Dienstag, 16. Juni 2015

Eine Runde durch die Vogesen

Am vergangenen Samstag  bin ich meinen ersten Radmarathon aka Cyclo-Sportive aka Gran-Fondo gefahren. 215 km gespickt mit 5700 hm durch die Vogesen: "Les trois Ballons". Eigentlich müsste es ja "Les deux Ballons" heissen, den wir sind nur über den Ballon d'Alsace und den Grand Ballon gefahren, der Petit Ballons stand nicht auf dem Streckenplan. Vielleicht hat das historische Gründe und die Strecke ging früher tatsächlich über alle drei Ballons oder weil das Logo ansonsten aussehen würde wie ein Ar.. äh Hintern.




Aber es gab auch so genug zu klettern. Nach einer Nacht auf der Luftmatratze im Auto, in der ich mehr schlecht als recht geschlafen habe, stand ich um Punkt sechs Uhr an der Nummernausgabe um meine Nummer abzuholen. Ich würde es übrigens bevorzugen, 10 Euro weniger Startgeld zu bezahlen und dafür kein Funktions-T-Shirt in zu groß zu bekommen, mit dem man (Funktionsfaser!) noch nicht mal das Rad putzen kann.

Nachdem ich gefrühstückt hatte und alles präpariert war bin ich um 7:00 zum Start gefahren. Von meinem Auto aus konnte ich den Startbogen zwar über der Böschung herauslugen sehen, hatte aber keine Ahnung, dass schon alles voll mit Radfahrern war und ich an geschätzter 2000ster Position war. Na super. Aber eigentlich auch nicht anders zu erwarten. Wäre ich mal besser früher aufgestanden, wo ich sowieso schon schlecht geschlafen habe.


Als ich dann endlich über die Startlinie gefahren bin, waren die Ersten schon einige Kilometer voraus. Statt es gemütlich anzugehen und mir zu denken: "Das Rennen ist noch lang, ich bekomme euch am Berg.", wechselte ich ansatzlos in den Verfolger-Modus und bin wie ein Torpedo durch die endlose Schlange an Radfahrern geschossen. Schnell waren wir eine kleine Gruppe und konnten bis zum ersten Berg tatsächlich erstaunlich viel Zeit gut machen. Das hat schon Spass gemacht, kann man nicht anders sagen.

Für die ersten 17 Kilometern (Strava Segment 7429805) habe ich 24:04 gebraucht, nur 14 Sekunden mehr als der Schnellste an diesem Tag, zumindest von denen die Stava nutzen und ihre Daten bis jetzt hochgeladen haben. Das ist ein Schnitt von über 43 km/h! Der später Sieger war da bedeutend gemütlicher unterwegs mit 25:43 und einem Schnitt 40,4 km/h.

Die ersten Berge gingen dann auch noch wie geschnitten Brot und hinauf zum Col des Chevrères konnte ich weiter Boden gut machen. An dem dann folgenden Ballon d'Alsace war ich in einer größeren Gruppe von etwa 40 Fahrern mit dem genau richtigen Tempo.

Zwei Dinge habe ich bis dahin mit Erstaunen festgestellt. Das erste war die Anzahl von Defekten, teilweise stand ein Fahrer nach dem anderen am Rand und wechselte den Schlauch, mehr Pannen auf wenigen Kilometern als ich in in meiner ganzen Radsport Karriere zusammen hatte. Das andere waren die Heerscharen an Betreuern, die am Rand standen und Flaschen und später sogar Verpflegungsbeutel gereicht haben. Das hat mich fast daran zweifeln lassen, ob es überhaupt noch andere, normale Verpflegungsstellen gibt. Aber es gab sie natürlich doch. Oben am Ballon d'Alsace angekommen erwartete uns die erste von zwei PowerBar Stationen. Eine Hälfte unserer Gruppe, die mit den Betreuern am Rand, ignorierte die Verpflegung und stürzte sich direkt in die Abfahrt, die andere hielt an und drängelte sich panisch um die Wasserflaschen und Kanister um die Bidons aufzufüllen und um PowerBar und Gel in die Tasche zu stopfen und schnellst möglich wieder auf dem Rad zu sein.

In der Abfahrt konnte ich den größten Teil des Rückstandes wieder aufholen und unten angekommen war ich wieder vorne in der Gruppe. Zeit zum Verschnaufen gab es aber nicht denn mit dem Col du Hundsruck stand gleich das nächste Hindernis im Weg. Und es kam wie es kommen musste, ich begann die Rechnung für den anfänglichen Paarforce Ritt zu bezahlen. Das Tempo das am Ballon d'Alsace noch so erträglich erschien war auf einmal viel zu schnell und ich bin in meinem eigenen Rhythmus der Gruppe hinterher, die letzten Fahrer eine ganze Weile in Sichtweite. Irgendwann war die Lücke dann aber doch größer und auch in der Abfahrt  bekam ich niemand mehr zu Gesicht. In Masevaux gab es dann aber doch nochmal ein Wiedersehen. Die Gruppe stand geschlossen an einer Kreuzung und musste auf Grün warten.

