen, wo man seine Körner ausgegeben oder sogar verschwendet hat. Wenn du einen Garmin mit GarminIQ hast (Edge 520 z.B.) kannst du Datenfelder installieren, die W'bal während einer Aktivität anzeigen. Ich habe das aber noch nicht im Rennen getestet. FTP und Power sind der Input für die Berechnung. Was du nicht abschätzen kannst, wenn du nur deinen FTP kennst und die Watt angezeigt bekommst, ist wieviel Zeit und wie weit du über der Schwelle warst und inwiefern sich W'bal schon regeneriert hat.
LöschenWenn es im Rennen den Berg hoch geht oder attackiert wird, stellt sich nur die Frage ob du dran bleiben kannst oder nicht. Wo dir diese Zahlen aber helfen ist beim ökonomischen Umgang mit deiner Energie wenn es mal nicht 100% geht. Warst du immer im Windschatten, hast du dich gut im Feld versteckt, bist du gut um die Kurven gekommen oder musstest du jedes mal ein Loch zufahren?
Herzlichen Glückwunsch Boris! Lass dir die Kekse schmecken. Grüße
AntwortenLöschen