Montag, 24. März 2014

Oberlenker Mallorca -Teil 2

Was bisher geschah: Teil 1


Mit diesem letzten Vers aus dem wohl bekanntesten Gedicht zur Begrüßung des Frühlings leite ich Teil Zwei meines Reiseberichts ein. Ein wenig ausschweifender, da einige Zeit ins Land ging seit Teil Eins.

In den vergangenen Wochen ist es in den Straßen lauter und belebter geworden. Die Kleider werden kürzer, die Touristen jünger und sportiver. Auf den Hotelfluren begegnet man jetzt anderen Gästen und viele davon sind in bunte Lycrastoffe gehüllt. Die meisten sind Teilnehmer eines Triathlon- und Radcamps, dass von einer ehemaligen Residentin der Insel, Steffi, ins Leben gerufen wurde. Vom Kilometerfresser bis zum Genießer ist alles vertreten. Ebenso gibt es einen Triathleten aus Übersee, der neben Chris Legh wohnt und nach drei Operation im Knie- und Hüftbereich und einer jahrelangen Zwangspause wieder einsteigen möchte. Diese Pause sieht man ihm jedoch nicht an. Der Wohnort in Boulder (1600m ü.NN) in Kombination mit seinem Idealgewicht machen ihn für einen Modellathleten wie mich am Berg natürlich zum idealen Trainingspartner und ich bin definitiv immer im richtigen Bereich unterwegs. Die Pulsuhr (ein in Zeiten von Wattmesssystemen längst überholtes Stück technischer Entwicklung) staubt langsam ein, da ich das Piepen während der Fahrt nicht mehr hören konnte. Durch den Aufenthalt dieser Herrschaften sind sowohl Frühstück als auch Abendessen zu einer geselligen Runde geworden und werden regelrecht zelebriert. Humoristisch angehaucht werden im Rahmen dieser gesellschaftlichen Zusammenkünfte sämtliche Neuerungen im Bereich der Materialforschung kommentiert.

Bei chronologisch korrekter Vorgehensweise ist jedoch zunächst auf Mittwoch, den 12.03., einzugehen. Der dritte Tag von Jay, die Berliner noch nicht in Sicht. Auf einer lockeren Ausfahrt sah ich dann diverse große Schilder mit unzähligen Schriftreihen – ähnlich des bekannten Sehtests beim Augenarzt. Da ich die Sprache noch nicht vollkommen beherrsche (derzeit schätzungsweise zehn Worte) fragte ich meinen Mitfahrer Xisco, was die Schilder zu bedeuten hätten. „Ah…Das ist die Rally. Sie sperren die Strecke an diese‘ Tage“ Leider war ich bei den Höchstgeschwindigkeiten, die wir stets konstant auf unseren Touren fahren, nicht in der Lage Datum, Uhrzeit oder sonst was zu identifizieren, also dachte ich mir FR-SO wird da wohl was sein. Mal sehen. Am darauffolgenden Tag fuhr ich meine Lieblingsrunde mit 63km also gegen den Uhrzeigersinn und merkte in Puigpunyent, dem Winterdomizil von Seniore Alberto Contador, dass ich komplett leer war. Der Mann mit dem Hammer saß mir im Nacken und so erklomm ich die letzte Steigung gen Galilea, wurde jedoch kurz vor dem Ort von einem Renault R5 Turbo überholt. Den sieht man nicht alle Tage. Irgendwas war hier faul. Auf dem Zenit des Berges, aber auch meiner Leidensfähigkeit, tauchten plötzlich Menschenmassen vor mir auf und es dämmerte mir. Das kurze Aufheulen einer Sirene sorgte für Gewissheit. Die nachfolgende Polizei sperrte die Strasse. Die Wertungsprüfung „Es Capdella- Galilea“ stand an. 10km vor meinem Hotel umzudrehen und dies auf dem Gipfel der letzten Steigung hielt ich für untragbar und fragte den Polizist, ob ich noch abfahren dürfe. „If you do it faster than we do, it’s ok…“ Mit dem Wissen dass die Strecke unten schon dicht ist, wurde die Bremse nur noch minimalst benutzt und das Ganze glich einem Kamikazeritt.