Letztendlich war das aber egal, am direkt folgenden Anstieg zum Grand Ballon bin ich endgültig eingebrochen. Hätte dort meine Begleitmannschaft gestanden, ich wäre ins Auto gestiegen. Aber nein, niemand da. Abkürzen war ohne Karte und Ortskenntnis auch keine echte Alternative, so bleib nur den Berg langsam aber stetig zu erklimmen. 15 Kilometer, der höchste Punkt auf 1343 Meter. Dutzendweise haben mich andere Fahrer überholt. Einer nach dem anderen. Wenigstens die Aussicht war teilweise grandios und unter anderen Umständen hätte ich auch noch im Fahren Bilder gemacht, so wollte ich aber nur oben ankommen und hatte keine Kraft für akrobatische Foto-Einlagen.

Irgendwann haben dann auch die Muskeln angefangen zu krampfen sobald ich auch nur ein bisschen fester getreten habe. Ich kann mich nicht erinnern, schon mal so üble Krämpfe gehabt zu haben. Und es waren immer noch über 100 Kilometer zu fahren. Ich habe 22 Minuten mehr gebraucht als der Schnellste an diesem Tag, David Polveroni, der Gesamt Dritte (Strava Segment), der den Berg in beeindruckenden 45 Minuten hochgefahren ist. Nach einer kurzen Abfahrt vom höchsten Punkt ging es eine kurze Steigung hinauf zur Verpflegungsstelle und diesmal habe ich mir Zeit gelassen. Flaschen füllen, Wurstbrote, PowerBars für die Trikottasche. Aussicht gab es leider keine, der Gipfel des Ballon d'Alsace hing in den Wolken.


Am nächsten Berg, dem 884 Meter hohen Col d'Oderen ging es schon wieder etwas besser und zumindest die Krämpfe haben aufgehört. Das Finale hat dann noch mal richtig reingehauen. Ich hatte das Profil im Auto liegen lassen und glaubte eigentlich nur noch ins Ziel rollen zu können, als es scharf rechts ging und wir eine Wand mit über 15% vor uns hatten. Das hätte ich nicht mehr gebraucht. Zumindest war die Kuppe schon in Sichtweite, also nur ein kurzer Stich, dachte ich. Denn die Kuppe war noch gar nicht das Ende, es ging noch weiter, und danach nochmal und dann nochmal. Endlich oben angekommen ging es über eine Hochebene, immer mal wieder runter, dafür aber auch gleich wieder hoch. Aber auch das war irgendwann vorbei und die letzten 15 Kilometer waren tatsächlich nur bergab und flach.

Nach 7 Stunden und 31 Minuten war ich endlich im Ziel. Das sollte eigentlich ein Platz zwischen 190 und 200 sein. Dummerweise habe ich vergessen ein Foto meiner Lizenz vor der Veranstaltung hochzuladen, so bin ich nur in die Rondonneur Klasse ohne Zeitsprung gekommen. Vielleicht wird es ja noch korrigiert, ich habe mal eine Mail an den Veranstalter geschrieben, habe aber wenig Hoffnung, dass da was bei rauskommt. Auf der anderen Seite ist es aber auch egal. Hauptsache die Strava Daten sind da!


Lessons learnt:
  • Das nächste Mal noch früher anreisen und statt im Auto vl. doch besser im Hotel oder im Wohnmobil schlafen
  • Früher aufstehen und früher am Start stehen
  • Auch wenn ich hier noch geschrieben habe dass ich Regel #29 natürlich nie brechen würde, in diesem speziellen Fall können Ersatzschlauch und Werkzeug in einer Satteltasche verstaut werden, der Platz im Trikot wird besser für eine 0,5l Einweg Plastikflasche und später, wenn die Wasserflasche geleert und entsorgt ist, für auszuziehende Klamotten verwendet.
  • Disziplin! Am Anfang langsamer macht am Schluss schneller!
  • Dem Wetterbericht vertrauen und besser etwas weniger anziehen als zu schwitzen
Ansonsten war es eine tolle Veranstaltung mit einer tollen Strecke, gut ausgeschildert, ruhige Straßen, großartige Aussichten, sportlich sehr anspruchsvoll. Mein GPS hat mir übrigens 5700 hm zugestanden, laut Ausschreibung hat die Strecke "nur" 4300 hm. Der Unterschied ist gewaltig und liegt wohl an unterschiedlichen Arten wie man Höhenmeter messen kann. Die GPS Geräte messen wirklich jeden Meter den es nach oben geht, da kommt einiges mehr zusammen.





Links:
Homepage des Veranstalters
Strava Aktivität des Siegers, Enrico Zaina
Strava Aktivität des Dritten, David Polveroni

Must see: Strava Flyby

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