Im Hotel angekommen spuckte mein Freund, das Internet, alle Daten bezüglich der Rallye aus. Ich freute mich auf meinen bevorstehenden Ruhetag, sah dann jedoch, warum auf der Abfahrt sämtliche Renault Turbo (R5, R11, A310, etc.) gestanden hatten. Jean Ragnotti, Sieger der Monte-Carlo 1981 und eine lebende Legende, stand da in der Startaufstellung und auch die Liste der Autos war phantastisch zu lesen: R5 Tour de Corse, R5 Maxi Turbo, Golf 1 GTI, etc. Kurzum: Freitag war Rallyetag. Also schwang ich mich auch am Ruhetag auf meinen Drahtesel und fuhr pfeifend und singend (mit bekannt schlechtem Musikgeschmack und Auswahl) nach Puigpunyent. WP Esporles- Puigpunyent! Auf der Hinfahrt wurde ich von jedem überholt und es machte mir nichts aus, da ich mal wieder mein Lieblingstrikot zu Ehren Ragnottis trug. Nach der Wahl eines guten Standortes von dem aus ich drei Serpentinen einblicken konnte, begann das Spektakel und ich kam mit zwei mallorquinischen Bootsbauern ins Gespräch, die in Traben-Trarbach für jeweils drei Monate beschäftigt waren und mir erklärten, dass ich nicht weiter hochfahren dürfte. Als sie das Trikot sahen, wurde aber klar dass ich Zuschauer war und wegen Jean gekommen bin. „Dass du Fahrrad fährst ist nicht gut, aber das Trikot macht es wieder wett- aber Ragnotti kommt nicht. Hatte heute morgen eine‘ Unfall…Auto kaputt… morgen wieder repariert“ Vor Augen hatte ich den kleinen blauen R5 Maxi Turbo, mit dem ich als kleines Kind stets meine Runden auf dem Wohnzimmerboden drehte - mit der Beflaggung und den Aufschriften „Ragnotti / Thimonier“ und den ich fälschlicherweise für ein Spielzeugauto hielt. Eigentlich entstammte er jedoch der Renault Boutique und war ein Modellauto. Ich schreibe nun nicht, dass ich Tränen in den Augen hatte, aber leicht geknickt sah ich mir die erste Hälfte des Starterfeldes an: unzählige 911er und auch Exoten wie ein Dodge Charger und ein Mustang, die aufgrunf der Serpentinen vollkommen fehl am Platze waren. Nach einer kurzen Unterbrechung folgte dann die nächste Gruppe und inmitten der alten Autos kam ein rotes Etwas viel schneller als alle Fahrer zuvor die Abfahrt hinunter. Es war ein neuer Renault Clio WRC und das Lächeln kehrte zurück – nachdem die anderen ihre Autos um die Kurven trugen, damit sich der Bastkorb der Gemahlin auf der Rückbank nicht verselbstständigt, so konnte hier nur einer am Steuer sitzen. „BRAAAVVOOO JEAN“... Der mittlerweile 69-Jährige hat nichts verlernt. Der Rest der zweiten Gruppe war deutlich spektakulärer und schneller unterwegs als die erste und um 19Uhr wurde die Strecke wieder geöffnet. Fernando, der Bootsbauer, zeigte sich jedoch besorgt um die Helligkeit, da um 18.55 Uhr die Sonne unterging. „Brauchst du?“ und hielt mir seine Arbeitsleuchte hin…“Aber ich brauch zurück. Ich arbeite am Port Adriano“ Einhändig und mit der Lampe stets in den ankommenden Verkehr drehend erklomm ich nun am Ruhetag Galilea im Zeitfahrstil und fuhr mit Zug auf der Kette und Angst vor dem Verkehr heimwärts. Die Lampe hat Fernando natürlich Dienstags sofort zurückbekommen – mit einem kurzen Dankesschreiben und einem kleinen Präsent.
Da dies ja ein fortlaufender Blog mit diversen Handlungssträngen ist und viele fragten: „Was is eigentlich mit der Radmechanikerin?“ Da kann ich nur sagen: Die Frau versteht ihr Handwerk. Mein Rad läuft zuverlässig und seit dem besagten Tag auch ohne Geräusche. Na gut, bis auf die Principia-typischen Knackgeräusche, aber für die hat man ja schließlich auch beim Rahmenkauf bezahlt. Ich denke das reicht an Informationen. Dank der Berliner Truppe weiss ich nun zudem dass die regenbogenfarbenen Silikonarmbänder nicht den Radweltmeister, sondern eher die sexuellen Vorlieben der Trägerin, bzw. des Trägers aufzeigen.

Ich wurde zudem von einigen Campteilnehmern und auch anderen Leuten gefragt, ob ich nur der Praktikant wäre oder auch schonmal einen Triathlon gemacht habe. Da ich natürlich um mein temporäres, bereits acht Jahre andauerndes Formdefizit weiß, versuche ich trotzdem nicht in der Vergangenheit und Erinnerungen zu schwelgen und begegne Fragen dieser Art mit einem kurzen Statement: „Ich hab mir ein Buch von Joey Kelly über Triathlon gekauft und bin fast durch. Danach will ich mich auch mal an diesem spannenden Dreikampf versuchen.“ Kein Kommentar…
Aufatmen wird der ein oder andere bei der nun folgenden Aussage (aus welchem Grund auch immer… mein Orthopäde wegen des Knies, der Allgemeinheit, weil ich mich dann nicht wieder blamiere und den Topstartern, weil sie dann jeweils einen Platz weiter vorne sind): Nach soeben erfolgter Rücksprache mit „El Capitan" werde ich bei der ETU EM der Mitteldistanz hier in Paguera, trotz der schönen Strecke, nicht starten. Der Grund ist ganz einfach: Ich trainiere lange Jahre schon unter Manfred Biehler und bin voll und ganz seiner Meinung, dass man nur starten sollte, wenn die Zeit auch stimmt, bzw. man gesteckte Ziele realistisch schaffen kann. Da ich ungern über 4h 40 finishen würde, lasse ich es lieber bleiben und konzentriere mich auf die Ligarennen. Ich möchte halt mehr als finishen wenn ich irgendwo starte. Ein gewisser Anspruch ist immer noch da …
Was jedoch zunehmend schwieriger wird ist die Einhaltung der „Rules“. Regel #2 besagt, dass es jemandem, der das Wissen der Regeln erlangt hat, nicht gestattet ist, andere beim Brechen der Regeln zu unterstützen oder sie unwissend zu lassen. Bei der Vielzahl der Fahrer auf der Insel und auch schon im kleinen Kreis der Campteilnehmer werden Kurzarmtrikots mit langen Hosen kombiniert, Rücksäcke getragen, Satteltaschen, Spiegel, Visiere am Mountainbikehelm montiert, usw. Ich erbitte in diesem Punkt Gnade walten zu lassen, ich versuche die Regeln unseres Propheten, des Belgiers Eddy Mercky, zu verbreiten, aber meistens signalisiert schon ein „A“ auf der Bekleidung beim ersten Zusammentreffen die Sinnlosigkeit jeglichen Versuches. Unerschöpflich ist jedoch mein Versuch den entgegenkommenden Fahrern ein Zeichen des Grußes zu entlocken. Solange auch nur einziger auf einer 5h-Ausfahrt zurückgrüßt, mache ich weiter…

Abschließend noch eine kurze Vorschau: am kommenden Dienstag wird der Kollege mit der silbernen T-Mobile-Hose mich mit seiner Anwesenheit erfreuen. (Nein - Es handelt sich dabei nicht um eine Sonderedition, sondern lediglich um eine komplett verwaschene, uralte, ehemals schwarze Radhose die ihren Dienst an der Waffe längst abgeleistet hat.) Die Kombination aus Jay und Metti verheißt nichts Gutes für mich und ich vermute es wird hart. Puig und Sa Calobra warten…

Wie es weitergeht: Teil 3

Autor: Thomas

2 Kommentare:

  1. Tja, das mit den Regeln. Gestern habe ich bei einem Fahrer sieben Stück gezählt. 0,75 L Bidon, Satteltasche, Startnummer am Rad (wohl aus 2913), Rad versifft, Brillenbügel unter dem Helmgurt, klein-klein Übersetzung gefahren und im Gegenverkehr nicht gegrüßt, obwohl er mich genauso kennt wie ich ihn. Vielleicht waren es auch noch mehr. Auf jeden Fall waren und sind Hopfen und Malz verloren.

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